
© Stephan Schuetze
Sanierung mit Brachialgewalt - Karstadt-Rettung kein Grund zur Entwarnung
Kommentar
Das Dortmunder Karstadthaus wird auch in Zukunft geöffnet bleiben. Ein Grund zum Aufatmen - aber keiner, um voreilig Entwarnung zu geben. Für die City steht nach wie vor viel auf dem Spiel.
Nun also doch: Mindestens das Karstadthaus am Westenhellweg bleibt Dortmund erhalten. Das ist ohne Wenn und Aber eine gute Nachricht - für die Beschäftigten und für die „Einkaufsstadt Dortmund“ insgesamt. Diskussionen, wer sich diesen Teilerfolg für eines der drei Häuser letztlich ans Revers heften darf, sind müßig. Der Instrumentenkasten der Stadt ist begrenzt, um privatwirtschaftliche Entscheidungen solcher Tragweite zu takten und zu dirigieren.
Dennoch war es wichtig, dass die lokalen Akteure in einem breiten Bündnis sehr schnell Flagge gezeigt und deutlich gemacht haben, dass Dortmund nicht tatenlos zusehen wird – während sich andere Kommunen bereits ihrem Schicksal fügen.
Galeria Karstadt Kaufhof steckt tief in der Krise. Es wirft Fragen auf, wenn Deutschlands letzter großer Warenhaus-Konzern den Fortbestand seiner Filialen fast ausschließlich von der Höhe der Miete abhängig macht. Wie schlecht muss es um Galeria bestellt sein, wenn die üblichen Parameter wie Lage der Häuser, Kundenfrequenz oder Einzugsgebiet so gut wie keine Rolle mehr spielen?
Die Fragen, die sich die Dortmunder Akteure stellen, zielen in genau diese Richtung. Wie kann es sein, dass ein Warenhaus-Konzern ernsthaft fast all seine Häuser in 1A-Lagen opfern will, um sich mit Filialen in B-Lagen über Wasser zu halten? Galeria mag Sanierungs- und Immobilienexperten haben. Wo ist aber der Experte für Warenhäuser?
Wo sind die Einkäufer, die mit wachen Augen über die Märkte schauen und Sortimentsangebote schaffen, die auf die regional unterschiedlichen Bedürfnisse der Kundschaft zugeschnitten sind? Ein Konzept ist dringend erforderlich – nicht erst seit gestern.
Bei den Beschäftigten hat sich der Eindruck verfestigt, dass sie Teil eines Mietpokers geworden sind, der auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Man kann das durchaus so sehen: Galeria hat in Dortmund eine Drohkulisse aufgebaut, drei Häuser auf die Streichliste gepackt, die halbe Stadt in Aufruhr versetzt und mit den Ängsten der Mitarbeiter und ihrer Familien gespielt: eine Sanierung mit Brachialgewalt.
Dennoch: Wer glaubt, die im Raum stehenden Schließungspläne für Karstadt Sports und Kaufhof nun nicht mehr ernst nehmen zu müssen, der könnte ein böses Erwachen erleben. Zur Entwarnung ist es zu früh, der Poker ist nicht beendet.
Und es geht um mehr: Die Debatte über Galeria ist auch eine Debatte über Dortmunds City der Zukunft. Attraktivität und Aufenthaltsqualität - das sind die Stichworte. Der Westenhellweg mit seinen teils beachtlichen Mieten zählt noch immer zu den zehn meist frequentierten Einkaufsmeilen Deutschlands. Alle Akteure, auch die Anrainer, sollten großes Interesse haben, dass es auch in Zukunft so bleibt.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.