Mit Glucks Orfeo-Ouvertüre startet die Oper „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“ historisch korrekt am Dienstagmorgen im Operntreff des Opernhauses. Doch der Hauskomponist der Jungen Oper Dortmund, Marc L. Vogler, lässt in den nächsten 90 Minuten eine hübsche Stilcollage erklingen, mischt unter die Barockmusik Pop-, Rock-, Jazz, Avantgarde- und Weltmusik-Einflüsse, die eine kleine Gruppe der Dortmunder Philharmoniker live spielte.
Bei der Uraufführung dirigierte der Composer in Residence selbst sein Werk, für das Chefdramaturg Daniel C. Schindler das Libretto nach dem gleichnamigen Schauspiel von Peter Jordan verfasst hat. Und Jordan ist nicht nur auf der Bühne ein toller Komödiant, er versteht es auch amüsante Stücke zu schreiben. So begeisterte die geniale Opernsatire die Zuschauer, die das zeitgenössische Werk für Jugendliche ab 14 Jahren mit Ovationen im Stehen feierten.

Seit der Französischen Revolution sind mittlerweile 20 Jahre vergangen – und das Königspaar wartet noch immer auf seine Hinrichtung, in der Realität fiel ihr Kopf bereits vier Jahre nach Ausbruch der Revolution. Auch Robespierre ist in dem Opernspaß noch am Leben, fällt jedoch dem alten Kuchen zum Opfer und anschließend aus dem Fenster.
Madame Dubarry, Geliebte des Königs, mischt ebenfalls wieder mit, aber sie wird ebenfalls nicht überleben. Sie gerät unter die selbst gebastelte Guillotine des Königs. Und die Halsband-Affäre wird in dieser turbulenten Komödie mit alternativem Historienverlauf und kritischen Anklängen zur Gegenwart wieder aktuell.
Überzeichnetes Spiel
Regisseur Lukas Wachernig setzt auf den Comedy-Effekt des Textes und auf das komödiantische Talent des dreiköpfigen Junge-Oper-Ensembles, das überzeichnet spielt - und für reichlich Lacher sorgt. Wendy Krikken gibt eine resolute Königin ab, die alles im Griff hat, aber genervt ist vom Volk, das sie in hoher Sopranlage kreischend beschimpft, und von ihrem trotteligen Mann, den sie auch schon mal als Sonnenkönig bezeichnet.
Tenor Franz Schilling als Ludwig XVI. wiederum postiert sich gerne ab und an in Staatsmann-Pose, aber führt sich oft wie ein Kind in der Trotzphase auf. Und den Namen der Bediensteten Cécile kann er sich einfach nicht merken – einer von vielen Running Gags in diesem skurril überdrehten Musiktheater.
Fantasievolle Ausstattung
Reichlich zu tun hat Mezzosopranistin Cosima Büsing, die nicht nur die Cécile spielt, sondern auch die zahlreichen Nebenrollen übernimmt. Gemeinsam mit ihrer Chefin amüsiert sie sich über deren Ausspruch „Lasst sie Kuchen essen!“, als Dubarry legt sie einen showmäßigen Diva-Auftritt – wie in unserer Zeit – hin, in der Rolle des Kardinals beherrscht sie Rapper-Gestik und Gesang.
Gespielt wird in der fantasievollen Ausstattung von Dorothee Schumacher, die Pappmache favorisiert. So unterstreichen die Requisiten aus Pappe den humorvollen Charakter der Inszenierung und ihre wunderschön gemalten Kulissen gaukeln den Zuschauern eine riesige Bühnentiefe vor.
Unbedingt hingehen
Das Volk, dargestellt von Mitgliedern von We DO Opera!, stürmt ganz am Ende die Bühne und wird von Cécile und dem Königspaar launig wie das Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix drapiert – goldener Bilderrahmen inklusive. Mit dieser amüsanten Musiktheaterproduktion hat Vogler einen großartigen Einstand an der Oper Dortmund gegeben. Unbedingt hingehen!
Weitere Vorstellungen: 8./9./11.11., 24.1., 12.2., 17.2.; Karten: Tel. 5027222 und im Internet: www.theaterdo.de
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