Stadt übernimmt Haus von Josef Reding Söhne nehmen Abschied von den „Lebensresten“ ihres Vaters

Emotionaler Abschied: Stadt übernimmt Haus von Josef Reding
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Josef Reding galt bis zu seinem Tod im Jahr 2020 als einer der bekanntesten Autoren der Nachkriegszeit. Viele Jahrzehnte lang lebte der Schriftsteller im Dortmunder Süden, im Stadtteil Löttringhausen.

Vier Jahre nach seinem Tod endet dieses Kapitel Familiengeschichte in der fast dörflichen Idylle: Die Familie Reding übergibt das Haus an die Stadt Dortmund. Und was für die einen an diesem letzten Tag im Oktober 2024 schlichtes Abarbeiten von Notwendigem ist, ist für die beiden anwesenden Brüder Dominik und Till Reding, die Söhne Josef Redings, ein emotionaler Abschied.

Ein Porträtfoto zeigt den Schriftsteller Josef Reding.
Der Schriftsteller Josef Reding starb 2020. Er schrieb vor allem Kurzgeschichten über soziale Probleme, Gewalt, Rassismus und Völkerverständigung. Er wurde 90 Jahre alt. © Dieter Menne

Überbleibsel aus Redings Leben

„Wir haben uns hier immer wohlgefühlt“, erzählt Till Reding. „Es war schön hier für uns.“ Der Übergabetermin an diesem grauen Oktobertag weckt viele Erinnerungen. Schließlich sieht sehr, sehr viel im Haus noch immer so aus, wie es damals war: Einige Möbel stehen noch darin; sogar der Schreibtisch, an dem Vater Josef Stunde um Stunde gesessen hat, ist noch da – samt Reiseschreibmaschine.

Man kann von hier aus gut in den großen Garten blicken, wo gerade jetzt die letzten Hortensien blühen. „Ist wohl noch so ziemlich der Originalzustand“, sagt Dominik Reding, als er auf den Schreitisch blickt. Er selbst lebt heute als Autor und Regisseur in Berlin.

Es ist ein riesiges Haus, das die beiden Brüder an die Stadt übergeben, 1972/1973 erbaut. Damals sei es schnell zum Rückzugsort ihres Vaters geworden, wie sie berichten. Josef Reding sei in kleinen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Zuhause sei an der Nordstraße in Castrop gewesen. Anfang der 1970er-Jahre habe die Stadt seinem Vater dann dieses Grundstück in Löttringhausen angeboten, berichtet Dominik Reding. Und Josef Reding baute sich darauf sein Refugium. Hier gab es Raum zur Entfaltung – für ihn und seine Familie.

Schreibtisch von Josef Reding mit Schreibmaschine
Auch den Schreibtisch des Schriftstellers Josef Reding unterm Dach gibt es noch: Sogar die Reiseschreibmaschine ist noch da. Es ist, als könnte sich der Schriftsteller einfach hinsetzen und loslegen. © Britta Linnhoff

„Spüren, wie mein Vater gelebt hat“

Noch heute atmet dieses Haus in jedem Winkel Familiengeschichte. „Man kann hier spüren, wie mein Vater gelebt hat“, sagt Dominik Reding. Im Flur gibt es ein Stehpult, hier kann man schnell etwas aufschreiben. Überall hängen noch Bilder an den Wänden: Es gibt ein großes Wohnzimmer mit einem großen Esstisch, an dem in all den Jahren lokale Prominente ebenso Platz genommen haben wie viele internationale Gäste, um über die Welt und ihr Tun zu diskutieren.

Um die Ecke gibt es einen großen Kamin, den hat „Papa immer befeuert“, erinnert sich Dominik Reding. Es sind Bilder, die für immer bleiben. Oben unter dem Dach gibt es einen riesigen Raum mit Sitzecke, großen Sesseln und runder Holzbank. Es ist wie ein Treffpunkt unter der mit Holz vertäfelten Dachschräge – Raum für Austausch.

Unter der Schräge stehen zudem viele weiße Regale. Hier war die Bibliothek Josef Redings. Jetzt sind die Regale leer; die Bücher stehen im Fritz-Hüser-Institut. Drei Tonnen hat die Familie aus dem großen Haus an der Kruckeler Straße geräumt. „Kein Müll“, sagt Dominik Reding, sondern „Lebensreste“. So nennt er das.

Flur im Haus von Josef Reding
Ein Hausflur wie eine Bildergalerie: Überall entdeckt man Spuren aus dem Leben Josef Redings. © Britta Linnhoff

„Josef-Reding-Haus“

Und es wird viel bleiben vom Schriftsteller Josef Reding. Nicht nur seine Werke, die Bücher und die Erinnerungen an zahlreiche Auszeichnungen, die er in seinem Leben erhalten hat: Auch im Haus selbst soll etwas von ihm bleiben. Welchen Zweck die Räumlichkeiten einmal erfüllen werden, ist noch nicht klar. Aber im „Josef-Reding-Haus“ sollen einige Möbel diesen Tag überdauern. So jedenfalls ist der Plan.

Seit dem 31. Oktober nun ist das Haus keines mehr der Familie Reding, sondern eines der Stadt Dortmund. Die Stadt hat das Haus auf dem Grundstück, das seinerzeit dem jungen Josef Reding zur Bebauung angeboten worden war, wieder übernommen.

Es soll etwas entstehen, das Josef Reding gerecht wird: „Papa wollte immer eine soziale Nutzung nach seinem Tod“, sagen seine Söhne. Dafür seien sie jetzt als nachfolgende Generation auch gerne bereit, auf Geld zu verzichten: „Auf keinen Fall“, sagt Dominik Reding, habe man das große Haus und das schöne Grundstück „in den Schlund eines Superreichen“ stopfen wollen. „Da haben wir schließlich auch eine Verantwortung, was daraus wird.“

Josef Reding, christlich geprägt, hatte sich in seinen Kurzgeschichten immer wieder mit sozialen Problemen, Gewalt, Rassismus und Völkerverständigung auseinandergesetzt. Zur genauen, weiteren Nutzung äußert sich die Stadt aktuell nicht. Man hat sich die Räumlichkeiten erst einmal genau angesehen.

Das Haus der Familie Reding in Dortmund-Löttringhausen: Hier soll ein Josef-Reding-Haus entstehen.
Das Haus der Familie Reding in Löttringhausen, das die Stadt jetzt von der Familie übernommen hat. © Britta Linnhoff

„Heute ist ein großer Tag“, sagt Dominik Reding, „nicht materialistisch, sondern emotional.“ Als alle wieder gehen und das Haus in Löttringhausen wieder über die Stufen hinab durch den Garten verlassen, sind die Zählerstände abgelesen und die Schlüssel übergeben. Dominik Reding verabschiedet sich von seinem Vater und von dem Haus, in dem er aufwuchs, mit einem Gedicht seines Vaters. Dessen Titel lautet „Meine Heimat“. Es ist eine Art Liebeserklärung an Familie und Heimat: „Meine Stadt und ich, wir sind Freunde, die sich kennen. ... und ich mag sie...“.

Er lässt es vorlesen, der Kloß im Hals ist zu dick: Es ist ein großer Tag, aber auch ein schwerer. Dann geht es für Dominik Reding zurück nach Berlin. Auch er schreibt mittlerweile – noch etwas, das ihn mit seinem Vater verbindet.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist erstmals am 4. November 2024 erschienen. Wir veröffentlichen ihn an dieser Stelle erneut.