Jetzt ist auch noch der Arbeitsdirektor weg Warum die Führungsetage an Dortmunds Klinikum ausblutet

Führungskräfte gehen: Warum die Chefetage im Klinikum ausblutet
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Neun Monate. So lange war 2020 um den Posten des Arbeitsdirektors am Klinikum Dortmund gerungen worden. Am Ende zahlloser Gespräche blieb Jens Peick (SPD), dem Kandidaten der Arbeitnehmer, nichts anderes übrig, als seine Bewerbung mangels politischer Unterstützung im Rat der Stadt zurückzuziehen.

Wenig später schlug die Stunde von Dr. Karsten Schneider: Der Beigeordnete aus Herten war als neuer Kandidat ausgeguckt worden – und hatte mit seiner Wahl Erfolg: Im März 2021 bezog er sein Arbeitszimmer im größten kommunalen Krankenhaus in NRW, in dem offiziellen Angaben zufolge rund 4.600 Mitarbeiter beschäftigt sind. Allzu lange hat es Schneider dort aber nicht ausgehalten: Am Freitag (28.7.) wurde er auf einstimmige Empfehlung des Aufsichtsrates nach knapp zweieinhalb Jahren als Geschäftsführer und Arbeitsdirektor abberufen – seit Dienstag (1.8.) steht sein Schreibtisch leer.

Es ist nicht der einzige: Klinikum-Chef Markus Polle, einst führender Kopf in der mit drei Personen besetzten Chefetage, musste auf Geheiß der Aufsichtsräte und des Klinikum-Gesellschafters (Stadt Dortmund) bereits Mitte Juni gehen – nach nur eineinhalb Jahren. Polle hatte es sich mit etlichen Chefärzten verdorben. Hinzu kam ein Führungsstil, den Betroffene als „autoritär“ beschrieben. Geblieben auf der Führungsebene ist allein Prof. Dr. Dr. Stefan Haßfeld als Medizinischer Geschäftsführer des Hauses.

„Mein Herz hängt an Herten“

Warum ist die Chefetage aktuell so ausgeblutet? Warum geht nach Polle nun auch der Arbeitsdirektor? Für Eingeweihte ist der Wechsel von Schneider, der sich als Personal- und Unternehmensberater selbstständig macht, keine große Überraschung. „Er wollte seit geraumer Zeit weg“, heißt es. Tatsächlich ist Schneider auf eigenen Wunsch gegangen, die „Abberufung“ als Geschäftsführer/Arbeitsdirektor war lediglich eine formelle Notwendigkeit.

Marcus Polle, Vorsitzender der Klinikums-Geschäftsführung
Marcus Polle, Vorsitzender der Klinikums-Geschäftsführung © privat

„Mein Herz hängt schon sehr an meiner Heimatstadt Herten“, sagt Schneider dazu auf Anfrage. „Mir war relativ früh klar, dass ich nicht volle fünf Jahre dabei sein werde.“ Sein Wunsch nach Luftveränderung dürfte spätestens nach Amtsanritt des Kaufmännischen Geschäftsführers Polle Anfang 2022 übermächtig geworden sein.

Da trafen zwei Führungskräfte aufeinander, die für eine Zusammenarbeit nicht bestimmt waren. Sowohl menschlich als auch beruflich: Auf der einen Seite ein Klinikums-Chef, der, so wird kolportiert, Entscheidungen meist ohne Absprache traf. Auf der anderen Seite der Arbeitsdirektor, ein „König ohne Land“, der von Polle offenbar nicht allzu ernst genommen – wenn nicht sogar als schlicht überflüssig betrachtet - wurde.

Schneider selbst drückt sich zurückhaltend aus: Ja, es sei „schon so, dass versucht wurde, die Zuständigkeiten innerhalb der Geschäftsführung zu verändern“, räumt er ein. Etwa bei der Frage, wer maßgeblich über die Höhe des Personalbudgets zu entscheiden habe. Polle muss für den Arbeitsdirektor wie eine Wand gewesen sein, die ihn immer wieder kühl abprallen ließ.

Schon früh und aufmerksam war in den Ratsfraktionen registriert worden, dass Schneider innerhalb der Politik vorstellig wurde, um Rückhalt zu gewinnen – der allerdings weitgehend ausblieb. Zumal nach einer gewissen Zeit auch erste kritische Stimmen aus der Belegschaft laut wurden, teils auch vonseiten einiger Betriebsräte. Vom Arbeitsdirektor kämen zu „wenig Initiativen und Anstöße“, heißt es.

Kampf gegen die eigene Ohnmacht

Zudem sei kein Engagement bei den Tarifverhandlungen mit der Klinikums-Tochter „Service Do“ erkennbar geworden. Schneider hat dazu seine eigene Meinung: „Meine Aufgabe bestand nicht darin, die Co-Stimme der Verhandlungsführung zu sein“, sagt er. Und, ja: Mit dem Betriebsrat sei es „an ein paar Stellen nicht immer reibungsfrei gelaufen“, gibt Schneider zu. Mal sei es um Corona-Prämien gegangen, ein anderes Mal um Dinge wie Gehaltserhöhungen, schildert Schneider, ohne sich weiter in Details zu verlieren.

So bleibt das Bild eines Arbeitsdirektors, der im Laufe der Zeit erkennen musste, dass er mehr und mehr gegen seine eigene Ohnmacht anrannte – und schließlich entnervt kapitulierte. In den sozialen Medien beschreibt er seine Zeit im Klinikum so: Er sei damals nach Dortmund gewechselt, um „die Position des gewerkschaftlich gestellten Arbeitsdirektors zu sichern. Das ist gelungen.“ Zudem sei ihm wichtig gewesen, „… dem Unternehmen in unruhigen Zeiten Stabilität zu geben. Diese Arbeit ist jetzt getan.“

Nun also der Sprung in die Selbstständigkeit als Personal- und Unternehmensberater. Nicht ohne Ironie ist, dass Schneider dabei eine Kooperation mit Marc Raschke anstrebt, dem früheren und durchaus erfolgreichen Kommunikationschef des Dortmunder Klinikums, der seinerzeit wegen Klinikums-Chef Polle gegangen war und eine Agentur mit Sitz in Hamburg gegründet hat. Dortmunds Verdi-Chef Miachael Kötzing möchte sich – wie viele andere - zu all dem nicht öffentlich äußern. „Karsten Schneider ist auf eigenen Wunsch gegangen“, so Kötzing. „Das haben wir zu respektieren. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles erdenklich Gute.“ Fürs Klinikum aber geht die Suche erneut los: nach einem neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung und nach dem nächsten Arbeitsdirektor.

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