Wenn Liebende sich auseinanderleben Jennifer Angersbach gibt Tipps für mehr Zweisamkeit

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Beim Gedanken, dass eine Liebesbeziehung ein ganzes Leben halten sollte oder zumindest kann, wird jüngeren Menschen oft ganz schwindelig. Selbstverständlich muss sich niemand auf ewig an einen Partner binden – wer eine langfristige Beziehung anstrebt, hat auf jeden Fall Arbeit vor sich. Vor allem, wenn die Wirkung der rosaroten Brille nachlässt und Alltag in die Partnerschaft einkehrt.

Doch man kann nachhelfen: Die Paartherapeutin und Lebensberaterin Jennifer Angersbach hat Tipps, wie Paare Zweisamkeit im Alltag finden.

Wenn beide Partner einen beanspruchenden Job haben, daneben eigene Freunde, Hobbys, oder auch schon Kinder im Spiel sind, bleibt kaum Zeit für den anderen. Das Gefühl, dass man sich voneinander entfernt, aneinander vorbeilebt, haben wahrscheinlich viele Menschen, die eine langjährige Beziehung führen. Wie ist es möglich, sich nicht zu verlieren, obwohl man kaum noch Zeit miteinander verbringen kann?

Dass Paare sich auseinanderleben ist spannenderweise seltener darin begründet, dass sie kaum Zeit miteinander verbringen. Vielmehr entsteht eine Distanz aufgrund fauler Kompromisse innerhalb der Beziehung, zu der auch die Freizeitgestaltung gehört, und/oder aufgrund daraus resultierender Verletzungen, durch das Gefühl, nicht „gesehen und gehört zu werden“.

Diese emotionale Distanz sorgt dann meist für das Abwenden voneinander und gerade wenn Kinder im Spiel sind, ist es häufig ein: Wer kann wann etwas „für sich tun“? Statt das Abendritual gemeinsam zu gestalten, fährt sie montags zum Sport und er dienstags. Also ist die wenige gemeinsame Zeit häufig ein Resultat von emotionaler Distanz. Man hat schlichtweg auch keine Lust mehr aufeinander.

Wie gehen Paare damit um, wenn ein Partner mehr Nähe und gemeinsame Aktivitäten möchte, der andere mit der Situation aber vollkommen zufrieden ist?

Wenn nur einer „leidet“ kann das auch einfach etwas mit der Andersartigkeit zu tun haben. Sehr freiheitsliebende Menschen, mit vielen Interessen und Hobbys, fühlen sich rasch eingeengt, wenn das Gegenüber plötzlich Forderungen stellt. Das Gefühl eingeengt zu werden, sorgt unmittelbar für eine Trotzreaktion: „Jetzt erst recht!“

Für den fordernden Part jedoch geht es nicht darum, Verbote aufzustellen oder das Gegenüber zu kontrollieren oder einzuengen vielmehr ist das Bedürfnis nach Nähe und Zweisamkeit stärker ausgeprägt. Durch diesen Unterschied entsteht hier dann der Übersetzungsfehler: „Ich bin Dir scheinbar nicht so wichtig, wie Du mir!“ Und diese Kränkung wird durch die Trotzreaktion nochmal verstärkt.

Eine Möglichkeit, diese destruktive Dynamik zu verhindern wäre klar zu benennen, dass man das Gegenüber vermisst, statt lediglich darauf hinzuweisen, dass das Gegenüber ja kaum zu Hause ist. Mehr Mut, sich einander zuzumuten, statt durch die Blume zu formulieren.

Was können Paare, die wieder mehr Zweisamkeit in ihren Alltag einbauen möchten, nun tun?

Zunächst ist es wichtig, sich zu fragen, was man grundsätzlich von der Beziehung erwartet und ob die Erwartungen in etwa gleich sind. Dass Gegensätze sich anziehen, ist ohnehin längst überholt. Also lieber nach den Gemeinsamkeiten suchen. Gibt es überhaupt gemeinsame Interessen? Statt sich einander anzupassen und gemeinsam ins Stadion zu fahren, obwohl einer da keine Lust drauf hat. Oder einen Film zu schauen, bei dem sich der andere langweilt. Lieber: Die gemeinsame Zeit so verplanen, dass beide Spaß daran haben. Wo gibt es gemeinsame Nenner?

Auch Rituale im Alltag, egal wie banal, sorgen für Verbundenheit und Sicherheit: Gemeinsames Zähneputzen, Schreibrituale falls man nicht zusammenwohnt, einen gemeinsamen Serien/Filmabend einmal pro Woche, zusammen ins Bett gehen, am Wochenende Handyverbot im Schlafzimmer, zusammen den Einkauf erledigen, Psychohygiene (Stress auf der Arbeit, Streit mit Freundinnen, …) täglich einplanen aber auf 20 bis 30 Minuten begrenzen.

Am allerwichtigsten ist vor allem das Anerkennen und Akzeptieren der Andersartigkeit, die häufig als Gefahr/Bedrohung wahrgenommen wird („Er macht lieber was mit Freunden, als mit mir!“ vs. „Freundschaften sind ihm wichtiger als sie mir sind!“)

Völlige Verschmelzung hat oft den Preis, Teile von sich selbst zu verlieren und das sorgt langfristig für Unzufriedenheit. Wichtig in der Beziehung ist, sich aufeinander zu beziehen und nicht aneinander zu ziehen.