Jasmin Sahin fehlen dieser Tage vor allem zwei Dinge: Zeit und Bettruhe. „Ich schlafe maximal zwei, drei Stunden“, sagt die Dortmunderin. Die Unternehmerin managt das nach eigenen Angaben größte Ramadan-Festival Europas, das „Festi Ramazan“ auf dem Parkplatz der Westfalenhallen. Es ist ihre erste Saison als Chefin. „Ich lerne jeden Tag dazu“, sagt sie.
Gleich zu Beginn musste die Novizin teures Lehrgeld zahlen: Die Eröffnung des Volksfestes platzte wenige Stunden vor dem geplanten Start, weil die Stadt Dortmund aufgrund baulicher Mängel die Veranstaltungserlaubnis nicht erteilte. Erst nach einer Nachbesserung an der Lüftungsanlage der Festzelte konnte das „Festi“ am Samstag losgehen.
15.000 Euro habe sie der ausgefallene Eröffnungstag am 31. März gekostet, „allein an Ausgaben, noch ohne die entgangenen Einnahmen“, erzählt Sahin. Aber auch abseits dessen kommen weniger Besucher als erhofft. Sie nennt als Beispiel den Ostermontag: „Da haben wir mit 9000 bis 10.000 Besuchern gerechnet, tatsächlich kamen nur etwas mehr als 2000.“
Ob sie mit einer „schwarzen Null“ aus ihrer Premieren-Saison als Festi-Ramazan-Chefin herausgehe, hänge vom Besucherandrang am letzten Wochenende ab. Sahin hofft, dass sie noch über ihrer Kalkulationsmarke von 30.000 Besuchern landet.
Zum Vergleich: Das damals noch drei statt zwei Wochen geöffnete „Festi Ramazan“ 2022 zog Sahins Angaben zufolge noch rund 60.000 Besucher an. Den geringeren Besucherzustrom erklärt sie sich auch durch mehrere neue Konkurrenzveranstaltungen, die es dieses Jahr in Duisburg und Düsseldorf gebe.

So offen Sahin über ihre Arbeit beim Festi Ramazan ist, so vage bleibt sie bei manchen persönlichen Dingen. Sahin ist eine Quereinsteigerin in die Veranstaltungsbranche. Die aus dem südhessischen Bensheim stammende Unternehmerin hat einen „juristischen Hintergrund“, näher möchte sie das in der Öffentlichkeit nicht ausführen - sie wolle ihren eigentlichen Beruf nicht mit dem Zweitjob als Eventmanagerin in Verbindung bringen. Auch über ihr Alter schweigt sie: „Das fragt man eine Frau doch nicht!“
Beim „Festi Ramazan“ ist Sahin schon seit dessen Anfängen 2012 dabei, sagt sie - bis vergangenes Jahr jedoch nur im Hintergrund. Bis 2022 habe ihr ehemaliger Lebensgefährte das Festival organisiert, der im Gegensatz zu ihr reichlich Erfahrung mit Veranstaltungen hatte. „Seine Stärke ist es, Leute zusammenzutrommeln“, sagt Sahin. Sahin habe ihm nur beratend zur Seite gestanden. Sie kümmerte sich nach eigener Aussage um die Kommunikation mit dem Ordnungsamt, half bei Behördengängen.
Marktlücke gesehen
Mit ihm hatte Sahin 2007 auch die Idee gehabt, ein Ramadan-Festival nach Deutschland zu bringen. Damals war das Paar in Istanbul im Urlaub und erlebte dort die Feiern zum Fastenbrechen im Ramadan. „So etwas kannten wir aus Deutschland nicht, da haben wir eine Marktlücke gesehen“, erinnert sie sich. Sie habe sich danach die Markenrechte an dem Fantasienamen „Festi Ramazan“ gesichert.
2012 eröffnete dann das erste „Festi Ramazan“ in der Dortmunder Nordstadt. Der Besucherandrang war groß - aber der Ärger auch: Reihenweise beschwerten sich Anwohner über den Lärm und Park-Chaos rund um das Festivalgelände am Fredenbaum - ein Problem, das die Veranstaltung auch in den Jahren danach an ihrem neuen Standort an den Westfalenhallen begleitete. Mittlerweile sei das aber kein Problem mehr, versichert Sahin. Man habe zwar extra eine Hotline für Anwohner eingerichtet, „doch die hat bisher kein einziges Mal geklingelt“. Auch beim Ordnungs- und beim Tiefbauamt der Stadt ging bisher keine einzige Beschwerde ein.
2022 - Sahin und ihr Ex-Lebensgefährte waren da schon kein Paar mehr - fiel die Entscheidung, dass Sahin die Festival-Leitung übernimmt. Bei der 2022er-Ausgabe des Ramadan-Festivals habe sie „eine Art Praktikum“ gemacht, erzählt Sahin: Sie lief überall mit, lernte die Aussteller und die Gewerke kennen. „Man muss vernetzt sein“, sagt sie.
Danach fühlte sich Sahin gut genug vorbereitet für die Rolle als Chefin. In ihrem Büro im Dortmunder Hafen stellte sie zwei Ingenieure ein und tüftelte an den Plänen für 2023. Sie änderten einiges: Das Festi wurde von einer Outdoor-Veranstaltung zu einem Zeltfestival, einer Art „muslimischem Oktoberfest“, wie es Sahin gerne nennt. Außerdem sollte es internationaler werden.
Die vielleicht größte Veränderung betraf aber gar nicht Dortmund selbst: Sahin entschied sich zu expandieren und Lizenzen für „Festi Ramazans“ an Geschäftspartner in anderen Städten zu verkaufen. Dieses Jahr gab es zwei zusätzliche Festi Ramazans in Freiburg und im niederländischen Den Bosch. „Wir wollen weiter wachsen“, sagt Sahin. „Nächstes Jahr wird es wohl sechs Festi Ramazans geben.“

„Die Stadt kontrolliert alles“
Ob eines davon wieder in Dortmund sein wird, lässt Sahin im Gespräch mit unserer Redaktion offen. Sie betont zwar, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt gut sei, sagt aber gleichzeitig: „Ich bekomme einiges ab. Die Stadt kontrolliert alles.“ Sie spricht von „einigen unerwarteten Auflagen“, von denen sie im Vorjahr nichts gehört habe.
Am Ende sei es aber vor allem eine wirtschaftliche Entscheidung: Es mache viel Spaß, das Dortmunder „Festi Ramazan“ zu organisieren, „man lernt viele Leute kennen“, sagt Sahin. „Aber das Geld muss auch passen.“
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