Gerade langjährige Singles kennen es: Man kann noch so oft betonen, nicht auf der Suche nach einer Beziehung zu sein - immer wieder unterstellen einem Freunde, Verwandte und Bekannte, im Grunde unglücklich und einsam zu sein. Den perfekten Partner oder die perfekte Partnerin fürs Leben zu finden, ist für viele die Voraussetzung, um ein glückliches Leben zu führen. Aber stimmt das?
„Wir Menschen sind in der Regel an Gemeinschaft und Verbindung interessiert, aber das lässt sich nicht pauschalisieren und muss nicht zwangsläufig bedeuten, eine feste Beziehung führen zu wollen“, sagt dazu Birthe Kottmann, systemische Einzel,- Paar- und Familientherapeutin aus Dortmund. Neben ihrer Arbeit mit Paaren berät sie viele Einzelpersonen und Alleinstehende.
Auf die Frage, ob man als Single dauerhaft glücklich sein kann, sagt sie: „Natürlich kann man das. Es gibt so viele Beziehungs- und Lebensmodelle, und eines davon ist das Single- oder Alleinsein.“ Je nach eigener Prägung, Erfahrung, innerem Bedürfnis sowie Zeit und Ort fühle man sich vielleicht allein viel wohler und zufriedener als in einer Partnerschaft.
Ist das Alleinsein eine bewusste Entscheidung?
„An dieser Stelle macht es durchaus Sinn, genauer zu betrachten, warum jemand allein ist“, führt sie aus. „Ist es der bewusste Wunsch allein zu sein, weil vielleicht eine alte Beziehung noch nicht ganz verarbeitet ist, oder ist eine Beziehung gerade einfach nicht dran, weil man einfach gerade mit sich allein glücklich und zufrieden ist oder es beispielsweise um Karriere oder etwas ganz anderes geht, das vielleicht gerade erst einmal priorisiert wird?“
Sowohl aus ihrer Praxis als auch aus ihrem Umfeld kenne sie viele Menschen, die glücklich allein leben. „Das kann gut gelingen, wenn es genügend wahrhaftige und tragfähige Verbindungen im Leben der Person gibt. Zu Freunden, zur Herkunftsfamilie oder Verwandtschaft - wenn diese Bindung förderlich und gewünscht ist -, zu Kolleginnen und Kollegen, zu Tieren, zu Gleichgesinnten, die einen vielleicht bei Hobbys begleiten.“
Der Wunsch nach Zweisamkeit entstehe dann bei Singles nicht selten beim Thema Sexualität. Da stelle sich dann ebenfalls die Frage: „Ist die Person, trotz des Allein-Lebens an dieser Stelle glücklich und werden die eigenen Bedürfnisse befriedigt?“
Ist man jedoch eher ungewollt Single und sehnt sich nach einer festen Beziehung, ist es laut Birthe Kottmann durchaus hilfreich, nach den Ursachen fürs Alleinsein zu suchen. „Welche (meist alten) Muster oder Erfahrungen halten mich vielleicht sogar ab, eine feste Beziehung einzugehen? Wo liegen tiefe, oft unbewusste, (Bindungs-) Ängste, die es einer Person sogar unmöglich machen können, sich fest zu binden, weil es dem eigenen System zu bedrohlich scheint, eine enge Verbindung einzugehen?“
Stehe man vor solchen Problemen, sei es häufig schwierig, sie alleine zu lösen, da es sich dabei in der Regel und um „tiefe und alte Prägungen“ handle, die unbewusst weiterlaufen. In so einem Fall rät Birthe Kottmann: „Suchen Sie sich jemanden, der oder die Sie ein Stück Ihres Weges begleitet und Ihnen hilft, alte Muster zu erkennen und zu verändern, sodass Sie andere und vor allem mehr Handlungsoptionen in Ihrem Leben haben.“
Es gibt viele Beziehungsmodelle
Am Ende sei es wichtig, so Kottmann, sich wohl zu fühlen und eine bewusste Entscheidung zu treffen, die sich zum aktuellen Zeitpunkt stimmig und richtig anfühlt. „Tut es dies irgendwann nicht mehr, ändern Sie was! Es ist nie zu spät, sich auf den Weg zu machen, sich selbst kennenzulernen, eigene Muster zu reflektieren und zu bearbeiten, oder auch doch irgendwann eine feste Bindung eingehen zu wollen. Wie auch immer die dann aussieht“, sagt Birthe Kottmann.
„In meiner therapeutischen Praxis erlebe ich so viele Lebensmodelle: von alleinlebend zu monogamen, über offene bis polyamouröse Beziehungen - dass nur wichtig ist, womit fühlen Sie sich wohl? Es geht immer um Selbsterkenntnis und innere Zufriedenheit und dann ist Ihnen hoffentlich egal, was das Umfeld denkt und Ihr Leben bewertet.“
Birthe Kottmann ist systemische Einzel,- Paar- und Familientherapeutin in freier Praxis in Dortmund. Der Schwerpunkt ihrer therapeutischen Arbeit liegt darin, Menschen dabei zu begleiten, ihre Muster und Prägungen zu verstehen, zu reflektieren und sich dann so entwickeln, dass sie erkennen, was ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und vor allem ihre eigenen Grenzen sind. Dabei zeigen sich häufig frühe Bindungs- und Entwicklungsthemen, die uns zu dem Menschen machen, der oder die wir heute sind. In ihrer Kolumne gibt sie Alleinstehenden und Singles Tipps, wie man mit Einsamkeit, Stress erzeugenden und übergriffigen Kommentaren und den Erwartungen der Gesellschaft, nun endlich doch den oder die Richtige zu finden, umgeht. Mehr Infos und Kontakt unter www.birthekottmann.de.
Benedikt Bock ist Paartherapeut : Mit einem Problem kommen Männer besonders häufig zu ihm
„Ich sehe mich nicht im Brautkleid“: Dagmar Hornung (35) über das Heiraten