An der Wand hängen große Bilder bekannter iranischer Künstler. Im Regal liegen dicke Ausstellungskataloge, deren Inhalt ein wenig das Leben der Deutsch-Iranerin Mansoureh Rahnama widerspiegelt. Als junge Frau in Teheran aufgewachsen, hat sie früh am eigenen Leib erfahren, was es heißt, nicht auf der Linie eines totalitären Regimes zu sein. Derzeit arbeitet sie als Kuratorin und Kreativdirektorin an zahlreichen kreativen Projekten in Deutschland. Zuletzt organisierte sie eine Kunstausstellung in Dortmund.

Über 70 zum Teil international bekannte Plakatkünstler und Kreativdirektoren nehmen daran teil. Raban Ruddigkeit, Peter Bankov, Niklaus Troxler oder auch Erik Spiekermann und Holger Matthies gestalteten Plakate zum Thema Demokratie.
„Nach zahlreichen Kunstprojekten in Dortmund, Deutschland und der Welt erlebe ich zunehmend Herausforderungen durch fremdenfeindliche Tendenzen. Umso wichtiger ist es, in Zukunft verstärkt über Frieden, Freiheit und den Erhalt der Demokratie zu sprechen“, sagt Mansoureh Rahnama. Dabei lässt sie die Plakatkunst sprechen. Mit ihr will sie gesellschaftlich und politisch relevante Themen sichtbar machen.
In dunklen Keller gesperrt
Denn was es heißt, nicht frei sprechen und leben zu können, hat sie in ihrer Heimat, dem Iran, erfahren. Schon als junges Mädchen. Als sie in der Schule einmal Bilder von berühmten Persönlichkeiten verändert hatte, wurde sie abgeholt und mit verbundenen Augen in einen dunklen Kellerraum gesperrt.
„Ich war ein Kind und hatte unvorstellbare Angst, dass mir etwas passieren könnte“, sagt sie nachdenklich, aber entschlossen. Später, als Studentin, arbeitete sie als freie Journalistin für eine Tageszeitung. Zufällig fotografierte sie eine Kundgebung vor einem UN-Gebäude.
Fotos wurden veröffentlicht
Die Polizei griff ein, es gab Ohrfeigen und den Versuch, ihre Fotos verschwinden zu lassen. „Aber ich konnte den Film vorher aus der Kamera nehmen und in meiner Tasche verstecken.“ Im Polizeiwagen wurde sie bedroht. Doch die mutige junge Frau brachte den Film in die Redaktion.
Am nächsten Tag wurden die Fotos in der Zeitung veröffentlicht. „Das gab große Probleme“, sagt sie. „Es wurde immer schwieriger in meinem Heimatland, ich wurde beobachtet.“ Sie bekam Drohanrufe von ihr unbekannten Menschen. Aber irgendwann durfte sie ausreisen. Das war Ende der 90er Jahre. Da hatte ein Großteil ihrer Familie den Iran schon längst verlassen.

„Mein Onkel war einer der ersten Medizinstudenten, die in den 70er Jahren nach Deutschland kamen, und einer der ersten iranischen Ärzte, die hier als Chirurg und später als niedergelassener Arzt gearbeitet haben“, erzählt Rahnama. „In den 80er Jahren folgte meine Schwester, eine erfolgreiche Unternehmerin, und wenig später meine Mutter mit vier weiteren Geschwistern, die hier die Schule abschlossen, studierten und heute erfolgreich arbeiten“, sagt sie.
„Inzwischen ist meine Familie über Europa, die USA und Kanada verstreut. Einige leben in den Niederlanden, einige auch in Deutschland.“ Meinungsfreiheit war Rahnama immer wichtig – und die Kunst auch. Schon immer. In Deutschland studierte sie zunächst Betriebswirtschaft. Doch: „Ich hatte schon immer die Idee, Kunst und Design zu digitalisieren. Ich habe immer überlegt, wie man sich digital vernetzen und mit Zeichnungen kommunizieren kann.“
Japanische Botschaft
Der Durchbruch als Kuratorin gelang der Deutsch-Iranerin, die in Schüren lebt und arbeitet, mit einer Plakatausstellung zur Fukushima-Katastrophe in Zusammenarbeit mit Uwe Losch und Günther Grass. Ein Teil der Plakate hängt noch heute in den Räumen des japanischen Kulturinstituts in Köln.

Seit 2010 hat Mansoureh Rahnama auch einen deutschen Pass. In Deutschland fühlt sie sich wohl. Aber sie spürt, dass sich die Gesellschaft spaltet. Dass die Stimmung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund kippt. „Im Laufe meiner zahlreichen Kunstprojekte in Dortmund, Deutschland und weltweit erlebe ich in Europa zunehmend fremdenfeindliche Tendenzen. Umso wichtiger ist es, sich in Zukunft noch entschiedener für Frieden, Freiheit und den Erhalt der Demokratie einzusetzen“, sagt sie und ergänzte ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: „Nur der Denkende erlebt sein Leben, am Gedankenlosen zieht es vorbei.“ Freiheit bedeutet, frei denken zu können und aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft teilzuhaben sagt sie. Deshalb hat sie jetzt ein neues Projekt ins Leben gerufen. „Demograzie – Demokratie gestalten“ heißt es und soll die Menschen wachrütteln, Freiheit und Demokratie wieder mehr zu schätzen.
Premiere war in Dortmund
Premiere feierte die Ausstellung im Februar in Dortmund. Berlin, Hannover oder München sind vermutlich die nächsten Stationen. Aber die Plakate sollen auch in aller Welt ausgestellt werden. In den USA zum Beispiel.
Und auch den Weg in den Iran soll die Ausstellung nehmen. „Das klappt aber nur, wenn ich eine offizielle Einladung bekomme“, sagt Mansoureh Rahnama. Dann fühle sie sich ein wenig sicherer in ihrem Geburtsland. Aber die Angst bleibt – und auch die Erinnerung an die Ohrfeigen der Polizisten.