Westlich der Thier-Galerie beginnt ein Stück Einkaufsstraße, das für manche nicht zu existieren scheint. Der Westenhellweg franst dort, an seinem „oberen“ Ende aus: weniger Kunden, kaum große Marken, düstere Zukunft? Vielleicht. Doch es gibt ein Gegenargument.
Denn auf gut 200 Metern finden sich am oberen Westenhellweg auch einige der traditionsreichsten Fachgeschäfte der City. Sich mit Ihnen auseinanderzusetzen zeigt, wo die Potenziale des Straßenzuges liegen - und wo seine Probleme.
Der Elefant im Raum
Wenige befassen sich so intensiv mit dem oberen Westenhellweg wie Matthias Hilgering. Der Inhaber des gleichnamigen Weingeschäfts ist unter anderem in der Händler-Vereinigung City-Ring aktiv. Eigentümer-Einzelhandel stabilisiere die Einkaufsstraße aktuell - habe aber ebenfalls mit Problemen zu tun: „Vielleicht ist es gerade eine Durststrecke, die man überstehen muss.“
Gemeint ist das maue gesamtwirtschaftliche Klima, vor allem aber das Thema, das jede Auseinandersetzung mit dem oberen Westenhellweg seit fast zwei Jahren überschattet: die Probleme mit der Drogenszene.
Gesagt worden ist dazu mittlerweile viel - auch politisch. Die Kurzfassung geht so: In direkter Nachbarschaft zur Einkaufsstraße befindet sich der städtische Drogenkonsumraum. Er ist ein Anlaufpunkt für suchtkranke und oft auch arme Menschen. Die halten sich allerdings nicht nur in dessen kontrolliertem Umfeld auf, sondern auch auf der Einkaufsstraße, betteln dort, nehmen Drogen und verrichten teils ihre Notdurft in Nischen der Geschäftshäuser.
Die Lösung läge wohl in einem neuen Ort für den Drogenkonsumraum, weniger zentral, aber noch erreichbar für diejenigen, die ihn brauchen. Bisher gibt es allerdings keine Einigung auf einen neuen Standort.
Wenig Kundentreue
Wie die Folgen aussehen können, beschreibt Sebastian Kimm, Geschäftsführer des gleichnamigen Reformhauses, das es seit über 20 Jahren am oberen Westenhellweg gibt. „Ich mache hier jeden Tag Fäkalien weg“, sagt er. Und das sei nicht rhetorisch gemeint. Im Reformhaus habe es mal viel Laufkundschaft gegeben. Mittlerweile sei das kaum noch der Fall. Aber auch bei den Kunden, die kommen, gebe es Zurückhaltung, berichtet Sebastian Kimm: „Die Menschen haben aktuell weniger Geld im Portemonnaie. Das merken wir natürlich.“

Eine Diagnose, die Christian Heuchert teilt. Er ist beim Unternehmen JLL für die Vermittlung von Einzelhandelsimmobilien unter anderem in Dortmund verantwortlich. Aktuell gebe es eine Schwächephase beim Konsum: „In den meisten Großstädten gibt es kaum noch Kundentreue.“
Das sei ebenfalls ein Problem für Traditionsgeschäfte. Gleichzeitig gebe es allerdings einen starken Drang nach individuellem Shopping. „In den meisten Einkaufsstraßen finden Sie heute dieselben Ketten. Da suchen viele Kunden nach dem Anderen, Besonderen.“ Darin liege das Potenzial.
Durchmischte Ladenzeile
Gegenüber von Reformhaus Kimm beginnt eine besonders durchmischte, aber ansonsten eher nicht so besondere Ladenzeile: ein Handygeschäft, Imbisse, ein Laden für Parfüms. Allesamt wenig glanzvoll. „Dieser Geschäftsmix ist nicht spezialisiert genug, um Begehrlichkeiten bei Kunden zu wecken“, analysiert Christian Heuchert. „Gäbe es dort zum Beispiel eine Reihe von Geschäften aus einer Branche, die gemeinsam ein Publikum ansprechen, könnte das sogar ein Magnet sein.“ So ein Konglomerat attraktiver Geschäfte von außen herzustellen, sei allerdings sehr schwierig.
Sebastian Kimm ist in erster Linie froh, dass ihm kein großer Leerstand gegenüberliegt. Matthias Hilgering wünscht sich für die Ladenzeile jedoch Mieter, die besser zu den bestehenden Traditionsgeschäften passen. „Spannend fände ich zum Beispiel etwas im Bereich Feinkost.“ Das sei auch auf den kleineren Flächen gut umsetzbar. „Dann würde ich wahrscheinlich sogar mein eigenes kleines Feinkost-Sortiment abgeben.“
Ein Hoffnungsträger
Der große Leerstand im ehemaligen Conrad-Haus könnte sich bald zu einem Hoffnungsträger für den oberen Westenhellweg entwickeln. Dort soll Wohngebäude mit gemischter Gastronomie im Erdgeschoss entstehen. „Die Entwicklung dort ist sehr positiv“, sagt Christian Heuchert. Und sie löse auch ein Problem, dass es bei vielen großen Geschäftsimmobilien am Westenhellweg gebe.
Denn die Straße ist abschüssig. Große Verkaufsflächen seien im Erdgeschoss häufig durch Treppenstufen unterbrochen. „Die fehlende Barrierefreiheit ist ein echter Umsatz-Killer“, sagt Christian Heuchert. Durch die Aufteilung in mehrere kleine Lokale sei dieses Problem im Conrad-Haus beispielhaft gelöst worden. Nötig waren dafür Investitionen der Eigentümer, die es auch andernorts bräuchte, meint der Immobilien-Experte.
Miete oder Eigentum
Hoffnungsvoll auf die Entwicklung blicken auch Monika Graf und Frank Büker. Beide sind Inhaber des Einrichtungshauses Büker schräg gegenüber vom ehemaligen Conrad-Haus - und zwar seit 1959. Allerdings stelle sich aktuell die Frage, wie lange noch.
„Wir haben mittlerweile Kunden, die Angst haben, zu uns zu kommen“, erzählt Monika Büker. Der Grund: auch hier wieder die Störungen durch drogenabhängige Menschen. Einmal, erzählt Frank Büker, habe sich eine Frau von der Straße in das Einrichtungshaus geschlichen und im Erdgeschoss schlafen gelegt. Ein anderes Mal seien in einem Sessel im Obergeschoss Brandflecken aufgetaucht.

Die Probleme mit der Drogenszene in den Griff zu kriegen, sei für den oberen Westenhellweg die drängendste Aufgabe. Alles andere lasse sich dann schon regeln, meinen die beiden Inhaber.
„Aktuell geht es eigentlich nur noch, weil uns auch das Haus gehört“, sagt Monika Graf. Auch Matthias Hilgering hat diesen Vorteil, Sebastian Kimm hingegen nicht. Das Gebäude, in dem sich sein Reformhaus befindet, gehört einem Immobilienfonds. „Unseren direkten Ansprechpartnern verstehen das alles“, sagt er in Bezug auf die Probleme mit der Drogenszene. Irgendwo weiter oben höre das Verständnis aber dann wohl auf. Eine Verringerung der Miete habe es jedenfalls bislang nicht gegeben.
Standort-Vorteile
Wo also steht der obere Westenhellweg aktuell? Und was unterscheidet ihn vom östlichen Ende der Einkaufsstraße? „Wenn Sie aktuell von der Thier-Galerie die Einkaufsstraße hinunterblicken, dann fehlt es momentan am Impuls, dorthin zu gehen“, konstatiert Christian Heuchert. In diesem Sinne sei die Thier-Galerie im Westen ebenso wie der Reinoldikirchplatz im Osten eine Barriere für viele Kunden und Kundinnen.
Allerdings habe der oberen Westenhellweg einige Vorteile gegenüber dem Ostenhellweg. „Die Erreichbarkeit ist deutlich besser. Viele Kunden, die von außerhalb kommen, parken ja in der Thier-Galerie. Man müsste sie dann also nur dazu bringen, auf dem Hellweg auch nach links abzubiegen.“
Und auch der traditionsreiche Einzelhandel sei ein Pluspunkt. Wegen der höheren Individualität und auch, weil solche Geschäfte ihr Angebot kreativer gestalten und schneller auf Trends reagieren könnten.
Von den Inhabern dieser Geschäfte bleibt ein Eindruck der Verbundenheit mit und des Engagements für den oberen Westenhellweg - aber auch einer der Sorge um dessen Zukunft. Und die einhellige Meinung der Händler: Werden die Probleme rund um die Drogenszene gelöst, stehen die Chancen für ein Aufblühen des Straßenzuges durchaus gut.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist ursprünglich am 24.2.25 erschienen.