Es war ein aufregender, ein verrückter Tag für die Einwohnerinnen und Einwohner von Dortmunds russischer Partnerstadt Rostow am Don. Am frühen Samstagmorgen (24.6.) waren Truppen der Wagner-Privatarmee, die vorher gemeinsam mit der russischen Armee in der Ukraine gekämpft hatten, in die Millionenstadt eingerückt. Panzer und andere Militärfahrzeuge standen - wie Bilder zeigten - auf den zentralen Straßen, Plätzen und Kreuzungen.
Nach Angaben von Jewgeni Prigoschin, dem Chef der Söldner-Truppe, hatten seine Soldaten den Flughafen und das südliche russische Militärkommando in Rostow unter Kontrolle. Von hier aus startete die Wagner-Armee ihren Marsch auf Moskau. Als Ziel hatte Prigoschin die Absetzung der russischen Militärführung mit Verteidigungsminister Schoigun an der Spitze ausgegeben.
Erst am Abend wurde der Vormarsch auf die Hauptstadt auf halber Strecke gestoppt, nachdem die russische Führung Prigoschin offenbar Zugeständnisse gemacht hatte. Die Wagner-Söldner sollen Straffreiheit bekommen, Prigoschin selbst nach Belarus ausreisen.
Rückzug aus Rostow
Tatsächlich rückten die Wagner-Truppen am späten Samstagabend auch aus Rostow am Don wieder ab. „Es ist dort wieder Ruhe eingekehrt“, erfuhr Klaus Wegener, der Dortmunder Präsident der Auslandsgesellschaft NRW, von Gesprächspartnern in Rostow. „Am Sonntag herrschte wieder normales Leben.“
Wegener hatte nach längerer Funkstille wegen des russischen Angriffskrieges angesichts der turbulenten Ereignisse erstmals wieder telefonischen Kontakt nach Rostow. Sein Eindruck: Trotz der Sonntagsruhe könne dort von echter Normalität noch keine Rede sein. „In Rostow haben alle Angst“, sagt Wegener. „Angst vor der Ungewissheit oder gar vor einem Bürgerkrieg.“

Denn die Reaktionen der Rostower auf den Einmarsch der Wagner-Truppen zeigten, dass die Bevölkerung tief gespalten ist, wenn es um die Loyalität zur russischen Führung geht. Teilweise kam es auf den Straßen sogar zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Einwohnern.
„Viele wollen einfach weg“, erfuhr Wegener von seinen Gesprächspartnern in Rostow. Für die Flugverbindung etwa nach Istanbul, die es vom Rostower Flughafen aus noch gibt, gebe es keine Tickets mehr und auch die Fahrten der Überlandbusse seien eingestellt.
Rostow am Don ist auch nicht weit von der Grenze zur Ukraine entfernt und damit relativ nah am Kriegsgeschehen. Auch da ist die Ungewissheit groß, wie sich das nun nach der innerrussischen Auseinandersetzung entwickelt, berichtet Wegener.
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