Tausende freie Wohnungen fehlen in Dortmund Warum Vermieter Leerstand oft nicht anbieten

In Dortmund stehen 6.000 Wohnungen leer - trotzdem sind es zu wenige
Lesezeit

Werner K. (77) hat seine Wohnung liebevoll eingerichtet. Sein Bett hat er selber gebaut, an den Wänden hängen Bilder, kaum ein Platz ist noch frei. Sein Plan: Hier, direkt am Dortmunder Wallring, den Lebensabend verbringen. Doch seit die Erbengemeinschaft der damaligen Eigentümerin das Haus mit 30 Wohnungen auf der Weißenburger Straße 8 verkauft hat, sind 20 Mieter ausgezogen. Teils ohne offizielle Schlüsselübergabe, berichtet Werner, manche der Wohnungstüren stehen seitdem offen.

Wegzug aus Problemhaus ist keine Option

Der Grund für die Auszüge: Die Heizung fiel immer wieder aus, genauso wie der Strom für Aufzug und Licht in Flur und Treppenhaus. Der Vermieter, eine Eigentümergesellschaft aus Düsseldorf, der auch Mietshäuser am Hackländerplatz (an der Münsterstraße) und am Sadelhof (Marten) Mietshäuser gehören, habe den Hausstrom nicht bezahlt, so Werner. Die Stadt bestätigt das, der Energieversorger habe den Allgemeinstrom unangekündigt abgestellt, in Folge sei die Zentralheizung ausgefallen.

Werner K. im roten Pulli und Rainer S. im grauen Pulli stehen auf dem Balkon und schauen in den Innenhof ihres Wohnhauses auf die übrigen Wohnungen.
Werner K. (links) und Rainer S. sind zwei von zehn übrig gebliebenen Mietern auf der Weißenburger Straße 8. Rund 20 ihrer Nachbarwohnungen stehen inzwischen leer. © Tim Ruben Weimer

Werner ist gehbehindert und daher auf den Aufzug angewiesen, momentan schleppt er seine Einkäufe die Treppe hinauf. Auszug ist für ihn dennoch keine Option. So innenstadtnah und für nur etwas über 400 Euro Warmmiete für 34 Quadratmeter findet sich keine neue Wohnung. Werner wohnt seit mehr als 20 Jahren hier, genauso wie sein 82-jähriger Nachbar Rainer S. Und eigentlich stört es sie nicht, dass ein Großteil der Nachbarwohnungen leersteht. „Ich will hier einfach meine Ruhe haben“, so Werner. Und auch der Vermieter zeigt keine Tendenzen, die Wohnungen neu zu vermieten. So bleiben 20 Wohnungen direkt am Ostwall einfach leer.

Leerstandquote liegt im Schnitt

Genauso wie rund 6.100 weitere Wohnungen in ganz Dortmund. Im Schnitt jede 50. Wohnung steht seit mindestens sechs Monaten leer, die Leerstandsquote liegt bei 1,9 Prozent. Die Zahlen stammen aus dem aktuellsten Wohnungsmarktbericht der Stadt für das Jahr 2023. Berücksichtigt man auch kurzfristige Leerstände, liegt die Quote bei 2,6 Prozent. Der Zensus 2022 kam aufgrund anderer Methodik auf eine Quote von 3,3 Prozent. Besorgniserregend viel ist das nicht, Dortmund liegt im nordrhein-westfälischen Schnitt.

Der wohnungspolitische Sprecher des Dortmunder Mietervereins, Markus Roeser, kommt sogar zu einem ganz anderen Schluss: „Wir haben in Dortmund zu wenig Leerstand“, sagt er. Die Situation, vor der Werner K. steht, betrifft auch viele andere: „Wenn ich umziehen will, habe ich in Dortmund zu wenig Auswahl. Und wenn ich eine passende Wohnung finde, ist sie so teuer, dass ich sie mir nicht leisten kann.“

Geringer Leerstand führt zu wenig Umzügen

Das führe etwa dazu, dass Rentner in ihrer großen Familienwohnung wohnen blieben, in der sie einst ihre Kinder aufgezogen hatten, statt in eine passendere, kleinere Wohnung zu ziehen. Denn die heutige Miete einer kleineren Wohnung könnte jene einer großen Wohnung, die jahrelang nicht mehr angehoben wurde, schnell übersteigen. Sie belegen damit als Einpersonenhaushalt genau jene Wohnungen, die große Familien händeringend suchen.

Karte der Unterbezirke der Stadt Dortmund mit eingefärbter Leerstandsquote
Die Karte zeigt, wo der Leerstand Ende 2023 besonders hoch war: Im Unionsviertel, in der City-Ost und in Dorstfeld (aufgrund von Hannibal II) © Stadt Dortmund

Vor allem in den Dortmunder Außenbezirken lässt sich kaum noch eine Wohnung finden. Annähernde Vollvermietung herrscht beispielsweise in Löttringhausen-Nord, Kirchhörde-Nord, der Funkturmsiedlung, Scharnhorst-Ost, der Siedlung Siepmannstraße, Schüren-Neu, Jungferntal und Nette.

Vermieter können sich Mieter aussuchen

Vermieter hätten dadurch viel Macht: Wer Vorurteile gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen habe, könne die bei der Mietersuche ohne Probleme anwenden. Ein Ehepaar ohne Kinder wird eher bevorzugt als eines mit Kindern. „Ein höherer Leerstand wäre wünschenswert, damit sich die Machtverhältnisse zwischen Mieter und Vermieter ausgleichen“, so Roeser.

Outdoor-Porträt von Markus Roeser
Markus Roeser vom Dortmunder Mieterverein sagt: Der geringe Leerstand in Dortmund führt zu einigen Problemen auf dem Wohnungsmarkt. © Felix Guth

Optimal für eine Stadt wie Dortmund sei laut Roeser eine Leerstandsquote von 3 bis 5 Prozent, Dortmund liegt also etwas darunter. Allerdings: Diese Wohnungen müssten auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Das eigentliche Problem seien jene Wohnungen, die zwar vermietbar wären, aber nicht inseriert würden und dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Dafür gibt es vier Gründe:

Gründe für Wohnungsleerstand

  • Wohnungen sind so baufällig, dass sie nicht vermietet werden können. Ein Beispiel ist das Dorstfelder Hochhaus Hannibal II, das seit 2017 wegen Brandschutzmängeln leersteht und bis Ende 2025 saniert werden soll. Das Hochhaus macht derzeit allein rund sieben Prozent des gesamten Dortmunder Leerstands aus.
  • Vermieter lassen Wohnungen leer stehen, weil bald eine umfassende Sanierung ansteht. Laut Thomas Bach, Geschäftsführer von Haus & Grund Dortmund, stelle es sich für manche Eigentümer schwieriger als erwartet heraus, Handwerker zu finden, die gestiegenen Baukosten zu tragen und dafür Kredite zu bekommen. Daraus könne anhaltender Leerstand entstehen. Das bestätigt auch die Stadt. Die Verfahren bei Eigentümern, die Sanierungen nicht finanzieren können, und bei Erbschaftsstreitigkeiten seien oft sehr langwierig.
  • Wohnungen sind aufgrund ihrer räumlichen Lage nicht nachgefragt. Dortmund hat dieses Problem jedoch kaum. Mit Ausnahme von Bövinghausen und Holte-Kreta im Dortmunder Westen gehören die Randbezirke nicht zu den Bezirken mit besonders hohem Leerstand. Im Gegenteil: Besonders viel Leerstand gibt es innenstadtnah, besonders im Unionviertel, der östlichen City inklusive Brückstraßenviertel und - bedingt durch Hannibal II - in Dorstfeld.
  • Vermieter haben kein Interesse an Neuvermietung. Laut Markus Roeser seien in der Sache nicht begründbare Leerstände der eigentliche Skandal. Die Stadt verbietet es sogar, eine Wohnung unbegründet länger als sechs Monate leer stehen zu lassen, es droht ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro. Eine solche sogenannte Zweckentfremdungssatzung haben in NRW nur wenige Kommunen. Laut Stadt zeige diese Satzung „durchaus eine abschreckende Wirkung“. Die Fälle, in denen Nachbarn vermutete Leerstände oder Zweckentfremdungen meldeten, hätten deutlich zugenommen. Allerdings stellten sich nur die wenigsten als begründet heraus. Im vergangenen Jahr habe es sich bei 50 von 404 gemeldeten Fällen um tatsächliche Zweckentfremdungen etwa durch Leerstand gehandelt.

Viele ungenutzte Einliegerwohnungen

Um den durch den niedrigen Leerstand vorhandenen Wohnraummangel zu minimieren, können neue Wohnungen gebaut werden. Allerdings, sagt Jan Koch vom Dortmunder Verband Wohneigentum, sei auch bei bestehenden Flächen noch viel Potenzial zu holen. Und zwar durch Einliegerwohnungen. „Wer eine Immobilie geerbt hat, steht oft vor der Frage, wie er mit der Wohnung oder nicht benötigten Teilen davon umgeht. Und die Vermietung ist da oft nicht der erste Weg.“

Laut einer Umfrage des Verbands stehen zwei Drittel der Eigentümer dem Gedanken skeptisch gegenüber, ihren Wohnraum effizienter, zum Beispiel durch Vermietung, zu nutzen. Vor allem die Sorge vor Konflikten mit potenziellen Mietern ist dafür entscheidend, gerade in Dortmund, so Koch; außerdem erscheint vielen der Aufwand zu groß.

Vermietung für ältere Eigentümer großer Aufwand

Wenn eine Sanierung anstehe, die finanziellen Mittel dafür aber gerade nicht ausreichten, arrangierten sich manche Eigentümer mit Mindereinnahmen durch Leerstand. Ab einem gewissen Lebensalter würde die Weitervermietung zudem immer mehr auf die lange Bank geschoben, weil der Aufwand für Wohnungsinserat, Maklerbeauftragung, Vertragsabschluss und Kommunikation mit dem Mieter zu groß werde, so Koch.

Thomas Bach von Haus & Grund rät, in solchen Fällen einen Hausverwalter zu engagieren, der Buchhaltung, Vermietung und technische Verwaltung übernimmt. Das führe nicht gleich zur Unrentabilität, ein Verwalter nehme monatlich grob 25 Euro pro Verwaltung.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 5. April 2025.