Wer Deep-House hören wollte, ging Ende der 90er in den Keller des FZW im Kreuzviertel: Dort legte Carsten Helmich im Club Trinidad auf. Das Juicy Beats hätte es ohne diesen Club nie gegeben.

Dortmund

, 08.09.2018, 04:08 Uhr / Lesedauer: 6 min

Um die Geschichte des Club Trinidad erzählen zu können, muss man zunächst die Geschichte des Freizeitzentrums West (FZW) erzählen. Heute ist das FZW eine Konzerthalle im Schatten des U-Turms. Bis Anfang 2009 war das FZW aber im Kreuzviertel, am Neuen Graben zu Hause. Vor 50 Jahren wurde es an dieser Stelle als Jugendzentrum eröffnet, später entwickelte es sich mehr zu einem Kulturzentrum und spätestens in den 80ern zu einem angesagten Ort für Konzerte. Was lange fehlte, war ein Club, ein Ort für die elektronische DJ-Musik. Und da kam dann Carsten Helmich ins Spiel.

Carsten Helmich kannte das FZW vor allem durch seine Schwester, sie hatte dort hinter der Theke gearbeitet. Er war auch ab und zu da. „Ich weiß noch, dass ich das Relegationsspiel des BVB gegen Fortuna Köln da geguckt habe“, sagt er. „Es gab auch ein Kino im FZW.“

Der erste Auftritt im FZW

Der heute 51-Jährige hatte aber auch damals schon die Liebe zur Musik entdeckt. Irgendwann in den 80ern bekam er die Chance, im FZW das erste Mal aufzulegen. Mit seinem Freund Ingo Sänger durfte er vor dem Konzert des Elektro-Wave-Projekts The Invincible Spirit Musik mit Kassetten machen.

Dann wurde er älter, ging für das Studium der Volkswirtschaftslehre nach Trier. Auch hier machte er weiter Musik, startete mit zwei Freunden die Partyreihe Trinidad. Als er einen Job bei der Vinyl-Vertriebsfirma NTT Medien bekam, kehrte er nach Dortmund zurück und bekam mit, dass im FZW jemand für den Clubbereich gesucht würde.

Ein altes Pressefoto aus dem Club.

Ein altes Pressefoto aus dem Club. © Carsten Helmich

„Ich wollte immer einen Club machen“, sagt Carsten Helmich. In der Live Station habe er es mal mit einer Reihe versucht, „aber die war ein Rohrkrepierer.“ Die ehemalige Teestube im FZW habe die perfekte Größe für einen Club gehabt, wie er ihn sich vorstellte. Mehr als 200 Leute passten nicht rein. Deswegen setzte sich Helmich schon bald mit dem damaligen FZW-Leiter Paul Baranowski in Verbindung, gemeinsam erarbeiteten sie ein Konzept, „ich durfte meine Ideen mit einfließen lassen“, sagt Helmich. Und im Januar 1996 eröffnete der Club Trinidad.

Ein Kellerclub ohne Lüftung

Bei der ersten Party platzte der Club aus allen Nähten. Die Leute waren neugierig, wollten sich ansehen, was aus der einstigen Teestube geworden war. Auf dem Boden standen Wassersäulen, die angestrahlt wurden. An den Wänden hingen Waschmaschinen-Türen als Deko. Klein, aber schön sei’s gewesen. Und ein bisschen Jugendzentrum-Charme war immer geblieben.

„Es war großartig“, sagt Carsten Helmich. „Und es war unglaublich heiß.“ Eine Lüftung gab es nicht, der Schweiß tropfte irgendwann von der Decke. Die Leute feierten trotzdem. Von da an hatte der Club Trinidad bis zu seinem Ende acht Jahre später immer samstags geöffnet, ab 23 Uhr.

Hören Sie in den Soundtrack des Club Trinidad hinein

Er habe sich von den Underground-Clubs in New York, Chicago und Detroit inspirieren lassen, sagt Carsten Helmich. Und von der Roten Liebe in Essen, die ein ganz ähnliches Publikum ansprach. Carsten Helmich spielte Deep-House, manchmal ein bisschen Big Beat. Er ließ sich von Hip-Hop, Indie, Jazz und Soul beeinflussen.

Das, was er auflegte, war nichts, was besonders bekannt gewesen wäre. Anders als heute. Gehört hätten diese Musik vor allem Alternative, die vom Alternativen gelangweilt waren, sagt Helmich. Der Club Trinidad sei ein Szene-Club gewesen. „Glamour war das, was uns am fernsten lag.“

Kein Dresscode, günstiger Eintritt

Es gab deshalb auch keinen Dresscode, keine strenge Türpolitik, Eintritt und Getränke waren günstig. „Es war kein Schickimicki-Houseclub“, sagt Steffen Korthals, der als DJ Dash regelmäßig im Club Trinidad aufgelegt hat. „Man konnte einfach hingehen. Es war sehr niederschwellig.“

Ingo Sänger (l.) und Carsten Helmich am DJ-Pult im Club Trinidad.

Ingo Sänger (l.) und Carsten Helmich am DJ-Pult im Club Trinidad. © Carsten Helmich

Carsten Helmich stand als Resident-DJ jede Woche an den Plattentellern, alle zwei Wochen lud er sich zudem Gäste ein. Erst waren es befreundete DJs wie Ingo Sänger und Steffen Irlinger und deutsche Deep-House-Größen wie Hans Nieswandt, Tobias Thomas, Dixon und Erobique. Später legten dann auch internationale DJs der Szene auf wie Kerri Chandler, Charles Webster und Franck Roger.

„Dixon hat von mir damals 300 Mark bekommen und ein Zugticket. Er hat bei mir auf der Couch geschlafen“, erzählt Helmich. „Heute kann man da zwei Nullen dranhängen.“ Die ausländischen DJs habe er vom Flughafen abgeholt, er zeigte ihnen die Stadt, ging mit ihnen zum BVB ins Stadion.

So viel Werbung wie möglich

Die Gast-DJs hatten zwar einen Namen, Carsten Helmich musste sich den aber erst noch erarbeiten. Im ersten halben Jahr des Club Trinidads habe er es manchmal schwer gehabt. „Es war sehr schleppend, ich musste mir mein Publikum erst erspielen“, sagt er. Aber er machte so viel Werbung, wie es ging, fuhr von Kneipe zu Kneipe und hing seine Plakate mit dem Programm auf. Das Notausgangszeichen war das Logo des Clubs.

So sahen die Plakate für den Club Trinidad aus, die Carsten Jelmich in der ganzen Stadt verteilte.

So sahen die Plakate für den Club Trinidad aus, die Carsten Jelmich in der ganzen Stadt verteilte. © Jana Klüh

Als es langsam Sommer wurde, wurde die fehlende Lüftung im FZW-Keller immer mehr zum Problem. Es war zu heiß, um dort länger zu feiern. Der Club Trinidad ging im Juni 1996 in die Sommerpause. Und so kam Carsten Helmich auf die Idee, auf der Santa Monica im Hafen Bootspartys zu veranstalten. „Das funktionierte super“, sagt er.

Weil der Sommer aber danach immer noch lang war, suchte er nach einem weiteren Ort für eine Party. Einer, wo genug Platz zum Tanzen war und wo trotzdem Clubstimmung aufkommen konnte. Das Sonnensegel im Westfalenpark war so ein Ort. Er lud ein paar befreundete DJs ein, dekorierte alles mit Pappfrüchten und nannte das Ganze Juicy Fruits.

2500 Leute kamen, tanzten, feierten. Unterm Sonnensegel lief Deep House, in einem der alten Bungalows, die es damals noch im Park gab, Drum’n‘Bass.

Carsten Helmich und Paul Baranowski, damals Leiter des FZW, kurz vor dem Juicy-Beats-Festival im Jahr 2003.

Carsten Helmich und Paul Baranowski, damals Leiter des FZW, kurz vor dem Juicy-Beats-Festival im Jahr 2003. © Dieter Menne

Nach den Juicy Fruits hatte sich herumgesprochen, dass diese Musik auch im Club Trinidad läuft. „Ab da lief der Club“, sagt Carsten Helmich. Die nächsten zwei Jahre sei nahezu jeder Samstag ausverkauft gewesen.

Um ein bisschen mehr Platz zu bieten, eröffnete nach kurzer Zeit noch eine zweite Tanzfläche im Club Trinidad: Aus der ehemaligen Kegelbahn wurde die Bowlbox. Dort lief vor allem Drum’n‘Bass. „Da passten vielleicht 30 Leute rein“, sagt Helmich. „Bei 50 Leuten flog das Ding fast auseinander.“ Bei besonderen Partys seien sie deshalb manchmal auch nach oben in den Konzertsaal des FZW ausgewichen, um mehr Platz zu haben.

„Wir wollten den neuen Sound nach Dortmund bringen“

Kamen die Gäste anfangs noch aus einer bestimmten Szene, wurde das Publikum mit den Jahren immer breiter, internationaler und ja, auch älter. „Die Leute kamen von überall her“, sagt Helmich. Aber es seien immer Gäste gewesen, die der Musik wegen kamen, die Lust hatten, Neues zu entdecken.

Das sagt auch Steffen Korthals, der vor allem in der Bowl Box den neusten Drum‘n‘Bass auflegte. „Die Leute waren sehr offen, sie wollten etwas ausprobieren.“ So hätten sie stets die Möglichkeit gehabt, zu experimentieren. Die elektronische Musik war damals stark im Kommen, viele Stile entstanden. „Wir wollten diesen neuen Sound nach Dortmund bringen“, sagt Korthals.

Dash und Carsten Helmich 1996 im Club Trinidad.

Dash und Carsten Helmich 1996 im Club Trinidad. © Astrid Milewski

Jacqueline Rennert war über viele Jahre Stammgast im Club Trinidad. „Ich bin gerne hingegangen, weil die Musik gut war, man immer jemanden getroffen hat, den man kannte, und weil man sich nicht so aufbretzeln musste“, sagt sie. „Man konnte mal für zwei Stunden zappeln gehen, ohne gleich arm zu werden. Der Eintritt war günstig, das Bier auch. Der Club war klein und überschaubar.“ Etwas Vergleichbares habe es danach nicht wieder in Dortmund gegeben, sagt sie.

Der Club im FZW-Keller hatte auch an anderen Tagen geöffnet, dann hieß er aber nicht Club Trinidad. Freitags gab es wechselnde Partys, unter anderem die Reihe „Sounds, Concerts at Night“, kurz Scan, montags manchmal Hip-Hop, mittwochs den Club 30, eine Ü30-Party, die heute im Strobels läuft.

Die Flyer für den Club waren klein und schmal. Immer ein Jahr lang hatten sie ein bestimmtes Oberthema als Motiv – in diesem Fall Handschuhe.

Die Flyer für den Club waren klein und schmal. Immer ein Jahr lang hatten sie ein bestimmtes Oberthema als Motiv – in diesem Fall Handschuhe. © Jana Klüh

Carsten Helmich war nicht nur DJ, sondern auch für das Booking zuständig. Ende der 90er-Jahre fing er an, die Musik, die er im Club Trinidad spielte, auf CDs herauszubringen. Ein britisches Label vertrieb die insgesamt zehn Compilations, die teilweise eine Auflage von 100.000 Stück hatten.

Über die Jahre hat er den Club Trinidad innerhalb Dortmunds immer wieder an andere Orte verlegt. 1998 organisierte der Hartware Medienkunstverein auf dem U-Turm-Gelände (noch lange vor dem Umbau) die Ausstellung „Reservate der Sehnsucht“. Dazu stieg eine Party. In einem Gebäudeteil mit sehr hohen Wänden und einem Loch in der Mitte des Daches, legten Carsten Helmich und Steffen Korthals für 2000 Gäste auf. Später gab es eine Club-Trinidad-Party im Freibad Stockheide und eine auf der Eisbahn an den Westfalenhallen.

2009 gab es eine Abrissparty im FZW – auch in den ehemaligen Räumen des Club Trinidad.

2009 gab es eine Abrissparty im FZW – auch in den ehemaligen Räumen des Club Trinidad. © Stefan Stahlschmidt

Zum großen Erfolg wurde aber vor allem die Sommerparty im Westfalenpark. 1997 fielen die Juicy Fruits aus, weil der Westfalenpark nicht zur Verfügung stand und die Alternative auf der Hohensyburg platzte. Die Party wurde dann kurzfristig in den Club Trinidad verlegt – trotz Sommertemperaturen.

Ab 1998 lief die Sommersause wieder im Westfalenpark. Weil ein mächtiger Kaugummi-Hersteller mit einer Klage drohte, wurde aus Juicy Fruits Juicy Beats. Und aus der Party wurde bald ein Festival, das heute an zwei Tagen mehr als 50.000 Menschen in den Westfalenpark holt.

Nach acht Jahren, sagt Carsten Helmich, war im Club Trinidad dagegen die Luft raus. „Da war es durch“, sagt er. Das letzte halbe Jahr sei zäh gewesen, das FZW sollte ohnehin an einen anderen Ort umziehen. 2004 schloss der Club Trinidad. Aber der Deep-House-Sound von Carsten Helmich blieb. Erst legte er in der Berswordthalle auf, dann hatte er noch einmal fast acht Jahre lang die „Taxi-Party“ im Domicil. „Das war im Prinzip die Fortsetzung des Club Trinidad.“

DJ Dash bei der Abrissparty 2009 im FZW.

DJ Dash bei der Abrissparty 2009 im FZW. © Stefan Stahlschmidt

2009, als das alte FZW am Neuen Graben abgerissen wurde, lebte der Club Trinidad noch einmal für einen letzten Abend weiter. „Ohne den Club Trinidad“, sagt Steffen Korthals, „würde es viele Angebote heute nicht geben. Ohne ihn hätte sich auch für mich vieles nicht ergeben. Dieser Ort hat einiges bewegt.“ Korthals arbeitet heute, wie viele andere, die einst im Club Trinidad auflegten, sehr erfolgreich als DJ, Kurator und beim Radio.

Carsten Helmich legt längst nicht mehr so viel auf wie früher. Viermal im Jahr organisiert er eine Club-Trinidad-Revival-Party an verschiedenen Orten. Ansonsten steckt er sehr viel Energie in sein Juicy-Beats-Festival. Und das trägt den Geist des Club Trinidad schon seit mehr als 20 Jahren weiter.

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