Rüdiger Trappmann (l.) und Barbara Kleyboldt betreiben zusammen das Roto-Theater in der Nordstadt. Sie sitzen dort, wo eigentlich ihr Publikum sitzen sollte. Das bleibt jedoch zu häufig fern.

Rüdiger Trappmann (l.) und Barbara Kleyboldt betreiben zusammen das Roto-Theater in der Nordstadt. Sie sitzen dort, wo eigentlich ihr Publikum sitzen sollte. Das bleibt jedoch zu häufig fern. © Robin Albers

„Ich kann nur ein Wort dazu sagen: beschissen!“ – Private Theater in Dortmund am Abgrund

rnKartenverkäufe brechen ein

50 ist das neue 200: Dortmunds privat betriebenen Theatern brechen die Zuschauer weg, etliche Vorstellungen fallen mangels Nachfrage aus. Selbst einen Dortmunder Dauerbrenner hat‘s erwischt. Wie lange kann das gutgehen?

Dortmund

, 15.10.2022, 11:20 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Ich kann nur ein Wort dazu sagen: beschissen!“, sagt Rüdiger Trappmann. Er ist Intendant des Roto-Theaters an der Gneisenaustraße.

„Beschissen“ sei der Kartenverkauf seit einiger Zeit in dem Theater in der Dortmunder Nordstadt. Das führte dazu, dass das Roto-Theater im September fast alle Veranstaltungen ausfallen lassen musste – für Trappmann eine „Katastrophe“. Es fehle Planungssicherheit, weil die Menschen keine Karten kaufen. Selbst das frühere Stammpublikum bleibe weg, sagt Trappmann.

Im Roto-Theater macht man sich viele Gedanken darüber – und versucht zu verstehen, wo das Problem liegt. Ein zu abgehobenes Programm könne es nicht sein, meint Barbara Kleyboldt, die gemeinsam mit Trappmann das private Theater seit 2002 betreibt.

Selbst der Dauerbrenner zieht nicht mehr

Normalerweise sei etwa der Loriot-Abend ein Dauerbrenner auf der Bühne gewesen. Eher einfache Unterhaltung, für „Fernsehpublikum“, sagt Kleyboldt.

Bis zu 90 Zuschauende hätten jede Woche über die Sketche aus der Feder von Vicco von Bülow gelacht. Ausverkauft.

Barbara Kleyboldt auf der Bühne ihres vollen Roto-Theaters. Eine Aufnahme aus dem Jahr 2018 – das Publikum bleibt jetzt weg.

Barbara Kleyboldt auf der Bühne ihres vollen Roto-Theaters. Eine Aufnahme aus dem Jahr 2018 – das Publikum bleibt jetzt weg. © Oliver Schaper (Archiv)

Mittlerweile findet die Vorstellung nur noch einmal monatlich statt. Das Publikum ist auf 30 Zuschauende geschrumpft. Und selbst der frühere Dauerbrenner musste schon mal ausfallen.

Absagen oder Risiko eingehen?

Ähnliches hört man auch aus anderen privatwirtschaftlich betriebenen Spielstätten in Dortmund. Inga Strothmüller, Inhaberin des Hansa-Theaters in Hörde sagt, dass dort „50 das neue 200“ sei. Also 50 verkaufte Sitzplätze seien inzwischen schon als gut zu bezeichnen. Vor der Corona-Pandemie sei das noch anders gewesen. Danach habe man sich nicht mehr erholt.

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Daher stehe man im Hansa-Theater oft vor dem Zwiespalt, ob man eine Aufführung stattfinden lässt – oder doch besser absagt. „Wenn noch nicht mal so viel reinkommt, dass man die Künstler bezahlen kann, sind wir nicht mehr fähig, dieses Minus auszugleichen“, erklärt Strothmüller.

Die Absage – die finanziell sicherere Variante – sei, abgesehen vom Aufwand, auch mit einem unglaublich schlechten Gefühl verbunden. Gerade, wenn man bei den Gästen persönlich anrufen muss. Es bestehe außerdem die Gefahr, dass die Leute fernbleiben, weil sie sich denken würden: „Ach, das wird ja sowieso abgesagt“, meint die Inhaberin des Hansa-Theaters.

Jens Heitjohann, künstlerischer Leiter des Theaters im Depot, spricht von einer „durchwachsenen“ Situation. Die Spielstätte an der Immermannstraße hat gerade erst im September geöffnet, befindet sich also in einer besonderen Lage. Der Start sei „sehr gut“ angelaufen, so Heitjohann. Aber schon bei den Veranstaltungen Anfang Oktober habe sich die Auslastung nur noch im Bereich von 15 bis 20 Prozent bewegt.

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Nicht nur im Schauspiel, sondern auch in anderen künstlerischen Bereichen gibt es Probleme. Die Dortmunder Surfpunk-Band Drens hat Teile ihrer Tour abgesagt, weil der Vorverkauf nur schleppend lief. Die Band wollte kein Risiko eingehen. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Crew, für die Veranstalter und die Konzerthallen, berichten die Mitglieder.

Publikum muss vielleicht nur „neu erobert“ werden

Rüdiger Trappmann glaubt, dass finanzielle Sorgen ein Faktor sein könnten, warum die Leute nicht mehr sein Theater besuchen. „Die halten jeden Cent zusammen, weil sie Angst haben, dass sie die Gasrechnung nicht zahlen können“, meint er.

Der Einbruch bei den Kartenverkäufen habe erst mit der stark steigenden Inflation so richtig begonnen, die durch den Krieg gegen die Ukraine ausgelöst wurde. Das Coronavirus sei inzwischen weniger ein Problem, nach der letzten große Welle samt Lockdown „lief es relativ gut“, so Trappmann.

Barbara Kleyboldt (r.) und Rüdiger Trappmann betreiben seit 2002 das Roto-Theater.

Barbara Kleyboldt (r.) und Rüdiger Trappmann betreiben seit 2002 das Roto-Theater. © Robin Albers

Trotz aller Tiefschläge beabsichtigt das Team des Roto-Theaters, weiterzumachen. „Egal, was passiert: Wir spielen“, sagt Barbara Kleyboldt. Zur Not auch vor kleinem Publikum. „Das muss man ertragen können, das ist hart“, gesteht sie jedoch ein. Es sei aber auch nicht auszuhalten, nicht auf der Bühne zu stehen.

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Die Hoffnung ist groß, dass man sich das Publikum „neu erobern“ wird, sich wieder beweisen muss. Geld sei zudem auch nicht alles: „Es geht um Werte, um Ideale, die wir in die Köpfe bekommen wollen“, erklärt Barbara Kleyboldt.

Fördermittel und Zuschüsse stützen das Theater

Kleyboldt und Trappmann sagen allerdings auch ganz klar, dass das Roto-Theater aktuell nur noch existiert, weil es Zuschüsse von der Stadt gibt. Die Verwaltung schenke den beiden viel Vertrauen – und sichere so ihre Existenzen.

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Inga Strothmüller berichtet vom Förderverein, der das Hansa-Theater stützt. Das Theater im Depot komme derzeit auch noch mit schleppenden Ticketverkäufen zurecht, weil man auf diverse Fördermittel zurückgreifen könne. „Das wird ökonomisch nicht lange gut gehen“, prognostiziert Jens Heitjohann.

Wenn die Leute weiter wegbleiben, sei das Ende nur eine Frage der Zeit, sagt auch Rüdiger Trappmann: „Es gibt bald kein Theater mehr in Dortmund“, fürchtet er – trotz aller Hoffnung und Unterstützung.