Muss der 31-jährige Poorya zurück in den Iran?

© Irina Höfken

„Ich habe Angst um mein Leben“ – Iraner aus Dortmund droht die Abschiebung

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Vor gut vier Jahren hat Poorya (31) in Dortmund ein neues Leben begonnen. Nun droht ihm die Abschiebung. Seine Freunde kämpfen für ihn.

Dortmund

, 25.03.2021, 04:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

„Komm nicht wieder zurück, du wirst hier gesucht!“ Das waren die Worte seiner Schwester am Telefon, die Poorya Alidadi dazu gebracht haben, seinem Heimatland Iran - und seiner Familie - den Rücken zu kehren. Sein Leben änderte sich schlagartig. Gut vier Jahre später begleitet den jungen Mann noch immer die Angst: Ihm droht jetzt die Abschiebung aus Dortmund.

Die Worte seiner Schwester haben den jungen Iraner erreicht, als er sich geschäftlich in der Türkei befand, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Vorwurf: Veröffentlichung von Regimekritik und ein „zu westlicher“ Lebensstil. Er entschloss sich zur Flucht. Nach einer langen Reise über Griechenland, den Balkan und Österreich sei er 2017 in einer Flüchtlingsunterkunft in Hörde angekommen.

Job auf der Kippe, Abschiebung droht

In Dortmund hat sich der junge Iraner inzwischen ein neues Leben aufgebaut: Hier hat er Deutsch gelernt, eine kleine Wohnung bezogen, Freundschaften geschlossen und einen unbefristeten Job bekommen – der Job bei Amazon steht aber jetzt auf der Kippe.

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Seine Freunde waren es, die sich mit Pooryas Geschichte an unsere Redaktion gewandt haben. Die Dortmunder sind fassungslos, dass ihm die Abschiebung droht: „Wir wollen unseren Freund nicht verlieren. Wir machen uns Sorgen“, sagt der 40-jährige Dortmunder Hans-Jürgen Klötzer. Er lernte Poorya vor rund drei Jahren beim Feiern kennen. Seitdem ist er fester Bestandteil seiner Clique.

Das Foto zeigt die Freunde und Familie von Hans-Jürgen Klötzer (4.v.l) an seinem 39. Geburtstag im Oktober 2019 - auch Poorya (u.r.) durfte nicht fehlen.

Das Foto zeigt die Freunde und Familie von Hans-Jürgen Klötzer (4.v.l) an seinem 39. Geburtstag im Oktober 2019 - auch Poorya (u.r.) durfte nicht fehlen. © privat

In Dortmund werden laut dem Ausländerzentralregister (AZR) aktuell 2.098 Menschen geduldet, 59 davon haben die iranische Staatsangehörigkeit. Einer von ihnen ist Poorya. Duldung - so heißt sein Aufenthaltsstatus. Dennoch ist er ausreisepflichtig. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Die Klage dagegen wurde vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ebenfalls abgelehnt.

„Iran ist ein Willkür-Staat, kein Rechtsstaat“

Im Urteil vom 23.11.2020, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Unzweifelhaft hat der Kläger den Iran nicht verlassen, weil ihm politische Verfolgung drohte. [...] Wäre dies jedoch tatsächlich der Fall gewesen, so wäre dem Kläger bei der Kontrolle am Flughafen nicht die Ausreise gestattet worden.“ Und weiter: Das sei „völlig lebensfremd“. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist damit rechtskräftig.

Widerstand gegen die staatlichen Organe und die Missachtung der vom Staat verordneten islamischen Gesetze sind nur zwei Gründe, weshalb Iraner aus ihrer Heimat fliehen, sagt Dr. Abdolah Hoveyes. Der gebürtige Iraner ist Dozent an der Ruhr-Universität Bochum am Lehrstuhl für Orientalistik und Islamwissenschaften und Kenner der Nahostpolitik.

Die Angst von Poorya schätzt Hoveyes als berechtigt ein. Über das Ausmaß der Strafe, die ihn bei der Rückkehr in sein Heimatland erwartet, ließe sich aber nur spekulieren. Das hänge von seiner Kooperation ab. Sicher sei, dass er sich bei den Behörden einer Befragung unterziehen und die Art seines Aufenthalts in Deutschland begründen müsse.

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„Iran ist ein Willkür-Staat, kein Rechtsstaat“, betont Hoveyes. Richter könnten gegen Regime-Kritiker hart vorgehen. Das Regime werde aktuell wegen zunehmender Proteste im Land nervös, auch der internationale Druck steige. Deshalb werde gegen jegliche Kritik vorgegangen. Je nach Beweislage könne Poorya Beleidigung, Ohrfeigen und Tritte drohen, im schlimmsten Fall eine Haftstrafe, so Hoveyes.

Keine gültigen Papiere - und jetzt?

Bei einem Termin am Donnerstag (25.3.) hätte Poorya bei der Dortmunder Ausländerbehörde gültige iranische Ausweisdokumente vorlegen müssen. Die Beschaffung der Dokumente stellt aber ein Problem dar: „Wie soll ich das machen? Ich müsste doch einen Pass bei der iranischen Botschaft beantragen - vor der iranischen Regierung bin ich doch aber geflohen“, sagt Poorya.

Laut Ausländerbehörde ist ihm genau das aber wegen der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrags zuzumuten, da er somit keinem Schutzstatus unterliege, teilt die Behörde auf Anfrage mit. Bis zum 11. Mai ist sein Duldungsstatus verlängert worden, bis dahin müssen die Papiere vorliegen.

„Das ist kein Druckmittel, sondern gesetzliche Voraussetzung“

Zuerst wurde ihm nun die Arbeitserlaubnis entzogen – seinem Arbeitgeber Amazon muss Poorya jetzt die schlechten Nachrichten überbringen. „Ich bin nicht der Typ, der nur Zuhause sitzen will. Keine Aufgabe zu haben, macht mich fertig“, sagt der 31-Jährige.

„Das ist kein Druckmittel, sondern gesetzliche Voraussetzung. Die Arbeitserlaubnis gibt es ohne gültigen Pass nicht“, sagt der Dortmunder Rechtsanwalt Klaus Pampus, der auf Migrationsfragen spezialisiert ist. Poorya gehört nicht zu seinen Klienten. Die Anwältin des jungen Iraners selbst war zu einer Stellungnahme nicht bereit.

Klaus Pampus erklärt: „Die Entscheidung über den Entzug der Arbeitserlaubnis müssen sowohl Poorya als auch sein Arbeitgeber respektieren. Beide Parteien sind daran gehalten, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.“

Falls erneut eine Arbeitserlaubnis erteilt werde, müsse demnach ein neuer Vertrag geschlossen werden, der dann wieder befristet sein könnte. Zu diesem Zeitpunkt sei das aber rein spekulativ, sagt der Rechtsanwalt. Die Voraussetzung dafür bleibt: Poorya muss gültige Dokumente bei der iranischen Botschaft beantragen und bei der Ausländerbehörde vorlegen.

Bis zum 11.5.2021 gilt der Duldungsstatus von Poorya in Deutschland. (Symbolbild)

Bis zum 11.5.2021 gilt der Duldungsstatus von Poorya in Deutschland. (Symbolbild) © picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Wann tritt das Worst-Case-Szenario ein?

Wenn die Dokumente vorliegen, heiße das also nicht, dass dann sofort die Abschiebung erfolge, erklärt Pampus. Neben der Verlängerung der Arbeitserlaubnis könnte nach ordnungsgemäßer Vorlage der Dokumente auch sein Duldungsstatus wieder verlängert werden.

Sollte Poorya diese aber weiterhin nicht vorlegen, schreitet die Behörde ein und beantragt sie selbst: „Erst, wenn der gültige Pass und die Duldung auf einem Tisch liegen, kann die Zwangsausreise in den Iran erfolgen. Im Jahr 2019 und 2020 hat es aber wohl deutschlandweit insgesamt nur 48 Fälle gegeben“, so der Rechtsanwalt. Das Worst-Case-Szenario hält Pampus deshalb zunächst für unwahrscheinlich.

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Denn juristisch gebe es noch Spielraum, nicht alle Optionen seien ausgeschöpft. Wenn nicht bereits geschehen, könnte ein Asylfolgeantrag gestellt werden. Gegen eine Ablehnung könne man erneut klagen. Für seine eigenen Mandanten steht Pampus in regelmäßigem Kontakt mit der Ausländerbehörde. Seiner Erfahrung nach werde die Stadt Entgegenkommen zeigen, wenn sich der junge Iraner kooperativ verhält. Das wiederum bedeutet, die iranischen Papiere trotz des Risikos zu beschaffen.

„Ich habe Angst um meine Familie“

Jetzt steht Poorya eine schwere Entscheidung bevor: Ob er bereit ist, dieses Risiko einzugehen, um Entgegenkommen und Kooperation zu zeigen, das überlege er jetzt, erzählt er am Telefon nach dem Termin bei der Behörde. Bis zum 11. Mai hat er Zeit. Dann wird über seine „aufenthaltsrechtlichen Verhältnisse“ erneut entschieden.

Für den jungen Iraner steht eins aber sicher fest: „Ich kann nicht wieder zurück. Ich würde überall hingehen, aber nicht wieder in den Iran. Ich habe Angst um meine Familie, die noch dort lebt, und um mein Leben“, sagt er.

Anmerkung der Redaktion, 25.3.2021, 14.45 Uhr: In der ersten Fassung des Artikels stand der Termin bei der Ausländerbehörde noch aus. Am Donnerstag (25.3.) wurde ihm die Arbeitserlaubnis entzogen und die Duldungsfrist bis zum 11.5.2021 verlängert.

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