Wieder Flüchtlingsunterkunft des Landes in Dortmund? Wie es beim ersten Mal lief - und was man daraus lernen kann

Hotelschiffe, Traglufthallen und Zelte: Dortmund und der Flüchtlingsstrom
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Die letzten Flüchtlinge waren schon gut einen Monat zuvor aus der Zeltstadt am Rande des Westfalenparks ausgezogen, als der damalige Oberbürgermeister Ullrich Sierau am 17. Mai 2017 das Hinweisschild auf die „Erstaufnahmeeinrichtung EAE“ abschraubte.

Der eher symbolische Akt markierte das Ende von insgesamt 23 Jahren Erstaufnahmeeinrichtung (mit Unterbrechungen) in Dortmund. Das Zeltlager an der Buschmühle war während der Flüchtlingskrise seit Oktober 2015 eine Übergangsstation für bis zu 900 Flüchtlinge. Eröffnet wurde es als Außenstelle der bestehenden Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney.

Der Andrang der Flüchtlinge war im Sommer 2015 so groß, dass die Kapazität in Hacheney, ausgelegt auf 300 Menschen, mehrfach gesprengt wurde. Zeitweise waren dort mehr als 1000 Menschen am Tag angekommen. Die Spitze wurde im September 2015 mit 22.237 Neuankommenden in einem Monat erreicht. Wegen Überfüllung musste die damalige Rechtsdezernentin Diane Jägers wiederholt einen Aufnahmestopp verhängen.

Anfang in Kasernen

Soweit wird es wohl in Dortmund nicht wieder kommen, doch das Angebot von Oberbürgermeister Thomas Westphal an das Land, wieder eine zentrale Unterkunft für Flüchtlinge in Dortmund zu eröffnen, ist Anlass, sich zu erinnern, wie Dortmund die Flüchtlingskrise seinerzeit bewältigt hat.

Von 1991 bis 2004 und dann wieder ab Dezember 2007 war die Stadt im Auftrag des Landes für die Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig. Die Sammelunterkunft war erst in den früheren Kasernen am Westfalendamm – dort, wo heute die neue Filiale der Bundesbank steht – und ab April 2001 zunächst in Hacheney.

Doch mit der großen Flüchtlingsbewegung wurde es im Herbst 2014 eine vordringliche Aufgabe der Stadt, Unterbringungsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen zu schaffen.

Drehscheibe für die Verteilung

Die Zahl der Flüchtlinge in der Landeseinrichtung verdoppelte sich von 32 000, die 2013 in der Dortmunder EAE ankamen, auf 64 000 im Jahr 2014 und stieg dann auf 166 000 in 2015.

Flüchtlinge am Einlass der damaligen Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney.
Flüchtlinge am Einlass der damaligen Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney. © Dieter Menne (Archiv)

Darüber hinaus diente Dortmund 2015 zwischenzeitlich als „Drehscheibe“ für die Verteilung der Flüchtlinge auf die Notunterkünfte im Land. Der Krisenstab der Stadt funktionierte das Dietrich-Keuning-Haus in der Nordstadt zu einer behelfsmäßigen ersten Anlaufstelle für ankommende Flüchtlinge um. Das Haus liegt in unmittelbarer Bahnhofsnähe und konnte so problemlos fußläufig von den Bahnsteigen erreicht werden. Viele Ehrenamtliche halfen damals mit, die Menschen zu versorgen.

Neben der Außenstelle der Erstaufnahmeinrichtung des Landes an der Buschmühle stampfte die Stadt damals 20 eigene Flüchtlingsunterkünfte aus dem Boden, darunter zwei Hotelschife und sechs Traglufthallen.

Vorsorge-Investitionen

15 Monate lagen die „MS Diana“ und die „MS Solaris“ im Schmiedinghafen vor Anker. Sie boten zusammen für 180 Menschen, betreut von der Caritas, eine Unterkunft. Ende Januar 2017, als die Zahl der Asylbewerber wieder stark zurückgegangen war, gingen die letzten Bewohner von Bord, und die Schiffe legten wieder Richtung Antwerpen ab.

In Gesprächen mit den Eignern war es der Stadt gelungen, den eigentlich noch bis Ende September laufenden Mietvertrag für die zwei Hotelschiffe vorzeitig zu beenden. Allerdings: Die Miete von 90.000 Euro pro Monat musste für weitere sechs Monate gezahlt werden, eingespart wurden nur die Betriebskosten von rund 15.000 Euro monatlich.

Teurer kamen die Stadt die sechs Traglufthallen, eine Vorsorge-Investition, gekauft für mehr als 10 Millionen Euro. Die Stadt ließ sie im Frühjahr 2016 an drei Standorten aufstellen, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Jede sollte Platz für bis zu 300 Menschen bieten. Allerdings: Nur zwei Hallen an der Stadtkrone-Ost wurden jemals genutzt, und standen seit Ende 2016 leer. Ein halbes Jahr später wurden sie wieder abgebaut – ebenso wie die nie genutzten Hallen in Kirchhörde und Lindenhorst.

Kosten für die Einlagerung

Für die Sicherung des nötigen Luftdrucks, Energie und Bewachung fielen pro Monat und Standort Kosten von 60 000 Euro an. Allein innerhalb des letzten halben Jahres vor Abbau summierten sich die Leerstandskosten so auf mehr als eine Million Euro.

Die Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung an der Buschmühle.
Die Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung an der Buschmühle. © Stephan Schütze

Und auch die zentrale Einlagerung der Hallen war nicht umsonst. Man zahle für den Lagerplatz an der Bünnerhelfstraße in Dorstfeld eine ortsübliche Miete von 2,40 Euro pro Quadratmeter Hallenfläche und 1,20 Euro pro Quadratmeter Außengelände, hieß es damals. Die Hüllen und sonstigen Bestandteile der Traglufthallen liegen wohl noch immer dort.

Weil die Flüchtlingszahlen inzwischen deutlich gesunken waren, bekam die Stadt in er ersten Jahreshälfte 2016 nur noch 2704 Flüchtlinge kommunal zugewiesen, seit Juli 2016 keine mehr – abgesehen von wenigen Ausnahmen der Familienzusammenführung.

Keine Einigung

Auch in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes sank die Zahl von 166 000 in 2015 auf knapp 45.000 in 2016 und auf rund 7000 in den ersten vier Monaten 2017. Die Unterkunft in Hacheney war schon im September 2016 geschlossen worden, die Außenstelle an der Buschmühle folgte ein knappes Dreivierteljahr später – der Moment, als OB Sierau das Hinweisschild abschraubte.

Das Hotelschiff MS Diana
Das Hotelschiff MS Diana wurde zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert. © Stadt Dortmund (Archiv)

Die Dortmunder Politik konnte sich damals mit dem Vorschlag der Verwaltung, in Huckarde eine neue zentrale Erstaufnahmeeinrichtung zu bauen, nicht anfreunden. Nicht zuletzt weil eine klare Aussage des Landes zur Anrechnung der EAE-Plätze auf die Zahl der kommunal unterzubringenden Flüchtlinge fehlte.

Angesichts gesunkener Flüchtlingszahlen rückte die Integration von knapp 9000 Asylbewerbern, die 2016 in Dortmund lebten, in den Arbeitsmarkt, in Bildung und Schule zunehmend in den Mittelpunkt. Die Stadt weitete das in Brackel gestartete Integrationsnetzwerk „Lokal willkommen“ aus.

Ruhepause im November vorbei

Bis Ende März 2017 wurden acht Unterkünfte geschlossen, neben der Zentralen kommunalen Unterbringungseinrichtung im Grevendicks Feld blieben noch neun Übergangseinrichtungen „am Netz“. Zu Beginn des Jahres 2016 hatte die Stadt etwas über 200 Wohnungen angemietet, mit Jahresende waren es fast 600 über das gesamte Stadtgebiet verteilt.

Im November 2017 war es dann mit der Ruhepause vorbei: Dortmund wurden von der Bezirksregierung wieder Flüchtlinge zugewiesen, die sie als Kommune unterbringen musste – etwa 40 pro Woche.

Was damals wie heute von Politik und Verwaltung angemahnt wurde und wird, ist mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Land.

Drei Unterkünfte in Betrieb

Wie aus dem aktuellen Bericht von Sozialdezernentin Birgit Zoerner an den Rat zum Sachstand und zur Finanzierung für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten hervorgeht, sind in Dortmund aktuell drei Aufnahmeeinrichtungen mit einer Kapazität von 805 Plätzen in

Betrieb.

Flüchtlinge in einer der Traglufthallen an der B1.
Die Traglufthallen an der B1 wurden nicht lange genutzt. © Stephan Schütze (Archiv)

Mit Stand vom 21. August waren dort 349 Personen untergebracht. Im sogenannten Stand-by Modus befinden sich sieben weitere Einrichtungen. Das sind im Einzelnen die Standorte

  • Niergartenstraße mit 60 Plätzen
  • an der Weißen Taube mit 170 Plätzen
  • der Hauptschule Derne mit 12 Plätzen
  • der Hauptschule am Ostpark mit 124 Plätzen
  • der Leuthardtstraße mit 250 Plätzen
  • dem Landhaus Syburg mit 180 Plätzen und
  • an der Braunschweiger Straße mit weiteren 50 Plätzen.

Somit besteht eine Belegungskapazität von weiteren 954 Plätzen. Diese Einrichtungen können in kürzester Zeit wieder in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus stehen etwa 230 weitere Plätze in Wohnungen des Wohnraumvorhalteprogramm beim Sozialamt zur Verfügung.

Die Refinanzierung über Pauschalen decken nicht alle Kosten für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge ab. Die Stadt ist nach eigenen Angaben von 2018 bis 2022 auf Kosten von 72,2 Millionen Euro sitzengeblieben. Die Verhandlungen mit dem Land NRW zur Übernahme der Kosten seien ins Leere gelaufen.

Was dagegen das Integrationsangebot für Neuzugewanderte in Dortmund betrifft, ist dies laut Stadt „bunt und vielfältig aufgestellt“. Nahezu alle freien Träger, Sozialverbände sowie viele Flüchtlingshilfevereine mit ihren Ehrenamtlichen bieten hierzu spezielle Angebote an.

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