Sommerpause im Signal Iduna Park. Zeit, sich vom Trauma an Pfingsten zu erholen, bekommt der „Tempel“ nicht.
Denn plötzlich wird es laut. Ein Fanmarsch kommt die Strobelallee hinuntergelaufen, begleitet von einer Hundertschaft behelmter Bereitschaftspolizisten.
Rund 300 Personen sind in roten Shirts, tragen die Landesflagge Polens vorweg. Alles ist friedlich. Bis aus den Rosenterrassen plötzlich eine Gruppe Männer auftaucht.
Hooligans provozieren Gegner
Deutsche Hooligans provozieren die Gruppe. Kurz bricht die Situation auseinander. Polizisten verfolgen und beruhigen die Provokateure, stoppen Ausbrüche aus dem Fanmarsch. Innerhalb weniger Minuten läuft wieder alles geordnet.
An diesem Vormittag ist das alles nur eine Simulation. Die Polizeibeamten sind echt, die Fans nicht. Es sind Freiwillige – zum Teil Polizeianwärter, zum Teil Auszubildendes aus dem Justizwesen – die so tun, als wären sie eine schwierig zu kalkulierende Menschenmasse.

Damit das Ganze möglichst realistisch ist, wird das Ganze in das Szenario eines möglichen EM-Spiels eingebettet. Die deutsche Nationalmannschaft wird mindestens ein Spiel in Dortmund absolvieren. Die Qualifikation von Polen steht noch nicht fest, ist aber wahrscheinlich.
In der Gruppe gibt es die gewöhnlichen Fans, die singend nebenher gehen. Und die potenziell gewaltbereiten. Sie vermummen sich, zünden auf einem Parkplatz Knallkörper, halten brennende Pyrofackeln in die Luft.
Also zumindest fast: Alles ist ein paar Stufen kleiner als in der Realität, damit niemand verletzt wird. Die Fackeln und Knaller klingen eher wie Kinderfeuerwerk.
Gefährliche Engstellen
An einem engen Treppenabgang zu einer Unterführung kommt es zu einem Gerangel. Das wiederholt sich später noch einmal am Eingang zum Stadion.
Dort drängen Fans auf eine Gruppe Polizisten zu, werden von dieser zurückgestoßen. Als Freiwilliger in dieser Gruppe muss man in dieser Szene einiges aushalten.

Wer welche Rolle übernimmt, sei vorher abgesprochen worden, heißt es seitens des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Polizeiangelegenheiten (LAFP), das die Übung organisiert.
Noch etwas fällt auf: Aus einer Box auf einem kleinen Wagen läuft während der gesamten Übung laute Musik. Erst Rock, dann harter, irgendwann sehr harter Techno. Was am Anfang noch angenehme Festival-Vibes versprüht, wird irgendwann zur Belastung.
Auswirkungen auf ganze Stadt
Das ist bewusst so gewählt. Denn bei richtigen Fußball-Großeinsätzen sind nicht nur einige Hundert, sondern Zehntausende Fans auf dem engen Stadionvorplatz in Dortmund unterwegs. Entsprechend hoch ist die Lärmbelastung für die beteiligten Polizisten im Einsatz.
Die Auswirkungen der „Vollübung“ sind in der Dortmunder Innenstadt bemerkbar. Am Friedensplatz und am Alten Markt sind Polizei-Transporter zu sehen.
Am Morgen taucht an der Katharinentreppe vor dem Hauptbahnhof plötzlich eine Gruppe „Ultras“ auf, was bei vielen Passanten durchaus für überraschte bis erschrockene Gesichter sorgt.
Die Gruppe wird später den Fanmarsch erneut provozieren. Was nicht gelingt, weil viele Polizisten die Gruppen voneinander abschirmen.
„Es geht in solchen Situationen sehr viel um Kommunikation. Vor allem in Phasen mit längerer Wartezeit“, sagt Kristoffer Kronenberger, verantwortlicher Übungsleiter beim LAFP.
Sind solche Szenen bei der EURO in knapp einem Jahr realistisch? Bei BVB-Spielen gab es in dieser Saison zwei größere Einsatzlagen (Kopenhagen/September und Frankfurt/April). Bei internationalen Spielen lässt sich eine Tendenz zu höherer Gewaltbereitschaft erkennen.
Die Turniere 2016, 2018 und 2021 waren von Randale-Szenen unterschiedlicher Art begleitet. Es scheint also nicht die schlechteste Idee, wenn die Polizei auf solche Situationen vorbereitet ist.
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