Paul S. hat als Homosexueller keine guten Erfahrungen mit der Katholischen Kirche gemacht. Nun hat er Hoffnung

© Andreas Schröter

Homosexueller Katholik: „Konnte mich aus Scham und Angst nicht öffnen“

rnInterview

Wie fühlt man sich als Homosexueller in der Katholischen Kirche? Ein betroffener Dortmunder sagt: „Ich hätte mir in der Kirche Rückhalt gewünscht.“ Nun sieht er Zeichen der Hoffnung.

Dortmund

, 26.03.2021, 04:25 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Dortmunder Paul S. (60+) verfolgt als Homosexueller, der aktiv in der Katholischen Kirche mitarbeitet, gespannt die momentane Entwicklung um Regenbogenfahnen, die die Gemeinden als Zeichen des Protests gegen die Haltung des Vatikans hissen.

Der lehnt bekanntlich weiterhin die Segnung von homosexuellen Paaren in der Kirche ab. Paul S. lebt mit seinem Mann in eingetragener Lebenspartnerschaft zusammen. Wir sprachen mit ihm.

Hallo, Herr S., was genau machen Sie in der Katholischen Kirche?

Ich gehe regelmäßig zu Gottesdiensten und nehme gerne verschiedene andere kirchliche Angebote wahr. Auch helfe ich momentan in der Corona-Zeit ab und an mit, den Kirchgängern als Ordner ihre Plätze zuzuweisen. Früher war ich lange Zeit Messdiener, Lektor und Gruppenleiter.

Welche Erfahrungen haben Sie in der Kirche im Zusammenhang mit Ihrer Homosexualität gemacht?

Als ich als Jugendlicher im katholischen Sauerland erkannt habe, in welche Richtungen meine Neigungen gehen, hätte ich mir gewünscht, in der Kirche einen Rückhalt zu finden. Aber den gab es eben dort überhaupt nicht und auch heute leider noch nicht wirklich. Im Gegenteil: Die Kirche war der letzte Ort, an dem man sich hätte outen können. Das ist sehr traurig.

Im Rückblick denke ich, dass ich vielleicht damals besonders Rückhalt und Hilfe von Seiten der Pfarrer und Gemeinde gebraucht hätte. Aber stattdessen hat der religiöse Missbrauch, dem ich dort wohl ausgesetzt war, eher dafür gesorgt, dass ich mich aus Scham und Angst nicht öffnen konnte.

Haben Sie mal überlegt auszutreten?

Ja, natürlich, ständig, aber irgendwie ist es nie dazu gekommen. Als schwuler Mensch kann man der Katholischen Kirche eigentlich nur den Rücken kehren. Aber meine Erziehung, die sehr religiös geprägt war, hat das wohl genauso verhindert wie einige wenige Menschen innerhalb der Kirche, denen ich mich anvertrauen konnte.

Und jetzt, da es positive Zeichen in Form der Regenbogenfahnen gibt, bleiben Sie.

Ja, endlich gibt es solche Zeichen. Ja, ich will auch in Zukunft in der Katholischen Kirche mitarbeiten. Aber ich suche mir natürlich Gemeinden mit toleranten Pfarrern aus. Es gibt aber leider gerade unter den jungen Pfarrern heute richtige Hardliner. Wobei ich das nicht verstehe - wir haben doch einen Gott, der alle liebt.

Besonderer Streitpunkt ist ja die Segnung von homosexuellen Paaren ...

Ja, alles Mögliche wird gesegnet, Tiere, Gebäude und Autos zum Beispiel, aber homosexuelle Paare nicht. Da fehlt mir jedes Verständnis. Ich begreife auch nicht, dass die Kirche es einfach hinnimmt, dass die Mitglieder zu Hauf davonlaufen und nichts an ihrer weltfremden Haltung ändert.

Ich bin auch für die Abschaffung des Zölibats, dafür, dass Frauen Pfarrerinnen werden dürfen und für die kirchliche Trauung von homosexuellen Paaren. Aber bis Letzteres Realität sein kann, wird es sicher noch einige Zeit dauern. In diesem Jahrhundert klappt das wohl nicht mehr, fürchte ich.

Aber der momentane, längst überfällige Widerstand und Protest vieler deutscher Katholiken, auch in höheren Positionen, gegen die Haltung Roms gibt mir Hoffnung. Ich schließe mich da vehement und gerne an und hoffe weiter.

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