Hoesch-Familie aus der Nordstadt erlebte den Zweiten Weltkrieg

© Marc D. Wernicke

„Furchtbar schwarz“: Weltkriegsbriefe einer Hoesch-Familie gehen unter die Haut

rnZweiter Weltkrieg

Für das Stadtarchiv hat der Hombrucher Hannes Tutschku 500 Weltkriegsbriefe einer Hoesch-Familie aus dem Dortmunder Norden aufbereitet. Das Kriegsende erlebten nicht alle.

Bittermark, Nordstadt

, 09.04.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ein Jahr lang hat Hannes Tutschku aus dem Hombrucher Ortsteil Bittermark ehrenamtlich für das Stadtarchiv Hunderte Feldpostbriefe einer Hoesch-Familie aus dem Zweiten Weltkrieg aufbereitet.

Darauf basierend hat der 65-Jährige für den „Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark“ einen Artikel verfasst, der die Erlebnisse der Familie Konieczka auf bewegende Weise erzählt.

„Alles begann im Juli 2018, als der Dortmunder Bernhard Konieczka dem Stadtarchiv die Sammlung von rund 500 Briefen übergab“, berichtet Hannes Tutschku.

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Der heute 93-jährige Bernhard Konieczka, geboren 1927, ist der jüngste von vier Söhnen der Eheleute Johann und Marianna Konieczka (geb. Smigowski), die ab den 1920er-Jahren in der Dortmunder Nordstadt lebten.

Johann wurde 1873 in der preußischen Provinz Posen im heutigen Polen geboren. Auf der Suche nach Arbeit zog er ins Ruhrgebiet. Er fand eine Stelle bei der Hoesch AG und ließ sich an der Robertstraße nieder.

Hoesch-Familie aus der Nordstadt erlebte den Zweiten Weltkrieg

Die katholische Familie Konieczka lebte an der Robertstraße im Dortmunder Norden unweit der Dreifaltigkeitskirche. © Marc D. Wernicke

Aus seiner ersten Ehe mit Marianna Meclewski gingen in den 1910er-Jahren vier Kinder hervor, bevor seine Frau in Folge der Spanischen Grippe verstarb. Zwei Jahre später heiratete er Marianna Smigowski.

„Der erste Sohn, Edmund Konieczka, wurde 1922 geboren. Es folgten die Brüder Josef, Hieronymus und Bernhard“, erklärt Hannes Tutschku. Die rund 500 Briefe, die der Bittermärker für das Stadtarchiv zusammen mit dem Historiker Hartwig Kersken bearbeitet hat, stammen aus den Jahren 1939 bis ‘45.

Der älteste Sohn Edmund wurde 1942 zum Kriegsdienst eingezogen. „Herzliche Grüße aus meiner beginnenden Soldatenzeit, die ganz erstklassig angefangen hat“, schrieb er Mitte Januar, nur wenige Tage nach der deutschen Niederlage vor Moskau.

Scheinbar unbeschwert berichtet Edmund von seiner Ankunft bei der Truppe und der bevorstehenden Ausbildung. „Für junge Burschen in meinem Alter ist das gerade das Richtige“, schrieb der 19-Jährige.

Die Familie verlor ihr Heim

Eineinhalb Kriegsjahre später hatte sich sein Ton verändert. „Mein Kompaniechef hat gesagt, ich sollte euch schreiben, im Glauben an den Endsieg alles zu ertragen“, schrieb Edmund im Juni 1943 aus Russland nach Hause. „Das können die sagen, die noch kein Opfer gebracht haben. So etwas hätte ich niemals zu Euch geschrieben, denn ich weiß, dass Ihr Euren Trost woanders holt.“

Hannes Tutschku ordnet die Aussage ein: „Die Familie war tief im katholischen Glauben verwurzelt. Bernhard Konieczka beschäftigte die Frage, wie es der NS-Staat vermocht hatte, junge Menschen wie ihn und seine Brüder für sich zu vereinnahmen.“

Als Edmund Konieczka im Sommer 1943 seine nachdenklichen Zeilen schrieb, wusste er, was kurz zuvor in Dortmund passiert war. Das Haus seiner Familie in der Robertstraße im Hoesch-Viertel war bei einem Luftangriff zerstört worden.

Hoesch-Familie aus der Nordstadt erlebte den Zweiten Weltkrieg

Ein solches „Lebenszeichen“ verschickte die Familie, als sie im Oktober 1944 ein zweites Mal obdachlos wurde. Ihre Ausweichwohnung an der Schlosserstraße wurde bei einem Großangriff auf Dortmund zerstört. © Stadtarchiv Dortmund

Auch der zweitälteste Sohn Josef, geboren 1925, kämpfte zur gleichen Zeit an der Ostfront. „Ja ja, der Krieg. Manchmal sehe ich furchtbar schwarz. Aber mir ist alles egal“, schrieb ihm sein Freund Wilfried. „Im Falle deiner Zukünftigen hüllst du dich ja in Schweigen. Meine ist leider nicht mehr unter den Lebenden.“

„Edmund Konieczka hat das Kriegsende nicht mehr erlebt. Er fiel auf den Tag genau zwei Jahre nach seiner Einberufung in der Ukraine“, schildert Hannes Tutschku. Und auch Josef kam im Frühjahr 1945 in der von der Roten Armee eingekesselten Stadt Königsberg ums Leben.

Zwei Brüder überlebten

Der dritte Bruder Hieronymus, genannt Rony, war noch als Minderjähriger zum Dienst bei der Flugabwehr eingezogen worden. Er überlebte den Krieg ebenso wie der jüngste Bruder Bernhard Konieczka, der die 500 Briefe seit dem Tod ihrer Mutter 1980 verwahrt hatte.

Ihre ganze Geschichte erzählt Hannes Tutschku in der Zeitschrift des Historischen Vereins. Sie ist im Buchhandel über die ISBN 978-3-8375-2260-0 bestellbar.