Hobby-Fotograf mit Herz Michael Wagner (32) fotografiert Menschen mit schweren Schicksalen und wenig Geld

Michael Wagner (32) fotografiert Menschen mit schweren Schicksalen
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Bei Michael und Cindy Wagner zu Hause in Dortmund-Brackel ist es gemütlich. Auf dem Tisch stehen Süßigkeiten und Kaffee, das Wohnzimmer wird von einer großen Couch mit großen Kissen dominiert. An den Wänden hängen viele Bilder. Von der Hochzeit, von Michaels kleiner Tochter.

Michael ist Hobby-Fotograf. Der gelernte Elektriker arbeitet in der Sicherheitstechnik, macht aber leidenschaftlich gern Porträts und Schnappschüsse von Menschen. „Ich brauche das als kreativen Ausgleich“, sagt er. Meistens müssen seine Frau und seine Tochter als Motive herhalten.

Bleibende Erinnerungen schaffen

Sein Hobby nutzt er, um anderen in seiner Freizeit eine Freude zu machen. „Bleibende Erinnerungen zu schaffen, ist wichtig“, sagt der 32-Jährige. Deshalb macht er so gern Fotos von seiner siebenjährigen Tochter, „damit sie diese Erinnerungen hat, wenn sie groß ist.“

Er und seine Frau Cindy haben sich eine besondere Aktion überlegt. Eine Foto-Shooting könne sich nicht jeder leisten. Wer arm sei habe ohnehin andere Sorgen, als ein Foto-Shooting zu organisieren, glauben die beiden. Über Facebook hat das Paar deshalb nach Menschen gesucht, die sich über professionell gemacht Bilder freuen würden, dafür aber kein Geld ausgeben können. „Viele Leute haben mir ihre Geschichte erzählt. Das hat mich so bewegt. Deswegen freue ich mich, diesen Menschen diesen Wunsch zu erfüllen, ganz unabhängig von Weihnachten.“

Cindy und Michael Wagner dem Balkon ihrer Wohnung in Dortmund-Brackel
An seiner Frau Cindy (27) kann der Hobby-Fotograf seine Fähigkeiten nach Lust und Laune ausprobieren. © Julia Segantini

Zwei bis drei fertig bearbeitete Bilder möchte Michael kostenlos anbieten. In vielen Fotostudio-Ketten kostet ein halbstündiges Familien-Shooting mit drei Personen etwa 50 Euro - für ein einziges Bild. Günstiger wird es, wenn das Bild unbearbeitet ist. Gerade die Bearbeitung macht Arbeit. Manchmal sitzt Michael eineinhalb Stunden an nur einem Foto. Er möchte dafür trotzdem kein Geld haben. Vor allem, wenn er an die Geschichten denkt, die seine Foto-Modelle ihm und seiner Frau erzählen.

„Bevor es zu spät ist.“

Manche Geschichten würden ihnen nah gehen, sagt Cindy und denkt an einen Termin mit einer Mutter und ihrer Tochter, der demnächst ansteht. „Der Vater ist gestorben und nun möchten die beiden dem Opa, dessen Sohn tot ist, eine schöne Erinnerung schenken.“ Obwohl sie die Aktion gerade erst gestartet haben, seien in kurzer Zeit viele Menschen mit solchen und ähnlichen Geschichten auf sie zugekommen.

„Eine Freundin von mir wollte ein Shooting mit ihren vier Kindern, einem Enkelkind und zwei Hunden machen. Der eine Hund war schon sehr alt, die Tierärztin war sich aber sicher, dass er noch bis zum Foto-Termin im Januar durchhält. Der Hund war sehr krank, deswegen wollten sie noch die Bilder machen, bevor es zu spät ist. Vorhin hat sie angerufen: Sie mussten den Hund heute einschläfern.“ Cindy ist eine große Hundefreundin und kann nachvollziehen, wie schlimm der Verlust für die Freundin ist. Sie selbst zeigt stolz die Bilder von ihrem Hund, der vor zwei Jahren gestorben ist.

Echte Emotionen einfangen

Michael will den Menschen nicht nur Fotos schenken, sondern ein schönes Erlebnis schaffen. In Foto-Studio-Ketten gebe es keine wirkliche Kulisse, manche Fotografen würden nur noch auf den Auslöser drücken, meint er. Er wolle auf die Menschen eingehen, besuche sie für die Fotos gern zu Hause oder treffe sich mit ihnen in der Umgebung, um so echte Emotionen einzufangen.

In gewisser Weise mache er das auch für sich selbst. „Ich brauche das. Fotografieren macht mich glücklich. Ich kann dabei abschalten.“ Eines ist ihm bei seinen Terminen aufgefallen: Die meisten würden die Aktion nicht für sich selbst machen, sondern um ihren Lieben eine Freude zu machen.

Am meisten freut er sich, wenn er Kinder oder Tiere fotografieren kann, „oder am liebsten beide zusammen.“ Das sei nicht immer leicht. Das hat auch Cindy schon gemerkt, die häufig bei den Shootings dabei ist. „Manche Hunde sind so aufgeregt, die hören gar nicht mehr und machen überhaupt nicht, was die sollen.“

Auch Kinder seien immer wieder eine Herausforderung, sagt Michael und erinnert sich an ein Kleinkind, das eigentlich auf einem Spielplatz hätte fotografiert werden sollen, aber jedes Mal anfing zu weinen, wenn es den Schoß des Vaters verlassen musste. „Am Ende habe ich ihn auf den Vater zurennen lassen und ein ganz tolles Bild bekommen“, sagt er strahlend.

Manche Bilder kosten Überwindung

Der gebürtige Russe macht sich schon Gedanken über mögliche weitere Projekte. Er spielt mit dem Gedanken, ein Kinderhospiz zu besuchen und den Eltern Bilder von ihren Kindern zu schenken. Diese Eltern hätten sicher anderes im Kopf, als an professionelle Fotos zu denken, würden sich im Nachhinein aber vielleicht über diese Erinnerung freuen.

Auch Cindy denkt: „Ja, es sind todkranke Kinder. Aber sie können trotzdem Freunde empfinden.“ Es sei ein schöner Gedanken, diese Momente der Freude festzuhalten. Michael gefällt die Idee, weiß aber noch nicht, ob er sich das zutraut. „Ehrlich gesagt, habe ich Angst davor“, gibt er mit unsicherer Stimme zu. Er möchte niemandem zu nahe treten, will die Privatsphäre der Familien respektieren.

„Diese Kinder sind eben sehr krank. Es kostet sicher viel Überwindung, das zu fotografieren.“ Er kann sich vorstellen, zunächst eine andere Idee umzusetzen und seine Dienste einem Altenheim anzubieten. Auch hier ginge es darum, Erinnerungen festzuhalten, solange das noch möglich ist.

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