An der Lindenhorster Straße ist am Donnerstagmorgen dieses Gebäude von der Polizei durchsucht worden. © picture alliance/dpa

Hausdurchsuchung

Hisbollah in Dortmund? Islam-Wissenschaftler schätzt die Situation ein

Ein Dortmunder Verein steht unter Verdacht, eine Teilorganisation der Hisbollah zu sein. Das Innenministerium hat ein Verbot ausgesprochen. Am Morgen gab es eine Razzia. Eine Einordnung.

Dortmund

, 30.04.2020 / Lesedauer: 3 min

Die Lindenhorster Straße führt vom Fredenbaumpark aus in Richtung Norden. Autohändler und Werkstätten säumen die Strecke, es gibt wilde Müllkippen, im weiteren Verlauf sind rechts und links Wohnhäuser zu sehen. An dieser Straße befindet sich das Haus, in dem Dortmunder Kontakte zur Hisbollah pflegen sollen.

Die Gemeinschaft Libanesischer Emigranten (GLE) hat dort ihren Sitz, ein großes Schild weist an der Häuserecke darauf hin. Polizisten haben am frühen Donnerstagmorgen (30.4.) das Gebäude durchsucht und Kartons mit Beweismitteln herausgetragen. Der Verein stehe in Verdacht, Teilorganisation der Hisbollah zu sein, heißt es vom NRW-Innenministerium.

Am Vormittag geht ein Mann in das Gebäude, der betont, dass er nicht fotografiert werden möchte. „Was Sie gehört haben, haben wir auch gehört“, sagt er nur. Jedenfalls habe er nichts zu verstecken, hat aber offensichtlich auch keine Lust auf ein längeres Gespräch. Andere Passanten sagen, das Gebäude sei ihnen nie besonders aufgefallen.

Im Internet sind Einladungen zu Diskussionsrunden der GLE aus dem Jahr 2011 zu finden. Es geht um Themen rund um den Koran, eine Mädchengruppe habe zudem etwa über Lästereien und üble Nachrede gesprochen. Außerdem gibt es eine alte Facebook-Seite der Gemeinschaft mit 382 Gefällt-mir-Angaben, seit Oktober 2017 sind keine neuen Beiträge zu sehen.

Fotos und Videos von großen Versammlungen sind veröffentlicht. Rund 500 Personen sitzen in einem Saal, Männer und Frauen getrennt. Nur die Gesichter der Frauen sind zu sehen, die meisten tragen schwarze Kleider, die den Rest des Körpers bedecken.

Jugendlicher liest vor, jüngere Kinder stimmen ein

Auf Videos sind arabische Gesänge zu hören, Fotos zeigen malende Kinder. Ein Jugendlicher liest auf Deutsch und mehrere Kinder stimmen ein: „Du bist der Imam der Zeit, komm herbei, wir sind bereit.“ Auf eine Nachricht unserer Redaktion antwortete die GLE am Donnerstag bis zum Redaktionsschluss dieses Textes (18 Uhr) nicht.

Die neusten Beiträge auf der Facebook-Seite zeigen offenbar das Aschura-Trauerfest im Herbst 2017: „Im Libanon hat das eine sehr große Bedeutung“, sagt Prof. Dr. Johann Büssow, Islamwissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum. Ohne die Dortmunder GLE zu kennen, sagt er: „Das Fest ist nicht per se politisch, die Hisbollah fördert so etwas aber durchaus.“ Es gehe um eine Passionsgeschichte mit Opferbereitschaft.

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Die Hisbollah ist aus Büssows Sicht „ein vielgestaltiges Wesen“. Sie sei Wohltätigkeits-, Jugend- und Frauenorganisation und biete in sozialen Brennpunkten Rückhalt und Förderungen. „Sie ist für viele Heimat und füllt viele Lücken“, sagt Büssow.

Doch sie stelle sich sicherlich auch als Miliz gegen Israel auf: „Sie ist auch eine Terrororganisation“, so Büssow: „Ohne Frage.“ Er nennt sie „ein absolutes Risiko für den Nahen Osten.“ Gleichwohl sei es nicht einfach, ein umfassendes Bild der Hisbollah zu zeichnen.

„Die kennen die Spielregeln ziemlich gut“

Zur Polizei-Razzia in Dortmund sagt der Wissenschaftler: „Das überrascht mich gar nicht.“ Es sei überhaupt nicht unwahrscheinlich, dass Teile der Hisbollah Kontakte ins Ruhrgebiet pflegen. „Die kennen die Spielregeln ziemlich gut und haben es bislang erfolgreich geschafft, ein Verbot zu umgehen.“ Das ist seit Donnerstag anders: „Eine sehr vernünftige Entscheidung, wenn Sie mich fragen“, so Büssow.

Laut NRW-Innenministerium will die Hisbollah einen islamischen Gottesstaat nach iranischem Modell errichten und ruft zur gewaltsamen Abschaffung des Staates Israel auf. In NRW seien 115 Personen als Anhänger und Unterstützer bekannt. Statistiken für einzelne Städte lagen dem Ministerium am Donnerstag nicht vor.

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