Meikes Weg aus der Depression „Plötzlich habe ich für 20 Leute gekocht und Freunde gefunden“

Meikes Weg aus der Depression: In der Nordstadt fand sie Hilfe
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Es ist viel lauter, viel lebendiger, als man vielleicht erwartet, wenn man eine Anlaufstelle für psychisch erkrankte Menschen betritt. In der Halte-Stelle in der Dortmunder Nordstadt ist an diesem Freitagmittag richtig viel los: An einem Tisch spielen vier Menschen Gesellschaftsspiele. In der Küche wird noch aufgeräumt - kurz zuvor gab es Mittagessen. Im Garten sitzen einige Besucher zusammen und unterhalten sich.

Mittendrin steht Meike*, eine Kaffeetasse in der Hand, freundlich grüßt sie Neuankömmlinge, unterhält sich immer wieder kurz. Sie lächelt viel, wirkt entspannt und offen. Dass die Dortmunderin nach außen so wirkt, ist nicht selbstverständlich: Vor sieben Jahren bekam sie die Diagnose Depressionen.

Zum Studieren war sie damals aus Dortmund weggezogen. „Depressionen hatte ich rückblickend schon seit meiner Jugend“, sagt die Mittvierzigerin. Im Studium werden diese aber erstmals so stark, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen kann. „Nachts konnte ich nicht mehr schlafen, tagsüber war ich total kaputt, ich war überhaupt nicht mehr leistungsfähig.“

Anna Hinxlage, Bernd Rethemeyer und Alexandra Scharfe sitzen an einem Tisch in den Räumen der Halte-Stelle.
Die Kontaktstelle Halte-Stelle in der Dortmunder Nordstadt will Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen sein. Hier ist jeder willkommen - eine Diagnose oder ärztliche Unterlagen muss niemand vorzeigen, versichern die Mitarbeiterinnen Anna Hinxlage (l.) und Alexandra Scharfe (r.) sowie Geschäftsführer Bernd Rethemeier. Meike ist nicht auf diesem Bild. © Oliver Schaper

Kontaktstelle bietet Struktur

Sie zieht die Reißleine: Studienabbruch und Klinikaufenthalt. „Zum ersten Mal habe ich da passende Medikamente bekommen - die haben mich sehr stabilisiert.“ Nach vier Wochen in der Klinik kehrt Meike zurück nach Dortmund. Über den Psychosozialen Trägerverbund Dortmund erhält sie einen Platz im ambulanten betreuten Wohnen, nach und nach stabilisiert sie sich. Was sie aber auch lernt: „Man neigt in solchen Lebensphasen dazu, soziale Kontakte zu meiden - das macht die Sache noch viel schlimmer.“

An dieser Stelle kommt die „Halte-Stelle“ in der Nordstadt ins Spiel. Die Kontaktstelle bietet einen offenen Treffpunkt für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Kostenlos, unverbindlich, unkompliziert. Meike begleitet eine Freundin dorthin und fühlt sich sofort wohl.

„Es herrscht ein sehr respektvoller Umgang miteinander. Und die Krankheiten stehen nicht im Vordergrund. Wir wissen gar nicht, wer hier welche Krankheit hat, es sei denn, er erzählt bewusst davon. Es sitzen alle im selben Boot, ohne dass es das bestimmende Thema ist.“

Die Wahrnehmung passt zu dem, was Alexandra Scharfe vom Team der Halte-Stelle zum Grundgedanken des Angebots sagt: Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen versucht sie, Besuchern der Kontaktstelle vom ersten Kennenlernen an zu vermitteln, dass hier jeder willkommen ist. Viele der Besucher haben depressive Erkrankungen, aber auch andere psychische Erkrankungen wie Borderline, Autismus oder Angststörungen kommen vor. „Wir lassen uns hier keine Diagnosen oder ärztlichen Unterlagen vorlegen. Wir möchten die Besucher als Menschen hier haben.“ So kann die Kontaktstelle auch in Lebenskrisen ohne bestehende Diagnose besucht und als präventives Angebot genutzt werden

„Viele haben privat nicht viele Kontakte - da sind wir das Zentrum für Sozialkontakte. Wer möchte, kann mit uns reden, aber es ist keine Pflicht. Wir bieten Entlastungsgespräche auf freiwilliger Basis an.“ Im Fokus stehe aber „das Kontaktaufnehmen und eine Tagesstruktur geben“. Manche Besucher kämen jahrelang. „Einige legen eine Entwicklung hin, andere sind eher konstant.“ Und das sei völlig in Ordnung so. „Jeder hat die Möglichkeit, das, was er schafft, einzubringen.“

Im Fall von Meike ist das jede Menge: Nach ihrem ersten Besuch kommt sie zunächst einmal pro Woche, immer sonntags. Als sie dann aus der Wohnung im ambulant Betreuten Wohnen auszieht, kommt sie täglich in die Halte-Stelle: „Es gibt einem Struktur: Man kommt um 10 Uhr an, ab 11 Uhr wird gemeinsam gekocht, dann das gemeinsame Essen, man ist nicht alleine - das ist ganz entscheidend.“

Und für Meike zünden die Angebote, die die Kontaktstelle macht, voll: „Plötzlich habe ich für 20 Leute gekocht, Theater gespielt, Freunde gefunden.“ Wie für viele Besucher ist das warme Mittagessen für sie ein entscheidender Punkt: Es wird gemeinsam eingekauft, zubereitet, gegessen und wieder aufgeräumt. Bei den „Projektköchen“ können sich 15 Besucher zum Essen eintragen, 3 bis 4 organisieren dann alles selbstständig. Eine „Belastungserprobung“, nennt Alexandra Scharfe das.

Geschäftsführer Bernd Rethemeyer und die Mitarbeiterinnen Alexandra Scharfe und Anna Hinxlage von der Halte-Stelle Dortmund
Der Verein Halte-Stelle bietet ein breit gefächertes Angebot: Neben der Kontaktstelle auch eine Tagesstätte, betreutes Wohnen und einen Second-Fashion-Laden. Geschäftsführer Bernd Rethemeyer und die Mitarbeiterinnen Alexandra Scharfe und Anna Hinxlage stehen als Ansprechpartner bereit. © Foto Schaper

Meike kommt damit hervorragend zurecht. Ebenso wie mit dem Theaterspielen, für das es eine eigene Gruppe gibt. „Natürlich hatte ich anfangs Sorge, dass ich den Text vergesse. Aber es tut soviel für das Selbstwertgefühl. Und ich habe in der Theatergruppe Dinge gelernt, die mir jetzt in der Ausbildung helfen: Auswendig lernen, Sachen präsentieren, das traue ich mich jetzt viel leichter.“

Die Dortmunderin ist auf einem guten Weg, ihre Depression hinter sich zu lassen: Sie macht eine Umschulung im kaufmännischen Bereich. Das lässt weniger Zeit für Besuche in der Halte-Stelle - aber zwei bis dreimal pro Woche kommt Meike noch immer her. Und das soll sich so schnell nicht ändern: „Wenn meine Arbeitszeiten es zulassen, komme ich auch in fünf Jahren noch her.“

*Name von der Redaktion geändert

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Halte-Stelle e. V. Dortmund - alle Infos

  • Adresse: Halte-Stelle e.V., Blücherstraße 25A, 44147 Dortmund.
  • Telefon: 0231/532011-31
  • Internet: www.halte-stelle.de
  • Öffnungszeiten der Kontaktstelle: Montag 10-17 Uhr; Dienstag und Mittwoch 10-16 Uhr; Donnerstag 9-15 Uhr; Freitag 10-15 Uhr; Sonntag 12-15 Uhr
  • montags bis freitags gibt es ein Essensangebot; donnerstags Frühstück; sonntags Kaffee und Kuchen.
  • Es gibt verschiedene Kreativ- und Bewegungsangebote sowie eine Gartengruppe. Zudem werden Ausflüge oder spezielle Thementage geplant - weitere Infos vor Ort oder telefonisch.
  • Neben der Kontaktstelle bietet der Verein Halte-Stelle auch noch eine Tagesstätte und Ambulant Betreutes Wohnen an. An der Bayrischen Straße 69 betreibt er außerdem einen Second-Hand-Laden, hier können Praktika und Arbeitstrainingsmaßnahmen absolviert werden.