Etwa 15 bis 20 Prozent der Deutschen leiden an Heuschnupfen - Tendenz steigend. Bei manchen kribbelt‘s nur ein bisschen in der Nase, andere können das Haus wegen ihrer Beschwerden wochenlang aber kaum verlassen. Der Klimawandel sorgt dafür, dass sie deutlich länger damit zu kämpfen haben als früher.
„Wir sehen, dass die Heuschnupfen-Saison ausgeweitet ist“, sagt Dr. Ulrike Beiteke, Leitende Oberärztin am Klinikum Dortmund. Sie ist Fachärztin unter anderem für Allergologie und Umweltmedizin.
„Die Winter werden wärmer, es geht nicht mehr alles kaputt“, sagt sie über mangelnden Frost. Also fange der Hasel-Pollenflug schon im Januar oder Februar an. Birken oder Buchen seien ebenfalls Beispiele für deutlich verlängerte Heuschnupfen-Beschwerden. „Die pollenfreie Zeit wird in Deutschland immer kürzer“, sagt die Expertin.

Und die Allergien machen sich nicht mehr nur bis in den Sommer bemerkbar. Eine neu eingewanderte Pflanze macht sich breit, die erst jetzt, von Juni bis Oktober, blüht – und vielen Menschen Probleme bereiten könnte: die Ambrosia. Dieses „Traubenkraut“ wächst vor allem an Äckern, Brachflächen, Straßen- und Wegesrändern.
Scouts für die Pflanze in Berlin
„Schon minimale Pollenkonzentrationen dieser Pflanze können allergische Reaktionen wie Bindehautreizungen, Heuschnupfen oder allergisches Asthma auslösen“, warnt Jörg Kock von der Krankenkasse AOK, die auf die Ausbreitung aufmerksam macht.
Aus dem Mittelmeerraum kommend breite sich die Ambrosia am Rhein entlang aus, sagt Ärztin Dr. Beiteke über die Entwicklung in NRW. In Berlin gibt es schon seit knapp 15 Jahren „Scouts“, die die schädliche Pflanze aufspüren.

In Dortmund sehe sie bislang noch keine Ambrosia-Häufung, sagt Dr. Beiteke. Aber: „Sie produziert viele Samen, wächst leicht, kann sich selbst bestäuben und ist lange keimfähig.“ Das mache die Bekämpfung sehr schwierig: „Man muss sie wirklich ausrotten“, was aber fast nicht möglich sei.
Die Ambrosia sei nur ein Beispiel für neu eingewanderte Pflanzen, die Allergikern zukünftig Probleme bereiten werden. Und unter anderem weil hohe Feinstaubkonzentrationen Pollen „allergener“ machen als früher, leiden mehr Menschen unter Heuschnupfen. „Da werden wir noch mehr von hören“, sagt Ulrike Beiteke.
Todesfälle nach schwerem Pollenflug
Mit Sorge beobachtet sie, dass in Australien beispielsweise bei einem Gewitter vor sieben Jahren besonders schwerer Pollenflug auftrat. Tausende Menschen wurden mit Atemwegsproblemen behandelt, sechs Personen starben an den Folgen von Asthma-Anfällen.
Die AOK ruft dazu auf, Ambrosia-Funde dem Grünflächenamt oder unter ambrosiascout.de zu melden. Wer die Pflanzen im heimischen Garten findet, „sollte sie am besten mit Handschuhen an der Wurzel packen und im Hausmüll entsorgen“. Blüht sie bereits, empfehle sich eine Feinstaubmaske und die Entsorgung in einer geschlossenen Tüte.
„Richtige Pflanzen“ beachten
Einen Appell richtet die Leitende Oberärztin an die Stadtverwaltung. Im Zuge der Stadtplanung sei es richtig, für grüne Innenstädte zu sorgen: „Aber dabei muss man aufpassen, dass man die richtigen Pflanzen pflanzt.“ Allen Allergikern empfiehlt sie die Pollen-Vorhersage unter pollenstiftung.de.
Die AOK betont, dass Betroffene ihre Erkrankung ernst nehmen und gegebenenfalls medizinische Hilfe in Anspruch nehmen sollen. „Der Facharzt oder die Fachärztin für Allergologie kann mit einem Hauttest eine sichere Diagnose stellen“, heißt es. Allergisches Asthma äußere sich durch trockenen Husten, Atemnot und verringerte Belastbarkeit.
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