
© Tobias Großekemper
Hanf-Messe in Dortmund: „Grünes Gold“, „Zero Bock“ und Kiffer-Reisen für jeden Geldbeutel
Westfalenhallen
Wenn von Hanf die Rede ist, geht es meist um THC. Der Stoff, der berauscht. Bei der Hanf-Messe in Dortmund ist THC natürlich auch Thema. Der heimliche Star der Veranstaltung ist ein anderer.
Thea Sofia Deuster ist 81 Jahre alt und nicht der Prototyp des Besuchers einer Hanfmesse. Deuster hat kein Käppi auf, trägt keine Sneaker und auch keine weiten Jeans. Und bunt ist nur ihr Halstuch. Deuster aus Dortmund hat gerade ein paar Hanf-Kekse erstanden, vorher, an einem anderen Stand ein Hanf-Öl zum Kochen und Salat-Anrichten. Jetzt schlendert sie mit einer Freundin und ihrem Rollator noch ein wenig über die Messe. „Man muss sich informieren“, sagt sie. Und, dass sie noch vor fünf, sechs Wochen nicht so hätte herumlaufen können.

3 mal 13 Tabletten am Tag nahm Thea Sofia Deuster am Tag. Dann las sie in den Ruhr Nachrichten einen Artikel über CBD-Öl. Das nimmt die 81-Jährige jetzt. Und noch 4 mal 2 Tabletten am Tag. Deutlich weniger Schmerzen habe sie inzwischen. © Tobias Großekemper
Da nahm sie, sagt sie, noch drei Mal am Tag 13 Tabletten. Heute nimmt sie noch vier Mal zwei Tabletten und CBD-Öl. „Ohne das möchte ich nicht mehr sein“, sagt Deuster. Polyneurophatie habe sie seit 20 Jahren. Und RLS. Das steht für „Restless-Legs-Syndrom“, man kann das salopp mit ruhelosen Beinen übersetzen. Vor einigen Wochen las Deuster in ihrer Tageszeitung einen Bericht über eine Frau, der die CBD-Tropfen geholfen hatten.
Eine Netzrechereche und ein Apothekergespräch später bestellte sie sich Tropfen im Netz, jetzt will sie sich neue Quellen erschließen. Durchschlafen könne sie jetzt wieder, habe deutlich weniger Schmerzen und könne auch wieder bei der Hausarbeit in ihrer Dreier-WG helfen. Deuster geht es, so sagt sie, heute ganz anders als noch vor einigen Wochen.
CBD ist, diesen Eindruck bekommt man, der heimliche Star dieser Messe, die zum ersten Mal in den Westfalenhallen läuft. CBD-Öle gibt es an vielen Ständen. „CBD ist das Medikament der Zukunft“, sagt auch Uwe Gremer. Er hat den Hof seiner Eltern im Frankenwald übernommen.

Uwe Gremer baut seinen Hanf in Franken an. Sein Produkt ist CBD-Öl, auf das er wahre Loblieder singen kann. © Tobias Großekemper
Wer Gremer fragt, warum dieses Öl so doll ist, der bekommt einen kleinen Vortrag. Beginnend beim körpereigenen Endocannabinodsystem, die Calciumionenkanäle streifend und dann bei diversen Krankheiten endend. Gremer ist Überzeugungstäter, es sprudelt aus ihm heraus und mit ihm die Begeisterung über das Naturprodukt Hanf. Was man damit alles machen könne: Seile, Stoffe, Öle, sogar als Baustoff sei es einsetzbar. Und als Plastikersatz. Er konzentriert sich auf das CBD, das sei schon genug Arbeit. Doch die Pflanze wird, davon ist der 39-Jährige überzeugt, den Status zurückbekommen, den sie vor vielen Jahren einst hatte.
„Fly with us - get high with us“
Davon überzeugt sind vermutlich die meisten Besucher der Messe. Noch einen Schritt weiter gehen Julian Voß und Alexander Mogilowski, sie haben ein Unternehmen gegründet, das sich ohne jeden Zweifel an die Kifferfraktion wendet. „DopeTours“ heißt die Firma, ihr Slogan lautet „Fly with us - get high with us“.
Drei Reiseziele bieten sie an, aber die sollen ordentlich reinknallen: Amsterdam, Denver und Jamaika. „Der Konsum ist nicht verpflichtend“, sagt Voss. Amsterdam sei etwas für den sparsamen Reisenden, die Tagestour mit einem Flixbus gibt es ab 75 Euro, man kann dann noch einzelne Punkte dazubuchen. Etwa die „cannabisfreundliche Grachtenfahrt“. Denver und Jamaika seien natürlich teurer. Jamaika sei eher entspannt, Denver eher actionorientiert. Die Idee zu diesem Reiseunternehmen hatten die drei Firmengründer übrigens bei einer eigenen Jamaika-Reise.

Die Firma, die Julian Voß und Alexander Mogilowski mit einem weiteren Partner betreiben, heißt "Dope Tours", der Name ist Programm. So wie das Firmenmotto "Fly with us - get high with us". Drei Ziele bieten sie an: Amsterdam, Denver und Jamaika. © Tobias Großekemper
Ein Veteran im Hanfgeschäft ist Stefan Noelker-Wunderwald, seit 1997 baut er Hanf in der Nähe von Höxter an, in den Jahren sind 40 Hektar daraus geworden. Die eine Hälfte seines Hanfes nutzt er zur Grünmassengewinnung, die andere für die Samen. „Ein bisschen merkwürdig“ findet er die Entwicklung, die der Hanf gerade nimmt. Einerseits sei das THC, der Stoff, aus dem der Rausch stammt, lange bekannt und erforscht. Über das CBD, um das es es im Moment einen Riesenhype gebe, wisse man noch verhältnismäßig wenig. Pharmafirmen würden starkes Interesse zeigen. Aber eine medizinische Zulassung dafür habe niemand von denen, die hier ihr CDB-Öl verkaufen würden. Daher könne es man auch nicht als Medikament vermarkten. Sondern maximal als etwas, was Menschen eventuell gut tue. Also als Nahrungsergänzungsmittel. Insgesamt seien hanf-Produkte heute weit entfernt von dem alten Kiffer-Image.
Bei Noelker-Wunderwald gibt es Hanf-Käse, Hanf-Wassereise, Hanf-Likör, Hanfseife und noch eine ganze Menge mehr. Sein Liebling ist aber das Hanf-Öl für die Küche. Schlicht, einfach und sehr gesund sei das. Die Messe hier sei aber nicht so gut besucht, wie er gehofft habe.

Seitenbacher-Öle kennen alle aus der Radiowerbung. Das Hanf-Öl von Philipp Dudde aus Bochum soll erst noch so bekannt werden. Es stillt keine Schmerzen, es hat keine psychogene Wirkung, es soll einfach nur sehr bekömmlich sein. Und reich an Omega-6- und Omega-3-Fetten. © Tobias Großekemper
Öl, also Speiseöl, gibt es auch bei Philipp Dudde aus Bochum. Alles in NRW produziert, sein Unternehmen gibt es seit 2018. Bei zwei Supermarktketten in Bochum kann man es im Laden erwerben. Andere Hanf-Messen, auf denen er auch schon war, seien mehr für die „Stoner“ ausgelegt als diese hier, hier seien mehr Buisiness-Kunden unterwegs. Davon aber auch für seinen Geschmack noch zu wenig.

© Tobias Großekemper
Natürlich gibt es auf der Hanf-Messe auch ein Kiffer-Utensilien. Wasserpfeifen, sie heißen hier Bongs, Blättchen, das komplette Equipment für den illegalen Eigenanbauer, Literatur. Vorträge werden angeboten, es gibt Getränke wie den alkoholfreien Drink mit dem wundervollen Namen „Zero Bock“. Andere Dinge heißen „grünes Gold“. Hanf, das nimmt man hier mit, ist auf dem Weg, ein mächtiger Geschäftszweig zu werden.
Ich wurde 1973 geboren und schreibe seit über 10 Jahren als Redakteur an verschiedenen Positionen bei Lensing Media. Als problematisch sehen viele meiner Kollegen oft die Länge meiner Texte an. Aber ich schreibe am liebsten das auf, was ich selber bevorzugt lesen würde – und das darf auch gerne etwas länger sein.
