Das Wichtigste in Kürze:
- Konjunkturexperten haben keine hohen Erwartungen an wirtschaftliche Impulse durch die Fußball-EM.
- Einzelhändler in Dortmund sehen Chancen in gezielten Marketingaktionen. Die Thier-Galerie setzt bereits Fußball-bezogene Werbung ein.
- Eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland zeigt, dass vor allem Lebensmittel und Fanartikel während der EM gefragt sein werden, mit geschätzten zusätzlichen Umsätzen im Einzelhandel von 3,8 Milliarden Euro.
- Die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund und der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in NRW sind optimistisch, dass auch das Gastgewerbe profitieren wird.
Während die deutsche Fußballnationalmannschaft rechtzeitig vor der Europameisterschaft wieder zu alter Stärke zurückgefunden zu haben scheint und mit den letzten Siegen gegen Frankreich und die Niederlande die Hoffnung auf ein neues Sommermärchen während der EURO 2024 genährt hat, sind die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Impuls eher gedämpft. Konjunkturexperten rechnen nicht damit, dass das große Turnier in Deutschland die Wirtschaftskraft befeuern kann.
Auch Tobias Heitmann, Vorsitzender des Cityrings in Dortmund, äußert sich wenige Wochen vor dem Eröffnungsspiel, das Deutschland am 14. Juni in München gegen Schottland bestreitet, zurückhaltend. „Wir Händler bereiten uns vor und werden versuchen, über die Schaufenstergestaltung und mit attraktiven Angeboten die Fans auch in unsere Geschäfte zu locken, aber es üben sich alle in Bescheidenheit. Wir erwarten kein konjunkturelles Sommermärchen“, so Tobias Heitmann. Und Anika Hinz, Sprecherin des Schuhhändlers Deichmann, sagt: „Für unser Standardsortiment erwarten wir kein gesteigertes Kaufverhalten. Da wir allerdings auch ein Angebot an Sport- und Fanartikeln haben, ist eine höhere Nachfrage nach diesen Artikeln nicht auszuschließen.“
„Ich weiß, dass viele Händler sich Gedanken machen“, sagt Thomas Schäfer, Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen-Münsterland. Und der Handelsexperte hält es auch für notwendig, dass Schaufenster mit Fußball-Symbolen gestaltet, besondere Sport- oder Fankleidung sowie Rabatt-Aktionen und Gewinnspiele angeboten werden. „Von allein kommen die Menschen nicht in die Geschäfte. Zunächst einmal ist die EURO kein Fest für den Einzelhandel, aber sie kann ein Fest für den Einzelhandel werden. Es gehört zur Kunst des Einzelhandels, auf sich aufmerksam zu machen“, so Thomas Schäfer. Orientiert man sich an der WM 2006, dann erwartet Dortmund zu den sechs Spielen im Stadion an der Strobelallee mehrere Hunderttausend Besucherinnen und Besucher.
Banner schmücken Thier-Galerie
Die Thier-Galerie hat sich bereits als einer der ersten Akteure in der City herausgeputzt und zeigt mit großen, blauen Bannern an der Hausfassade sozusagen Flagge. „Football - in our hearts“ („Fußball - in unseren Herzen“) ist darauf zu lesen. Und darüber: „Welcome to Dortmund“ („Willkommen in Dortmund“). Zudem ist auch ein QR-Code abgedruckt, hinter dem sich Informationen zur Stadt befinden.

Der Thier-Galerie-Chef Torben Seifert sagt: „Für mich persönlich ist es wichtig, dass die gesamte Stadt und eben auch wir Einzelhändler ein einheitliches Erscheinungsbild an alle Besucherinnen und Besucher der Innenstadt senden, sodass sich wirklich jeder wohlfühlt. Es ist eine große Chance für unsere gesamte Region.“ Während der Europameisterschaft sei von einer höheren Kundenfrequenz und positiven Auswirkungen für die Umsätze durch die Vielzahl an Besucherinnen und Besuchern auszugehen. Die Vorbereitungen in der Thier-Galerie laufen und die Geschäfte erhöhen unter anderem ihre Lagerbestände.

Der Handelsverband Deutschland glaubt, dass Aktionen wie die der Thier-Galerie Erfolg bringen werden und schätzt die zusätzlichen Umsätze im Einzelhandel durch die EURO auf 3,8 Milliarden Euro. Eine repräsentative Umfrage unter 1000 Personen ergab, dass vor allem Lebensmittel und Fanartikel gefragt sind. „Über 41 Prozent der Befragten planen den Kauf von Snacks, Grillgut, Getränken und weiteren Lebensmitteln. Zu Fanartikeln wie Schals, Fahnen und Dekoartikeln greifen 31 Prozent. Auch bei Sportartikeln, Produkten aus dem Bereich Wohnen und Garten, Spielwaren sowie Elektronik ist mit einzelnen Umsatzeffekten zu rechnen“, so der Handelsverband in einer Pressemitteilung.
Fernseher und Gartenmöbel
Heruntergebrochen auf Dortmund und die Region würde die Schätzung des Handelsverbandes ein Umsatzplus von rund 85 Millionen Euro bedeuten. „Aber, da bin ich skeptisch. Manches Geld, etwa für einen Fernseher oder neue Gartenmöbel, wird schon vorher ausgegeben sein und viel wird auch von der Stimmung abhängen. Nach der WM 2006 waren die Händler zufrieden, weil sie von der insgesamt tollen Stimmung profitiert haben“, sagt Thomas Schäfer. Er weiß aber auch: „Wenn es wegen der Fußball-EM in der City richtig voll ist, bleiben etliche Kunden auch weg und kommen nicht.“

Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft meint sogar: „Die Erfahrung der Fußball-WM im Jahr 2006 zeigt: Sportliche Großereignisse sind kein Konjunkturfeuerwerk. Viele Verbraucher werden die EM zwar zum Anlass nehmen, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen, zum Public Viewing einzuladen oder beim Mitfiebern ein Bier mehr zu trinken. Doch dafür sparen sie an anderer Stelle: Bratwurst statt Restaurant, Fernsehabend statt Kinobesuch. Die Konsumausgaben steigen folglich nicht unbedingt, sondern verschieben sich.“ Er räumt aber auch ein: „Für die zehn Städte, in denen die Spiele stattfinden, mag das Ereignis einen kleinen wirtschaftlichen Impuls bringen.“

Mit einem durchaus großen Impuls rechnen aber Dortmunds Gastronomen. „Natürlich wird es einen Boost geben. In den vier Wochen im Juni/Juli wäre ohne EM auf jeden Fall weniger los. Wir freuen uns“, sagt Jörg Kemper vom „Wenkers“ am Alten Markt. Seit 2004 bietet er dort seine Gastronomie und weiß, wie Fußball-Großereignisse gehen. Alle 14 Tage finden während der Saison schließlich Bundesliga-Heimspiele des BVB statt. „Und jetzt haben wir auch am 1. Juni noch einen Trainingstag“, sagt er augenzwinkernd mit Blick auf das Champions-League-Finale in London. Personell hat er für die EM „die ganze Besatzung an Bord“. „Und wir lagern im Keller 150 Fässer Bier. Damit starten wir. Die Brauerei versorgt uns aber auch schnell mit neuen Fässern“, so Jörg Kemper.
Hotels nicht ausgebucht
Je näher das Turnier rückt, desto mehr warten etliche Hotelbetreiber noch auf weitere Buchungen. „Für viele Beherbergungsbetriebe bedeutet die EM mehr Gäste und höhere Umsätze, es gibt allerdings noch viele freie Kapazitäten. Viele hoffen noch auf kurzfristige Reservierungen“, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in NRW. In den Spielorten wie Dortmund gehe aber jeder von einem Mehrgeschäft aus.

Aktuell liegt die Hotel-Auslastung in Dortmund laut einer Dehoga-Umfrage bei 57 Prozent. Wer also noch auf der Suche nach einer Unterkunft ist, hat gute Karten. Allerdings sind die Angebote unterschiedlich. Das Ringhotel Drees an der Hohen Straße beispielsweise bietet nur Zimmer für mindestens drei Tage an. „Ausgebucht sind wir daher noch nicht, die Auslastung ist aber deutlich höher als 57 Prozent“, sagt Geschäftsführer Markus Riepe.
Und er ergänzt: „Richtig ist aber, dass alle Hotels in Dortmund noch Kapazitäten haben. Die letzten Zimmer werden wohl erst kurzfristig gebucht, weil viele noch auf Schnäppchen hoffen oder auch erst kurz vor dem Spiel Karten bekommen.“ Markus Riepe ist überzeugt, dass viele Dortmunder Hotels voll belegt sein werden. Er verweist aber darauf, dass erst zum Ende der EM die Ferien beginnen und in dieser Zeit das sonst noch übliche Tagungsgeschäft für etliche Hotels auch wegfällt. „Wir sind trotzdem happy. Gerne jedes Jahr EM“, sagt er.
Tägliche Konsumausgaben
Die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund rechnet fest damit, dass vor allem das Gastgewerbe, die Reisebranche und der Einzelhandel von der Europameisterschaft profitieren. „Besondere Beachtung“, so heißt es, „sollte den Übernachtungstouristen aus den Gastländern geschenkt werden, denn diese generieren laut einer Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts von 2020 im Schnitt tägliche Konsumausgaben zwischen 190 und 230 Euro.“ Dortmund erwartet unter anderem Fußballfans aus Italien, Frankreich, der Türkei und Portugal.

Dr. Martin Eisenmann, Fachreferent Dienstleistungen bei der IHK, zieht einen Vergleich zur WM 2006. Im Vorfeld sei auch damals die Stimmung gedämpft gewesen. „83 Prozent erwarteten keine Auswirkungen für sich“, sagt er. Nach der WM jedoch seien dieselben befragten Unternehmen überrascht gewesen. „Die Hälfte der Unternehmen“, so Martin Eisenmann, „profitierten von einem Umsatzanstieg.“ Die Klins(mann)schaft entfachte damals eine Euphorie, schrieb ein Sommermärchen und stürmte ins Halbfinale. Nicht nur bei den Fans, sondern auch in der Wirtschaft werden also jetzt der Nagels(mann)schaft die Daumen gedrückt.