
© Grafik/Montage Martin Klose
Hanau, Halle, Kassel, Minneapolis – Was kommt noch?
Klare Kante
In Amerika stirbt George Floyd durch Polizisten. Rassismus waren auch die Motive in Hanau, Kassel und Halle. Unser Autor fragt: wo bleibt der Aufstand der Anständigen?
Unsere Welt ist in Aufruhr und droht aus den Fugen zu geraten. Angst war noch nie ein guter Ratgeber, aber die Entwicklung in den USA kann schon Angst machen. Doch eines ist bei uns anders: Hanau, Halle und Kassel waren perfide Versuche rechtsradikaler Verbrecher, unsere freiheitliche Demokratie zu erschüttern. Es waren Anschläge auf uns alle, die Völkerverständigung im Geiste von Humanität und Toleranz als überlebenswichtig für eine friedliche Welt halten.
Minneapolis beziehungsweise der gewaltsame Tod von George Floyd durch Polizisten grenzt in dieser Form an Staatsterrorismus. Wenn ein narzistischer, verblendeter Präsident damit droht, das Militär gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, ist die Demokratie in höchster Gefahr. Was kommt als Nächstes? Wie schon bei uns in Deutschland 1933 zeigt sich, wie leicht es sein kann, in Notlagen demokratische Grundregeln auszusetzen. Es wird sich erst noch zeigen, ob in dieser Lage das amerikanische System von „checks and balances“ hält.
Demokratie ist nicht selbstverständlich
Vor diesem Hintergrund mutet es geradezu sarkastisch an, wenn ein DFB erst darüber nachdenken muss, ob er Spielern, die Gesten der Solidarität mit George Floyd öffentlich bei einem Spiel zeigen, bestrafen soll oder nicht. Wo bleibt der Aufstand der Anständigen? Wir sind nicht gefeit vor einer nachhaltigen Beschädigung unserer Demokratie und der freiheitlichen Grundordnung. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass wir meinen, diese Selbstverständlichkeit nicht verteidigen zu müssen.
Auch wir in Dortmund haben unsere bitteren Erfahrungen machen müssen. Die grausame Ermordung von Mehmet Kubasik, die unerträglichen Nazi-Demos und das wirre Auftreten von den Mitgliedern rechter Parteien im Stadtrat sollten ausreichen. Deswegen ist es gut und richtig, wenn auch bei uns Demonstrationen der Solidarität mit George Floyd stattfinden, wenn „Fridays for Future“ wieder auf die Straße geht und Mahnwachen an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren erinnern.
Wir sollten all das als Zeichen lebendiger Demokratie sehen, und zwar auch dann, wenn man im Einzelfall die jeweiligen Ziele nicht teilt. Im Oktober jährt sich die Deutsche Einheit bereits zum 30. Mal. Damals nannte man uns das glücklichste Volk der Welt. Davon sind wir heute weit entfernt. Es wäre schon gut, wenn wir nicht auf dem Weg wären, das unglücklichste Volk zu werden. Wagen wir den Aufstand der Anständigen!
Der Autor, Klaus Wegener, ist Präsident der Auslandsgesellschaft.