Conny Neeb im Velodepot in Huckarde beklagt einen eklatanten Ersatzteil-Mangel. Fahrradketten gibt es momentan nur unregelmäßig.

© Holger Bergmann

Händler und Handwerker in Dortmunds Westen leiden unter Materialmangel

rnRohstoffkrise

Papier, Stahl, Holz, Computerchips – alles Mangelware. Der globale Rohstoffmangel hat Auswirkungen bis in den Dortmunder Westen und bestimmt den Alltag von Handel, Handwerk und Kunden.

Huckarde, Mengede, Lütgendortmund

, 22.10.2021, 17:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Wirtschaft ist weltweit gerade ziemlich durcheinander. Lieferketten sind unterbrochen. Rohstoffe und weiterverarbeitete Produkte sind knapp und nicht verlässlich lieferbar.

Ein Problem, dass es in die Nachrichten geschafft hat, das aber immer noch weit entfernt scheint, solange man nicht tankt oder die Kündigung seines Gasversorgers im Briefkasten hat.

Dabei ist die Rohstoffkrise längst auch in den Stadtteilen des Dortmunder Westens angekommen. Der Alltag von Händlern und Handwerkern ist bestimmt von der eingeschränkten Versorgung. Kunden bekommen längst nicht mehr alles, was sie sich wünschen.

Bestellung aus dem Jahr 2020

In dem Huckarder Fahrrad-Geschäft Velodepot freut sich Conny Neeb. Sie hat gerade eine Lieferung Bremsbeläge bekommen. Nicht so schön: „Die Bestellung war aus dem Jahr 2020“. Jetzt hat sie Bremsbeläge, Fahrradketten fehlen noch.

Conny Neeb kann ihre Kunden nicht so bedienen, wie sie gerne wollte. Und iihr geht der Platz aus, um die reparaturbedürftigen Fahrräder unterzubringen, für die sie keine Ersatzteile hat.

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Ihr Laden steht voller neuer Räder. Wem die Farbe egal ist, oder wer auf das ein oder andere Zubehör verzichten kann, der bekommt auch ein Fahrrad. „Wenn sich der Kunde aber auf ein bestimmtes Modell festgelegt hat“, so Conny Neeb, „dann muss er unter Umständen mit Wartezeiten rechnen“.

Neun Monate Lieferzeit

Zuletzt sei das bestellte Fahrrad eines Kunden erst nach neun Monaten geliefert worden, berichtet sie: „Der Kunde hat den ganzen Sommer, die ganze Radsaison, verpasst“.

Bestellen kann der Huckarder Tischler Karsten Lassek schon lange nicht mehr. „Katalog-Preise der Zulieferer sind alle für ungültig erklärt worden“, so Lassek. „Man kann jetzt nur noch zu Tagespreisen kaufen.“

Sieht Lassek ein Zubehörteil auf einer Plattform, ist der Preis am nächsten Tag bereits ungültig. „Wenn es das Teil dann überhaupt noch gibt“, berichtet Lassek.

Der Borkenkäfer und das Eichenholz

Deshalb ist er täglich auf der Suche nach Laufschienen für Schubladen oder Beschläge für Schranktüren. Auch die Suche nach Holz ist für ihn zu einer Belastung geworden.

Landwirte kaufen Stickstoff-Dünger auf Vorrat ein, weil sie nicht wissen, ob sie nächstes Jahr noch welchen bekommen.

Landwirte kaufen Stickstoff-Dünger auf Vorrat ein, weil sie nicht wissen, ob sie nächstes Jahr noch welchen bekommen. © picture alliance/dpa

Der Grund dafür schein völlig absurd: der Borkenkäfer. Zwar sind die Eichen kein Opfer der Borkenkäferplage geworden. Sondern die Fichten. Aber weil abgestorbene Fichten müssen aus den Wäldern geholt werden müssen, haben die Waldbauern keine Zeit mehr, Eichen zu fällen. Und so wird Eichenholz zur Mangelware.

Abwarten lohnt sich nicht

Obwohl es ziemlich schwer ist, Kosten zu kalkulieren, schätzt Lassek die Lage für Kunden momentan so ein. „Die Kunden müssen nicht mit großen Preissteigerungen rechnen, aber mit Wartezeiten“. Sollte man dann auch die neue Küche verzichten? „Abwarten lohnt sich nicht. Das bleibt noch mindestens ein Jahr so.“

Andere Handwerksberufe sind noch härter betroffen. David Dohm hat in Mengede eine Firma mit dem Namen DD-Trockenbau. Doch Trockenbau betreibt er seit ein paar Wochen gar nicht mehr.

„Als die Entwicklung beim Holzmangel absehbar wurde, bin ich umgestiegen“, sagt David Dohm. Er macht jetzt Innenausbau, macht also Böden und Decken wohnlich, statt Dachböden auszubauen..

Bauern kaufen Dünger auf Vorrat

Werfen wir einen Blick auf die Landwirtschaft: Da stocken die Bauern gerade ihre Düngervorräte auf.

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Nicht weil es den Stickstoff-Dünger gerade im Sonderangebot gäbe. Im Gegenteil: Der Preis pro Tonne ist in den vergangenen Wochen von 280 Euro pro Tonne auf bis zu 800 Euro gesteigert, erklärt Timm Watermann aus Somborn, Sprecher der Bauern im Dortmunder Westen

Die Bauern kaufen trotzdem, denn es ist nicht klar, ob es im kommenden Frühjahr überhaupt Dünger geben wird. Der Grund sind die gestiegenen Öl- und Gaspreise. Die Produktion von Düngemitteln ist energieaufwendig; momentan können die Anbieter Düngemittel nicht wirtschaftlich produzieren.

Papier wird knapp

„Da haben sie jetzt einfach die Produktion eingestellt“, berichtet Timm Watermann. Daher die Verknappung. Und vom hohen Dieselpreis für die landwirtschaftlichen Maschinen will er gar nicht reden.

Noch bekommen die Bauern keine an die Ausgaben angepassten Preise für ihre Produkte, deshalb „fressen die Ausgaben gerade die Einnahmen auf“, so Watermann.

Zuletzt kam auch Papier auf die List der rar werdenden Güter. Bücher sollen knapp werden. Die Buchhändler im Dortmunder Westen spüren momentan zwar noch nichts von einem Buchmangel, bekamen aber eindringliche Post von den Verlagen.

Für das Weihnachtsgeschäft planen

„Wir sollen uns jetzt schon für das Weihnachtsgeschäft eindecken“, sagt Claudia Rohmann von der Buchhandlung Seitenreich in Huckarde. Und deshalb wird bei Seitenreich gerade kräftig bestellt.

„Das ist eine Kunst“, sagt Michael Nau von der Buchhandlung am Amtshaus. „Wir müssen jetzt schon wissen, was die Bestseller im Dezember sein werden.“ Bis dahin soll noch ein neuer Ken-Follett-Roman kommen. „Normalerweise wartet man ab, ob der wirklich ein Renner wird. Diesmal müssen wir vorher bestellen“.

Kunden rät er, in diesem Jahr mit dem Kauf der Weihnachtsgeschenken nicht zu lange zu warten. Bücher könnten dann ebenfalls Mangelware sein.