Händler in Dortmund suchen dringend Azubis Doch Jugendliche haben hohe Ansprüche

Digitale Kampagne gestartet: Händler in Dortmund suchen Azubis
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Hat man früher als Schulabgänger vor einem Vorstellungsgespräch gezittert und alles getan, um nur einen guten und hoch motivierten Eindruck zu machen, gehen den Berufseinsteigern von heute ganz andere Sachen durch den Kopf. „Themen wie Work-Life-Balance, Vier-Tage-Woche oder der Ausschluss von Samstagsarbeit kommen in Vorstellungsgesprächen immer wieder vor“, sagt Paul Spielhoff, Inhaber des Einrichtungshauses Wim Gelhard an der Schliepstraße in der City.

Seit Jahren bildet der Unternehmer aus. „Es wird immer problematischer, noch geeignete Auszubildende zu finden“, sagt Paul Spielhoff. In seinem Betrieb beschäftigt er acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zwei Auszubildende. Wer bei ihm Einzelhandelskaufmann oder -frau werden will muss auch im Verkauf tätig sein. Er oder sie muss also auch samstags arbeiten. „Das“, so Paul Spielhoff, „kommt für viele Jugendliche aber gar nicht erst infrage.“

Der Firmenchef erzählt auch von Probearbeitstagen, zu denen er Jugendliche einlädt und an denen er dann feststellt, dass sie sich der Arbeit, die in einem kleinen Unternehmen anfällt, gar nicht bewusst sind. „Oft höre ich, dass dieses oder jenes doch gar nicht die Aufgabe in einer Ausbildung sei. Und viele lassen sich durch ihr Smartphone immer wieder ablenken“, sagt Paul Spielhoff.

Geringer Bildungsstand

„Es ist echt schwierig geworden“, sagt er, „geeignete Auszubildende zu finden. Es gibt nur wenige, die sich bewerben. Davon haben einige gleich deutliche Forderungen und andere kommen mit einem so geringen Bildungsstand, dass der in der Ausbildung kaum nachzuarbeiten ist. Wenn schon die Grundrechenarten nicht beherrscht werden, wird es schwierig“, so Paul Spielhoff.

Für Ulf Wollrath, den Einzelhandels-Experten der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund, spielt Corona bei all den Punkten eine große Rolle. „Die Pandemie hat bei den Heranwachsenden Furchen gezogen“, sagt er. Der Distanzunterricht habe Auswirkungen auf das Lernen gehabt und die Lockdowns auf das Leben und die Freizeit. „Die jungen Menschen konnten sich nicht so ausleben und wollen sich mit dem Berufseinstieg nicht gleich wieder einengen lassen“, so die Einschätzung von Ulf Wollrath. Und gerade im Handel seien die Erwartungen an flexibles Arbeiten kaum zu erfüllen. Lange Öffnungszeiten und Samstagsöffnungen seien eben die Regel.

Dass der Handel etwas tun muss, um gute Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen, ist für den Handelsverband Westfalen-Münsterland vollkommen klar. Er hat jetzt eine digitale Ausbildungskampagne (www.karriere-handel.de) gestartet. „Als einer der größten Ausbilder in Deutschland steht der Einzelhandel für sehr gute Aufstiegschancen“, meint der Geschäftsführer Thomas Schäfer. Mehr als 80 Prozent seiner Führungskräfte bilde der Handel durch Aus- und Weiterbildung aus den Reihen seiner eigenen Mitarbeiter aus. „Karriere mit Lehre ist im Handel an der Tagesordnung. Gleichwohl gelingt es dem Handel nicht mehr ohne weiteres, motivierte Auszubildende zu gewinnen und alle offenen Stellen zu besetzen.“

Thomas Schäfer ist Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen-Münsterland in Dortmund. Er hofft auf die Unterstützung von Schulen und Politik, um Jugendliche für eine Ausbildung im Einzelhandel zu begeistern.
Thomas Schäfer ist Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen-Münsterland in Dortmund. Er hofft auf die Unterstützung von Schulen und Politik, um Jugendliche für eine Ausbildung im Einzelhandel zu begeistern. © HDE

Während der Handelsverband den Einzelhandel als attraktiven Ausbilder und Arbeitgeber sieht, macht Paul Spielhoff durchaus auch ein Imageproblem aus. „Der Einzelhandel ist für Jugendliche nicht mehr so in“, sagt er. „Oftmals“, stellt auch IHK-Experte Ulf Wollrath fest, „ist eine Ausbildung in einem Handyladen für sie cooler als in einem traditionellen, mittelständischen Einzelhandelsunternehmen.“

Ein Imageproblem

Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) für dieses Jahr vorgenommen, den Ausbau der Berufsorientierung vor allem an Gymnasien zu unterstützen und eine bundesweite Ausbildungskampagne zu starten. Wenn fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler die Hochschulreife erreiche, dann müsse man diese Gruppe gezielter als bisher ansprechen und für eine Ausbildung begeistern.

„Der Handel bietet jungen Beschäftigten mit seinen zwei- und dreijährigen Ausbildungen, den Abiturientenprogrammen und dualen Studiengängen ein besonders abwechslungsreiches Angebot und hervorragende Zukunftschancen“, erläutert Thomas Schäfer vom Handelsverband, „trotzdem ist er auf Unterstützung von Schulen und Politik angewiesen, um die Chancen einer dualen Ausbildung besser zu kommunizieren“.

Er verweist auf die von seiner Organisation jetzt für Dortmund und die Region gestartete Kampagne: „Mit Karriere-Handel haben alle jungen Menschen sowie deren Eltern und Lehrkräfte Gelegenheit, bei der Berufsorientierung den gesamten Handel mit allen Karrierechancen kennenzulernen.“ Erreichbar ist der Handelsverband in Dortmund unter Tel. (0231) 57795-0 oder unter www.hv-wm.de

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