Die Bundesregierung hat sich das ambitionierte Ziel gesteckt, den Gebäudebestand in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Wirtschafts- und Klimaschutz-Minister Robert Habeck (Die Grünen) plant ein schrittweises Verbot von Gas- und Ölheizungen. Schon ab 2024, also in wenigen Monaten, dürfen nur noch Heizungen neu eingebaut werden, die Wärme aus „mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie“ herstellen. Diese Regel trifft alle: private Eigentümer genauso wie Wohnungsunternehmen und Mieter.
Die Entrüstung in Dortmund ist so groß, dass die Chefs des Eigentümerverbandes Haus & Grund, des Spar- und Bauvereins und der Dogewo21 zu einem gemeinsamen Gespräch mit der Redaktion zusammenkamen. Es sprudelte nur so aus dieser in Deutschland bisher ziemlich einmaligen Allianz heraus.
„Die Belastungen werden so unerträglich, dass das, was unsere Aufgabe ist, bezahlbares Wohnen zu gestalten, nicht mehr möglich sein wird“, sagte Dogewo21-Geschäftsführer Klaus Graniki. „Die Idee, Klimaneutralität auch im Gebäudesektor zu erreichen, ist gut, in der Umsetzung aber so nicht machbar“, erklärte Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauvereins. Und als Interessenvertreter privater Eigentümer stöhnte Haus&Grund-Verbandschef Dr. Thomas Bach genauso: „In den kommenden zehn Jahren müssen etwa ein Drittel aller Wohngebäude in Deutschland energetisch deutlich verbessert werden. Das betrifft vor allem die Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern.“
„Wer soll das bezahlen“
Mit dem Gesetz von Robert Habeck soll in nationales Recht umgesetzt werden, was das Europaparlament mit seinem Beschluss vom 14. März gefordert hat: Alle Gebäude in Europa sollen bis 2033 mindestens die Energieeffizienzklasse D erreichen. Eigentümer sollen verpflichtend auf ein klimafreundliches Heizsystem wie eine Wärmepumpe umrüsten. Das in einer Zeit steigender Preise und Zinsen.
Thomas Bach warnt eindringlich vor immensen Kosten und fragt: „Wer soll das bezahlen?“ Sein Verband Haus und Grund nennt, um eine Vorstellung der Kosten zu bekommen, das folgende Beispiel: „Bei einem 140 Quadratmeter großen, komplett unterkellerten Einfamilienhaus mit Spitzdach und 20 Fenstern bei dem das Dach komplett ausgebaut wird, die Fenster und die Hauseingangstür erneuert werden, die Fassade gedämmt und gestrichen wird (und hierfür ein Gerüst aufgestellt werden muss), die Kellerdecke gedämmt wird, die Heizungsanlage ausgetauscht und eine Flächenheizung eingebaut wird, eine Solarthermie-Anlage zur Warmwasserzubereitung und eine PV-Anlage mit Speicher installiert werden, fallen schätzungsweise Kosten von über 200.000 Euro an.

„Selbst bei einer vorsichtigen Schätzung ist bei älteren Gebäuden mit Sanierungskosten von 100.000 Euro zu rechnen. Viele Eigentümer werden das nicht stemmen können. Sie haben sich meist ihre Immobilie als Baustein ihrer Altersvorsorge angeschafft. Diese Altersvorsorge von Millionen Bürgerinnen und Bürgern wird nun vernichtet“, sagt Thomas Bach. Er verweist auf eine Studie nach der im Jahr 2020 etwa 51 Prozent und somit 7,126 Millionen Eigenheime in Deutschland in die Energieeffizienzklassen E bis H fallen.
„Wirtschaftlich nicht haltbar“
Bei den deutschlandweit knapp 20 Millionen Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern ist die Situation zwar etwas besser, aber damit längst nicht weniger dramatisch. Etwa 31 Prozent der Wohnungen gehören zu Gebäuden der Energieeffizienzklassen E bis H. „Gerade diese schlechteren Bestände sind in Dortmund gut vermietet, aber wirtschaftlich nicht mehr haltbar. Sie werden gehandelt und abgestoßen, die Eigentümer-Strukturen sind nicht mehr stabil“, sagt Klaus Graniki. Vor allem die F- bis H-Bestände würden nur noch ausgeschlachtet und gingen dann vom Markt, ergänzt Große-Wilde, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen (ADW) ist. „Jedes fünfte Haus in Dortmund wird vom Markt gehen“, sagt er.
„Das Dramatische daran ist“, so Klaus Graniki, „dass der Neubau nicht nachkommt. Die Bundesregierung konnte ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht halten. Es werden nur 200.000 Wohnungen jährlich in Deutschland gebaut. Vor diesem Hintergrund müsste eigentlich der Bestand gestärkt werden. Das Wirtschaftsministerium geht aber einen Weg, der der Immobilien-Wirtschaft nicht guttut - und dann auch Eigentümern und Mietern nicht guttut. Bezahlbarer Wohnraum fällt massenweise weg.“
„Kalte Enteignung“
Dass in den normalen Investitions-Rhythmus im Laufe des Lebenszyklus einer Immobilie massiv eingegriffen werde, sei verheerend, ist sich das Trio der Immobilienexperten einig. „Mit einer Immobilie verdient man am Ende. Jetzt gibt es keine Phase mehr, in der sich das Investment regeneriert. Mancher Investor ist gezwungen, auszusteigen“, sagt Franz-Bernd Große-Wilde.
Bezüglich privater Eigentümer kommt in der Runde auch das Wort von der „kalten Enteignung“ auf. Die Immobilie als Wertanlage sei jetzt eher ein Risiko als eine Absicherung. „Statt Schritt für Schritt vorzugehen, werden große Ziele ausgerufen, die nicht erreichbar sind und am Ende den sozialen Frieden gefährden“, sagt Thomas Bach und sorgt sich um die Bezahlbarkeit des Wohnens.

Franz-Bernd Große-Wilde und Klaus Graniki stellen noch klar, dass sie den Klimaschutz unbedingt unterstützen und ja bereits jedes Jahr zweistellige Millionensummen in die energetische Sanierung ihres Gebäudebestands stecken. Grundlage sei immer die Wirtschaftlichkeit. „Wenn wir nun als Dogewo21 über das geplante, riesige Investitionsvolumen hinaus noch sanieren sollen, brauchen wir Geld von der Öffentlichen Hand“, so Klaus Graniki.
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