Die Familie Overkamp besucht traditionell seit 120 Jahren an ihren Ruhetagen vor Weihnachten den Weihnachtsmarkt. Ich persönlich noch nicht ganz so lange. Aber schon ziemlich lange. Früher mit kalten Fingern am Kinder-Karussell, heute mit warmen Fingern an der Glühweintasse.
Der Duft von Glühwein, gebrannten Mandeln und Clementinen gehört einfach dazu. Und natürlich Schinkenbrötchen. Oder alles zusammen. Wir wollen ja mal den Anlass nicht vergessen: Weihnachtsstadt DO!
Der Glühwein kann so und so schmecken. Wann schmeckt er „lecka“? Erstmal: Wenn er heiß ist. Aber Achtung! Bei etwas über 60 Grad verfliegt der Alkohol und dann ist nicht nur der Lustigmacher weg, sondern auch der Geschmacksträger.
Nur ganz kurz auf 70 Grad
Wenn man den Glühwein selbst macht, neigt man dazu, ihn aufkochen zu lassen. Ganz falsch! Am besten bereitet man ihn zeitnah zu, wenn man ihn auch trinken will. Dann kann man ihn nämlich ganz kurz bis 70 Grad bringen, was besser schmeckt als 60 Grad.
Warum ist westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber - und über manches mehr - schreibt der Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne „Overkamps Lecka-reien“. Hier finden Sie alle Folgen.
Mein Lieblings-Rezept für selbst hergestellten Glühwein verrate ich gleich, aber erst mal das Wichtigste: Es muss Wein vom Winzer sein! Das ist nicht selbstverständlich, denn 98 Prozent des Glühweins, der in Deutschland getrunken wird, ist Fabrikwein, Massenware.
Viel schlechter Wein auf dem Markt
Oft in wunderschönen Flaschen, wie bei Prosecco, mit Prägung und Kordel. Aber drinnen ist zusammengerührte billige Plörre. Es ist eine unglaubliche Menge von qualitativ schlechtem Wein auf dem Markt.
Es gibt viele Winzer, die heute ihren Wein fertig als Glühwein in der Flasche präsentieren. Das kann ich durchaus empfehlen. Sie nehmen nämlich ihren eigenen Wein und stimmen ihn fein ab mit Gewürzen und Fruchtaromen.
Und dann hat der Glühwein ja auch noch ein paar Veredelungs-Stufen. Sobald ich einen „Schuss“ reingebe - also Rum, Weinbrand oder Amaretto - habe ich einen Punsch. Ich selbst favorisiere Rum und Orangensaft und dann noch ein bisschen Grand Manier oder Cointreau.
Ein himmlisches Teufelszeug
Die nächste Steigerungsstufe kann gefährlich werden: die Feuerzangenbowle. In dem Filmklassiker mit Heinz Rühmann wird sie zurecht „himmlisches Teufelszeug“ genannt.
Man stellt einen Glühwein mit wenig Zucker her, gibt Orangen- und Zitronenzesten dazu, vielleicht auch Orangensaft. Und dann wird ein Zuckerkegel über einer Zange auf das Glühwein-Gefäß gelegt, mit hochprozentigem Rum übergossen und angezündet, so dass der Zucker langsam in den Wein tropft.
Das schmeckt unwiderstehlich lecker. Kann aber böse enden. Ich hab das mal zelebriert über einem Kupferkessel für eine Veranstaltung in unserer Hütte. Die Gäste hatten das gewünscht. Ich fand das auch toll. Zuerst jedenfalls. Man trinkt viel davon, weil es so gut schmeckt.
Gäste kippten aus den Latschen
Aber dann: Der Alkohol mit dem Zucker wirkt als Turbo. Eine Art Druckbetankung. Im geschlossenen Raum merkst du nicht, wie er dir zu Kopf steigt. Als die Gäste dann rausgingen an die Luft, sprang der Teufel aus dem himmlischen Getränk: Sie sind reihenweise aus den Latschen gekippt. Nie nie nie wieder mache ich Feuerzangenbowle!
Mein Lieblings-Rezept
Hier ist mein weniger gefährliches Glühwein-Rezept:
1 Liter Rotwein (trocken), 2 saftige Orangen ungespritzt in Scheiben geschnitten, dazu Saft von 2 Orangen, 70 Gramm Zucker, 5 Nelken, 2 Stangen Zimt, 1 Sternanis (ganz).
Den Zucker auf dem Topfboden langsam leicht (!) karamellisieren lassen, mit dem Rotwein und dem Saft „ablöschen“, Gewürze hinzu und 10 Minuten heiß halten, dann sofort servieren!
In diesem Sinne: Bis denne!
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