Dortmunds Beteiligung am Stromproduzenten wird viel diskutiert, die Politik ist unterschiedlicher Meinung. © picture alliance / dpa
Energiewirtschaft
Energieversorger Steag: Die Partner steigen aus - aber Dortmund geht seinen eigenen Weg
Fünf der sechs kommunalen Eigentümer ziehen sich aus dem Stromproduzenten Steag zurück. Die Dortmunder Stadtwerke bleiben dabei - und legen 56 Millionen Euro bereit. Was sagt die Politik?
Für SPD-Fraktionschef Norbert Schilff ist die Beteiligung an Steag „ein wichtiger Teil der kommunalen Daseinsvorsorge.“ Unter dieser Überschrift hätten die Ruhrgebiets-Stadtwerke Steag von Evonik 2011 und 2014 in zwei Tranchen übernommen. Die Kommunalen hätten verhindern wollen, dass der Energieversorger in private Hände falle, so Schilff. „Ich bin sicher, dass die anderen Stadtwerke ihre Anteile heute nicht verkaufen würden, wenn in den Vorständen und Rathäusern noch die Akteure von damals das Sagen hätten.“
Er wünsche sich zwar weiterhin kommunale Partner, halte das aber zurzeit „für nicht sehr realistisch.“ Wichtig sei, dass DSW21 auch nach dem Eintritt eines Privatinvestors einen Anteil von „wenigstens 25,1 Prozent“ behalte. „Wir möchten an der künftigen Ausrichtung von Steag beteiligt werden“, sagt Schilff. Steag, mit der Stromerzeugung durch Steinkohle groß geworden, befinde sich im Umbau „zu einem klimaneutralen Unternehmen“. Inzwischen flössen rund 50 Prozent der Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien und dezentraler Anlagen. „Den Prozess möchten wir weiter begleiten." Schilff: „Auf Atomstrom aus Frankreich habe ich keinen Bock."
“Beteiligung ist kein finanzielles Fiasko“
„Wir wollen einen finanzstarken Partner, der sich in der Energiewirtschaft auskennt, Fachwissen mitbringt und das Unternehmen strategisch weiterentwickelt“, sagt Ulrich Monegel, Chef der CDU-Fraktion. "Was wir nicht wollen, ist, dass kommunale Anteilseigner in der Mehrheit bleiben." Das habe die CDU bereits vor acht Jahren beim Kauf des Essener Energieunternehmens sehr deutlich formiliert. Die Dortmunder Stadtwerke (DSW21) sollten weiter an Steag festhalten, sagt Monegel. „Es gibt keinen Grund wegzulaufen, die Beteiligung ist kein finanzielles Fiasko." Das Unternehmen habe Perspektive, so der CDU-Fraktionschef.
Steag verfüge über "leistungsstarke, modernisierte Kraftwerke". Bleibt es beim Kohle-Ausstieg bis 2038, fallen für Kraftwerksschließungen nach Einschätzung von Monegel möglicherweise hohe Entschädigungszahlungen an. Und: Je mehr Anlagen vom Netz gingen, „desto knapper und teurer“ werde Energie. Zudem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass Steag einen Transformationsprozess hin zu den Eneuerbaren eingeschlagen habe.
Ein großer Teil der Investitionen werde beispielsweise in Windparks und Erdwärme-Projekte (Geothermie) gesteckt. Befürchtungen, DSW21 als städtisches Unternehmen könne mit risikoreichen Auslandsgeschäften schnell ans finanzielle Limit geraten, teilt Monegel nicht. „Das lässt sich mit einem neuen Gesellschafter vertraglich regeln.“
Mehr Skepsis als Zuversicht bei den Grünen
"Mehr Risiken als Chancen" sehen die Grünen in der Steag-Beteiligung. Sie plädieren dafür, dass die Dortmunder Stadtwerke sich den anderen fünf Ruhrgebietsstadtwerken anschließen, ihre 36 Prozent-Anteile verkaufen und das Steag-Abenteuer beenden. Dass DSW21 noch einmal 56 Millionen Euro für die Refinanzierung des insgesamt 1,2 Milliarden Euro teuren Kaufs zur Verfügung stelle – „das halten wir für die falsche Entscheidung“, sagt Grünen-Fraktionssprecherin Ingrid Reuter. Die Geschäftsentwicklung bei Steag sei schlecht.
Hinzu komme, dass einige Banken "eine andere Finanzierung" wünschten – oder sogar „ganz aus dem Steag-Deal hinauswollen.“ Das mache eher skeptisch statt zuversichtlich. Nicht weniger kritisch sehen die Grünen das Festhalten an den heftig umstrittenen Steinkohle-Kraftwerken. "Wir glauben auch nicht, dass Steag durch den Einstieg eines Privatinvestors die Wende zu einem klimafreundlichen Unternehmen schaffen wird", sagt Reuter. „Das ist schon in kommunaler Trägerschaft nicht gelungen."
Weltweit 6400 Beschäftigte
Geht es nach den Linken & Piraten, sollen bei Steag auch künftig öffentlich-rechtliche Gesellschafter das Sagen haben. „Das kann theoretisch auch ein Bundesland sein“, findet Fraktionschef Utz Kowalewski. „Eine Privatisierung jedenfalls macht alles nicht besser.“ Auch er sieht Steag als „ein Unternehmen der Daseinsvorsorge“. Zudem gelte es, die Arbeitsplätze zu sichern. Steag hat weltweit 6400 Beschäftigte, davon 3400 in Deutschland und 2100 in NRW. „Wenn schon eine private Beteiligung, dann nur als Minderheitsgesellschafter“, stellt Kowalewski klar. Innerhalb des kommunalen Konsortiums der sechs Ruhrgebiets-Stadtwerke sei „vieles falsch gelaufen“.
Auch der Linken-Fraktionschef verweist darauf, dass Steag eine Reihe von Steinkohlekraftwerken bereits geschlossen habe. Etwa in Lünen. Gleichzeitig habe das Unternehmen seine CO2-Bilanz „um die Hälfte verbessert“, argumentiert Kowalewski. Alle Weichen für die Neuausrichtung zu einem "klimafreundlichen Unternehmen" seien gestellt. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage von Steag hätten die kommunalen Eigentümer in den vergangenen Jahren auf eine direkte Dividende verzichtet. Das sei aber nicht von Dauer, so Kowalewski. 2021 soll wieder eine erhöhte Ausschüttung an die Gesellschafter überwiesen werden.
Steag-Kauf ein „ordnungspoliticher Sündenfall“ (FDP)
Für die FPD/Bürgerliste bleibt der damalige Steag-Kauf durch (kommunale) Stadtwerke ein ordnungspolitischer Sündenfall. „Dennoch sind wir nicht bereit, die 36 Prozent-Anteile von DSW21 jetzt unter Wert zu verkaufen“, betont Fraktionschef Lars Rettstadt. Durch die Ausrichtung auf die erneuerbaren Energien und die neue Anschlussfinanzierung mit den Banken werde Steag mittel- und langfristig wieder Gewinne einfahren. FDP/Bürgerliste erwarten, dass „primär private Partner und Investoren gesucht werden.“ Eine kommunale Beteiligung dürfe 50 Prozent in keinem Fall überschreiten. Die Liberalen führen noch einen Aspekt ins Feld: Im Gegensatz zu den anderen kommunalen Partnern "bekennt sich Dortmund zu Steag", sagt Rettstadt. Und genau deshalb müsse der Hauptsitz des Unternehmens auch nach Dortmund verlegt werden.
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