Eigentlich sind die Haushaltsberatungen im Dortmunder Finanzausschuss eher dröge. Doch in der letzten Sitzung zum Etat 2023 vor der Ratssitzung am Donnerstag, 9.2., wurde es plötzlich lebhaft. Es ging um Sex.
Oder besser um den kommunal besteuerten Sex. Und die Frage: Wie kann das Steueramt ein Bordell von einem Swinger-Club unterscheiden?
Die Fraktion FDP/Bürgerliste hatte zum wiederholten Mal den Antrag gestellt, die vor gut zwölf Jahren eingeführte Sexsteuer abzuschaffen. Mindereinnahmen bei Aufhebung zum 1. Juli: 210.000 Euro im laufenden Jahr, je 420.000 Euro in den Folgejahren.
Es gebe keine sozialpolitische Begründung für die Sexsteuer, argumentierte Michael Kauch, Fraktionschef von FDP/Bürgerliste. Auch ordnungspolitisch sei sie nicht erforderlich, da die Prostitution durch das Ordnungsrecht bereits so weit eingeschränkt sei, dass eine zusätzliche Steuer keine Lenkungswirkung mehr habe.
Kollateralschaden
Zudem habe die Sexsteuer einen Kollateralschaden verursacht; denn auch Swinger-Clubs, FKK-Bars und andere Etablissements, die allein zur Anbahnung von nicht kommerziellen Sexkontakten, aber nicht zur Prostitution dienen, werden besteuert. Das habe mit dazu geführt, so Kauch, dass mehrere Bars für schwule und bisexuelle Männer hätten aufgeben müssen.
Um eine differenzierte Abstimmung zu ermöglichen, beantragte FDP/Bürgerliste die Abschaffung der Sexsteuer getrennt abzustimmen nach
a) Prostituierten und Betrieben, die der Prostitution dienen, und
b) nach Betrieben, die nur Räume für nicht-kommerzielle Kontakte bieten, wie zum Beispiel Swinger-Clubs und Darkroom-Bars.
Und damit beginnt das Problem für die Mitarbeiter von Stadtkasse und Steueramt. Zum Hintergrund: Für jede angefangenen zehn Quadratmeter Veranstaltungsfläche werden pro Veranstaltungstag 4 Euro fällig, bei Prostitution kommen noch 6 Euro pro Prostituierte obendrauf.
Rechtliches Problem
Würde man nun auf die Flächen-Besteuerung von Einrichtungen wie Swinger-Clubs und Darkrooms verzichten, würden sich zum Beispiel auch Sauna-Clubs vordergründig für beide Geschlechter öffnen und ebenfalls zu Etablissements für nicht kommerziellen Sex erklären, erläuterte ein Mitarbeiter von Stadtkasse und Steueramt.
Dagegen sei die Stadt machtlos; denn wenn sich ein Sauna-Club, zu dem Frauen – außer Prostituierten – keinen Zutritt haben, zum Swinger-Club umfirmiere, „könnten wir nicht nachweisen, ob es sich dort um weibliche Gäste oder Prostituierte handelt.“ Deshalb solle man die Sexsteuer entweder ganz oder gar nicht abschaffen, riet der Stadtmitarbeiter.
Stadtkämmerer Jörg Stüdemann, der die Sexsteuer in beiden Fällen verteidigte, sprach von einem „rechtlichen Problem. Die Auslegung kann missbräuchlich geführt werden.“ Doch Kauch überzeugte das nicht.
Man könne Swinger-Clubs durchaus von Bordellen unterscheiden, sagte er: „Wenn wir alles besteuern, was praktikabel ist, damit die Verwaltung weniger Arbeit hat, würde Besteuerung in Dortmund anders aussehen.“
Moralvorstellungen würden über das Steuerrecht in die Bürgerschaft gerückt.
Hohe Folgekosten
Das wies der Kämmerer zurück: „Wir haben nie so argumentiert, dass es um Moralvorstellungen oder eine Steuerungsfunktion geht.“
Anlass für die Einführung der kommunalen Sexsteuer seien die hohen Kosten gewesen, die die Stadt als Folge der Prostitution im Gesundheits- und Sozialbereich habe.
Die Grünen, Die Linke+ sowie „Die Fraktion“ der Satire-Partei „Die Partei“ stimmten mit FDP/Bürgerliste für die komplette Abschaffung der Sexsteuer, doch der Finanzausschuss lehnte das mehrheitlich mit den Stimmen von SPD, CDU und AfD ab.
Die Begründung von AfD-Fraktionschef Heiner Garbe sorgte einmal mehr für missbilligendes Raunen. Mit Blick auf geschlossene Läden, die allein zur Anbahnung von Sexkontakten gedient hatten, sagte er: „Die Sexsteuer hat eine moralisch-ethische Disziplinierung gebracht. Deshalb sollten wir die Sexsteuer so lassen, damit sich eine bestimmte Klientel nicht austoben kann.“
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