Ohne die Besitzer des ehemaligen Guts Reichsmark in Syburg wäre der Dortmunder Süden um viele Sehenswürdigkeiten ärmer. Die Familie Overweg, die das riesige Gelände in der Reichsmark seit 1849 besaß, beteiligte sich in an der Entstehung und am Erhalt von St. Peter zu Syburg, Vincke-Turm, Burgruine mit Kriegerdenkmal und Kaiser-Wilhelm-Denkmal.
Klaus-Peter Schulte, der leidenschaftlich zum Gut Reichsmark und zur Entstehung des Syburger Golfplatzes recherchiert, hat die Geschichte und die Verdienste der Familie Overweg akribisch zusammengetragen.

Älteste Kirche in Dortmund
An der Alten Kirche in Syburg, Dortmunds ältestem Sakralbau, konnte er jetzt ein neues wichtiges Puzzle-Teilchen der Reichsmark-Geschichte hinzufügen. Hoch oben im Glockenturm, wo nur selten ein Sterblicher Zutritt hat, fand er die erhofften Zeugnisse einer großzügigen Spende der letzten Gutsbesitzerin Jutta Overweg: eine fast 600 Kilogramm schwere Bronzeglocke mit einer speziellen Inschrift.
Das Schwergewicht kostete damals 4.740 DM. „Heute würde sie nach Aussage der Glockengießerei 22.000 Euro kosten“, hat Klaus-Peter Schulte herausgefunden.

Jutta Overweg hatte der evangelischen Kirchengemeinde eine große Geldsumme gespendet, um eine Glocke von 1850 zu ersetzen, die im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde. Die Ersatzglocke mit einem Durchmesser von einem Meter sollte geläutet werden, wenn jemand stirbt und sie sollte den Namen ihres Vaters tragen.
1960 wurde das Stück in Auftrag gegeben und nach eineinhalb Jahren fertiggestellt. Pfarrer Hermann Rüter beauftragte die Glocken- und Kunstgießerei Rincker mit den Inschriften: „Credo unam sanctam ecclesiam A.D. MCMLXI“ (Ich glaube an die eine heilige Kirche, im Jahre des Herrn 1961) und auf der anderen Seite „In memoriam Adolph Boelling Overweg 1875-1953“.
Expedition in die Höhe
Mehr als 60 Jahre später sind die Inschriften noch gut zu sehen, wie Reichsmark-Experte Schulte nun dank der Genehmigung durch die Kirchengemeinde Syburg - Auf dem Höchsten eigenhändig überprüfen konnte. Im staubigen Dachstuhl von St. Peter hängt die gespendete Glocke neben zwei weiteren Bronzeglocken aus den Jahren 1584 und 1681.
Um sie untersuchen zu können, ging es für Schulte, der beruflich in Sachen Sicherheitstechnik für den untertägigen Bergbau im Einsatz ist, ausnahmsweise in die entgegengesetzte Richtung: auf den 1169 erbauten Wehr- und Glockenturm der St. Peter Kirche.


Vom Kirchenraum aus führt eine Steintreppe nach oben. Auch von dort ist das Vermächtnis Jutta Overwegs sichtbar: Nach dem Krieg hatte sie laut Schultes Recherchen rund 50.000 DM für den Wiederaufbau des Langhauses gespendet, das 1945 durch eine Fliegerbombe völlig zerstört worden war.
Durch einen schmalen Treppenaufgang im Turm gelangt man zu einem Andachtsraum in der ersten Etage mit historischen Exponaten und weiter in einen recht schmucklosen Turmraum. Über eine acht Meter hohe Leiter kletterte Klaus-Peter Schulte von dort durch eine Deckenklappe in den Dachstuhl.
Der abenteuerliche Aufstieg bescherte ihm nicht nur einen grandiosen Ausblick, sondern auch einen Blick auf vergessene Zeiten in Gestalt eines rostigen Glockenspiels und alten Uhrwerks. Im abenteuerlich konstruierten Glockenstuhl aus einem Wirrwarr kreuzender Balken und Holzleitern stieß der Historiker schließlich auf die gesuchte Glocke mit der Overweg’schen Inschrift.

Auch an anderer Stelle sind die Verdienste der Familie für ihre Heimat vielfach dokumentiert. So geht die Initiative zum Bau des Vincke-Turms weitgehend auf den Politiker und Großindustriellen Carl Overweg (1805-1876) zurück. Er war Vorsitzender des Komitees und hielt am 12. August 1857 die Einweihungsrede.
Sein Sohn August (1836-1909) wurde 1887 zum ersten Landeshauptmann der Provinz Westfalen gewählt und war 1888 Mitinitiator der Inventarisierung aller Bau- und Kunstdenkmäler in Westfalen. Er trieb die Errichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals maßgeblich voran und hielt die Eröffnungsrede vor Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen.
Bismarck-Statue gespendet
Sein Bruder, Adolph Heinrich Overweg (1838-1918), unterstützte das Vorhaben und machte sich ebenfalls um St. Peter verdient. 1896 schenkte er der Kirche eine neue Orgel.
Auch die vorletzte Generation auf Gut Reichsmark, Adolph Boelling-Overweg (1875-1953) spendete großzügig zum Wohl von Reichsmark und Syburg. Er vermachte der Gemeinde unter anderem eine monumentale Bismarck-Statue, die Jahrzehntelang im Park des Guts gestanden hatte. Der Erlös in Höhe von rund 10.000 Mark soll für den Kauf eines romanischen Taufsteins verwendet worden sein.

Mit Jutta Overwegs Tod 2015 endete die Familiendynastie. Sie wanderte nach Argentinien aus, blieb aber der Syburger Heimat verbunden. Das bezeugt auch der Name ihres Pferdegestüts in der Sierra de la Ventana: „Estancia Reichsmark II“.
„Ohne Jutta Overweg hätte es den Dortmunder Golfplatz in der Reichsmark nie gegeben“, erzählt Klaus-Peter Schulte. Der Deal sei durch ihre Freundschaft zu dem ehemaligen Schatzmeister Hermann Bröckelschen zustande gekommen. 1957 verpachtete Jutta Overweg das Reichsmark-Gelände an den Club.
Der Gutshof stellte sogar Landmaschinen für den Bau des Golfplatzes zur Verfügung, als die Anlage nach den Plänen des Golfplatz-Architekten Dr. Bernhard von Limburger gestaltet wurde.

Von dem eindrucksvollen Gutshof ist kaum etwas geblieben. Aber dank der Spende von Jutta Overweg hallt die Ära Overweg heute noch nach, wann immer die Glocken in St. Peter läuten.
Klaus-Peter Schulte freut sich über jegliche Information zum Gut Reichsmark oder zur Familie Overweg. Er bittet um Zuschrift (Freiligrathstraße 17, 44141 Dortmund) oder Anruf unter Tel. (0231) 531 17 99 oder 0152-04 97 03 38.
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