Gibt es den Sommerschlussverkauf noch in Dortmund? Shoppen im Selbsttest für 200 Euro auf dem Westenhellweg

Wir machen den Schlussverkauf-Test: Eingekleidet für unter 200 Euro
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Ja, lebt denn der alte Schlussverkauf noch? Vor genau 20 Jahren hat der letzte reguläre Schlussverkauf in Dortmunds City stattgefunden. Bis Juni 2004 war es den Kaufleuten nur erlaubt, ab dem letzten Montag im Juli Waren im sogenannten Sommerschlussverkauf (SSV) zwölf Tage lang vergünstigt anzubieten. Das Gleiche galt für den Winterschlussverkauf im Januar. Beides diente dazu, die Lager zu räumen und Platz für neue Saison-Ware zu machen.

„Ich erinnere mich noch daran, wie sich die Massen in Dortmund vor Karstadt, Hertie oder Horten gedrängt und gedrängelt haben“, sagt Thomas Schäfer, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Westfalen-Münsterland, der in Dortmund sitzt, im Gespräch mit unserer Redaktion. Sogar zu Blessuren und Handgreiflichkeiten kam es vor (noch) verschlossener Tür und beim Ansturm auf die Wühltische. „Aber das ist schon lange vorbei.“

Trotzdem ist die Zeit Ende Juli das bevorzugte Kalender-Terrain für Schnäppchen-Jäger – das ist sowohl den Kaufleuten als auch den Kunden in Fleisch und Blut übergangen. „Für viele Handelsunternehmen aus der Textil- und Bekleidungsbranche und auch für viele Baumärkte, Möbelhäuser, Sporthändler und Elektrogeschäfte ist der Schlussverkauf immer noch eine gute Möglichkeit, mit besonderen Angeboten gezielt auf die Kunden zuzugehen. Ob Saisonende oder Jubiläum, ob ein schwarzer Freitag oder ein digitaler Montag, ein Aus-, Räumungs- oder Umbauverkauf oder sonst ein Anlass für Rabatte genutzt wird – für die Verbraucher lohnt es sich immer, wertige Waren zu günstigen Preisen zu finden“, sagt Thomas Schäfer.

Überall Rabatt-Angebote

In der Tat leuchtet fast jedes Schaufenster auf dem Westen- oder Ostenhellweg rot-orange. Und auch auf der Kampstraße weisen Schilder auf Rabatte hin – 50 Prozent sind die Regel, manche Läden versprechen bis zu 75 Prozent Nachlass. Auch wenn das Ganze nicht mehr Schlussverkauf heißt: Redakteur Georg Thanscheidt hat den Selbsttest gemacht. Schafft er es, sich für weniger als 200 Euro komplett neu einzukleiden? Und wie viel spart er dabei?

Vorher: Orange Jacke, weißes Hemd, Jeans, schwarze Leserschuhe - Georg Thanscheidt ist bereit für einen neuen Look.
Vorher: Orange Jacke, weißes Hemd, Jeans, schwarze Lederschuhe – Georg Thanscheidt ist bereit für einen neuen Look. © Marie Ahleres

Die orange Jacke ist in die Jahre gekommen, das einst weiße Hemd hat hartnäckige Flecken, Jeans und Schuhe langweilen mich – Zeit für was Neues: Ein neues weißes Hemd, eine dunkle Hose, eine regentaugliche Jacke und ein neues Paar Schuhe müssen her. Ich mache das, was mündige Verbraucher tun sollten: Bewaffnet mit Stift, Block und Handy ziehe ich los, um Preise und Rabatte zu vergleichen. Und werde doch zwischendurch schwach. Aber dazu später mehr.

Um einen Überblick zu bekommen, starte ich bei C&A und Karstadt und schaue mich dann weiter in der City um. Bei C&A am Ostenhellweg locken laut Aushang bis zu 70 Prozent Rabatt. Aus nicht näher erklärten Gründen soll das die „letzte Chance“ sein. Einige Sonderposten empfangen mich bereits im Erdgeschoss, die eigentliche Rabattschlacht findet aber im Untergeschoss statt. Für dieses Areal hat irgendein Einzelhandel-Management-Guru in den 70ern den Begriff Aktionsfläche erfunden. Viel los ist hier nicht, aber die Damen-Artikel sind in der Tat deutlich im Preis herabgesenkt: 14,99 Euro für ein Blumenkleid, 4,99 Euro für ein Top, bei Aktionsware für 3 Euro kann ich nicht ermitteln, ob es sich um Röcke, Halstücher oder Topflappen handelt. Bei den Herren gibt es Hosen ab 9,99 Euro.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Galeria, dem Kaufhaus, das für die meisten Dortmunder auf ewig Karstadt sein wird. Bis zu 70 Prozent werden hier geboten. In den Abteilungen für Damen- und Herrenoberbekleidung sind viele Artikel bereits um 30 bis 50 Prozent reduziert – Aushänge versprechen „zusätzlich 30 Prozent auf bereits reduzierte Ware“. Viele Tische sind schon leer. Ein Damen-Shirt ist von 18 auf 13 Euro reduziert – minus 30 Prozent würde es jetzt nur 9,10 Euro kosten. Adidas-Sneaker sind auf 55 Euro herabgesetzt, Mustang-Jeans kosten lediglich 65 Euro. Ein Esprit-Kleid kostet nur 80 statt 100 Euro.

Gegenüber bei Salamander versuchen läppische zehn Prozent, mich in den Laden zu locken, der bald „mit neuem Konzept“ wiedereröffnen wird. Der Rabatt-Reigen zieht sich weiter Richtung Westenhellweg – wo Wormland mit 30 Prozent auf Boss-Artikel und 20 Prozent auf ausgesuchte Hemden wirbt.

Zahlreiche Händler locken auch mit Rabatt-Varianten: Mango gibt Rabatt, wenn man seine Adressdaten angibt, S’Oliver gibt an, zusätzlich zu den bereits ausgehängten 50 Prozent Nachlass noch einmal 20 Prozent abzuziehen, wenn man sich zu ihrem Kartenprogramm anmeldet. Vero Moda bietet ein komplettes Outfit – Oberteil, Unterteil, Top, Accessoire – zum Preis von 75 Euro an. Aber nur, wenn es nicht teurer als 90 Euro ist. Ich verstehe, was Thomas Schäfer meint: Der Schlussverkauf ist nicht tot, er heißt nur anders.

Richtung Lütgenau verspricht auch Ulla Popken 40 Prozent Rabatt – eine Hose kostet dann statt 70 Euro nur 42. Zeeman gegenüber verspricht generell 65 Prozent Rabatt – „wir kaufen achtsam ein, sodass nicht mehr viel Luft für den Schlussverkauf bleibt“.

Farbe für die Füße

Auch Only und Comma können günstig, ich werde gegenüber bei Görtz zum ersten Mal fündig: An den Schuhkartons weisen farbige Punkte auf 40, 50 oder 60 Prozent Nachlass hin. Ich kaufe als erstes Goretex-Schuhe, die ursprünglich 120 Euro gekostet haben, für 60 Euro. Sie sind knallrot – ein guter Kontrast zu den gedeckten Tönen, die ich für die Oberbekleidung ins Auge gefasst habe.

Ein Schnäppchen, dachte ich. Dann komme ich bei Deichmann am Westenhellweg vorbei, die plakatiert haben, dass sie 75 Prozent Nachlass geben. Ebenfalls chice Adidas-Sneaker kosten statt 85 Euro nur die Hälfte. Nicht gut, dass ich nicht konsequent verglichen habe.

Bei Mango – wo ich testweise meine persönlichen Daten angebe – habe ich mich in die dunkelblaue Hose „Pisa“ für 28 Euro verliebt, die gut passt – mir aber als eingefleischter Jeans-Träger erneut vor Augen führt, dass ich mit Konfektionsgrößen überfordert bin. Aber die Levi’s 501, die im Laden am Westenhellweg nur 60 statt 120 Euro kostet, war mir an den Oberschenkeln serienmäßig zu schmuddelig. Da kann ich ja meine alte behalten.

Nachher; Georg Thanscheidt in Hilfiger-Jacke, Mango-Hose, Olymp-Hemd und Goretex-Schuhen - für 178 Euro.
Nachher; Georg Thanscheidt in Hilfiger-Jacke, Mango-Hose, Olymp-Hemd und Goretex-Schuhen – für 178 Euro. © Marie Ahlers

Generell gewinnt man den berechtigten Eindruck, dass in einigen Sale-Bereichen vor allem Sondergrößen und Design-Fehlversuche liegen. Umso erfreuter war ich, als ich bei Anson’s auf ein weißes Hemd von Olymp stoße, das von 70 Euro auf 30 reduziert wurde. Angeblich ist es ein City-Hemd. Aber die verdeckte Knopf-Leiste und das Klapp-Krägelchen prädestiniert es für die schicke Abendgarderobe. Zu meinem einzigen Dreiteiler passt es bestimmt.

Was auffällt: In der Thier Galerie finden sich in Laufweite viele Geschäfte mit Rabatt-Angeboten: Guess bietet 50 Prozent, Hollister 30 Prozent auf Sportbekleidung. Marc O’Polo verspricht zusätzliche 15 Prozent und 10 Prozent-Extra-Nachlass für Studierende. Bei Olymp blickt Gerard Butler hinter 50 Prozent-Stickern hervor, bei Pimkie kostet ein Longshirt 9 Euro. Oft muss man die Angebote im Laden aber erst mal finden.

Schuhe, Hose und Hemd habe ich – fehlt nur noch eine wind- und wettertaugliche Jacke. Nicht unbedingt Komplett-Plastik wie mein Straßenreinigungsmodell. Aber vielleicht etwas, das das Rot der Schuhe aufgreift. Ich bin schon fast wieder auf dem Westenhellweg, als ich erneut bei Anson’s eine dunkelblaue Windjacke von Tommy Hilfiger erblicke – reduziert von 130 auf 60 Euro. Anprobiert, bezahlt, eingepackt.

Meine Bilanz: Jacke 60 Euro, Hemd 30 Euro, Hose 28 Euro, Schuhe 60 Euro. Ein Komplett-Outfit für 178 Euro. Die Hose hat ursprünglich 50 Euro gekostet – insgesamt habe ich also 192 Euro gespart. Es gibt ihn noch, den guten alten Schlussverkauf.

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