Monatelang lief die im verschachtelten Gebäudekomplex des Westfalenforums ganz versteckt liegende Rolltreppe - und lief und lief, aber kaum jemand nutzte sie. Rund um die Uhr war die Rolltreppe in den Jahren 2015/2016 in Betrieb, ohne dass irgendwo ein Mensch in Sichtweite war. Unablässig fuhr sie niemanden in das Kellergeschoss und es kam auch niemand von dort hoch.
Dass sie in dieser Geisterkulisse des großen, damals fast völlig verlassenen Freizeit- und Einkaufscenters an der Kampstraße/Hansastraße trotzdem als unverzichtbar galt, verdankte sie dem Hotel Mercure. Für dessen Gäste, so hieß es, führe der Zugang zum Hotel über diese Rolltreppe.
Irgendwann wurde die Rolltreppe dann trotzdem gestoppt. Das Westfalenforum blieb aber das Leerstands-Sorgenkind der Stadt. 2020 schien es für die Geisterimmobilie nur noch eine Lösung zu geben: den Abriss. Es sei „ein Abbruch und eine städtebauliche Neuordnung des Gebäudekomplexes mit einer kleinteiligen Mischnutzung aus Wohnungen, Büros und Einzelhandel geplant“, hieß es im November 2020 seitens des Dortmunder Planungsamtes.
Appelrath Cüpper auf der Suche
Es passierte aber nichts. Die trostlose Immobilie, in der im Erdgeschoss ein Bäcker, ein kleiner Spiele-Laden und eine Postbank-Filiale die letzten Mieter waren, blieb stehen. In den oberen Etagen und zur Hansastraße hin hatten in dem ehemaligen Kaufhaus Horten noch das besagte Mercure-Hotel, ein privates Bildungszentrum, ein Fitness-Studio und die Diskothek Nightrooms die Stellung gehalten.
Im April 2024 küsste der Damenmode-Händler Appelrath Cüpper die Geisterimmobilie wach. Die weit über 3.000 Quadratmeter leer stehender Verkaufsflächen im Erd- und Untergeschoss kamen für das Kölner Unternehmen wie gerufen. Weil der Mietvertrag für den jahrzehntelangen Standort am Westenhellweg zum Jahresende 2023 ausgelaufen war, suchte Appelrath Cüpper händeringend ein neues Domizil in der Dortmunder City.
Der österreichische Modeunternehmer Peter Graf, der Appelrath Cüpper während der Corona-Pandemie 2021 im Rahmen eines Insolvenzplans übernommen hatte, wird in Branchenkreisen als „durchaus eigenwillig“ beschrieben. Als es um die Verlängerung des Mietvertrags am Westenhellweg ging, habe er, so sagen Insider, wohl zu hoch gepokert. Neu vermietet wurde das Kaufhaus jedenfalls an den Essener Schuhkonzern Deichmann, der in diesem Jahr dort ein modernes Schuhhaus eröffnen will, in das auch die hauseigene Marke Snipes einziehen soll.
Appelrath Cüpper schließt in Frankfurt
Appelrath Cüpper war seine angestammte, traditionsreiche Adresse los. Und so sehr sich Peter Graf auch dagegen wehrte und es fast auf eine Zwangsräumung ankommen ließ: das Kapitel in Dortmund schien zu enden. Wo sollten sich auf die Schnelle gut 3.000 Quadratmeter Verkaufsfläche finden lassen, die Appelrath Cüpper auf drei Etagen am Westenhellweg belegte? Während Experten überfragt waren, kam Peter Graf selbst nach Dortmund, besichtigte das Westfalenforum - und schlug zu.

Gut ein Jahr ist es her, dass Appelrath Cüpper dort öffnete. Die Frage lautet: Bleibt das namhafte Unternehmen, das in Dortmund 55 bis 60 Mitarbeitende beschäftigt, im Westfalenforum? Bundesweit gibt es aktuell 14 Filialen - und unterschiedliche Nachrichten. In Frankfurt wird die Filiale an der Zeil Ende Juni geschlossen. In Münster dagegen eröffnete Anfang April die Filiale am Prinzipalmarkt nach einem Umbau „für mehrere Millionen Euro“ neu.

Wie geht es angesichts solcher gegensätzlichen Entwicklungen an einigen Standorten nun Appelrath Cüpper als Unternehmen insgesamt? Mit Blick auf das Geschäftsjahr 2024 lässt sich das nicht sagen. Der letzte veröffentliche Geschäftsbericht des Jahres 2022 zeigt allerdings, dass der auf Frauenmode spezialisierte Händler stark von seinem deutschen Filialgeschäft abhängig ist. Zudem belastet das Unternehmen die schwache wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands.
Appelrath Cüpper unter Druck
Die Geschäftsführung von Appelrath Cüpper schreibt im Geschäftsbericht: „Die […] Verschiebung von Offline zu Online im Einzelhandel und die damit verbundenen Rückgänge der Kundenfrequenzen in Innenstadtlagen wurde in den vergangenen Jahren durch die Covid-19-Pandemie weiter verstärkt; in Folge der Pandemie verblieben die Kundenfrequenzen in den Innenstädten unter dem Vorkrisenniveau.“

Appelrath Cüpper schreibt auch, dass sich das Geschäft auf große international tätige E-Commerce-Wettbewerber verlegt, wie Amazon oder Zalando. Dabei gerät der stationäre Modehändler auch bei seinen Preisen unter Druck, da die Konkurrenz mit Rabatten darauf zielt, mehr Marktanteile zu gewinnen. Im Klartext: Die Rabatte des Online-Handels kosten das Unternehmen Geld, weil die Gewinne kleiner werden.
Doch Appelrath & Cüpper ist nicht untätig geblieben. Das Unternehmen betreibt einen eigenen Online-Shop. Zudem setzt das Management dort verstärkt auf das Click & Collect-Prinzip, um die Kunden vor Ort vom Online-Handel in die Filialen zu holen. Der Trend allerdings bleibt klar: Trotz vieler Modernisierungen in Mannheim, Bremen oder Münster musste Appelrath Cüpper kürzlich die Filiale in der Hamburger Innenstadt schließen und wird demnächst eben auch die in der City von Frankfurt aufgeben.
Appelrath & Cüpper rechnete 2024 mit Gewinn
Die Gründe beschreibt die Geschäftsführung im Geschäftsbericht des Jahres 2022 selbst so: „Der Großteil des Umsatzes von Appelrath Cüpper wird über die stationären Filialen erwirtschaftet. Mit dem Risiko einer Verringerung der Kundenfrequenz in den Innenstädten und Einkaufszentren und der Verlagerung von Kundenströmen können geringere Umsatzvolumina und wirtschaftliche Unsicherheiten einhergehen oder Standorte die Umsatzerwartungen nicht erfüllen.“

Und im deutschen Filialgeschäft gilt: Wer langfristig weder die Umsatzerwartungen noch die Gewinnziele erreicht, dem droht in der Innenstadt die Schließung. Auch für das Jahr 2023 hatte Appelrath Cüpper Verluste einkalkuliert, während das Management für 2024 wieder insgesamt einen leichten Gewinn erzielen wollte. Ob das Gesamt-Unternehmen das Ziel erreicht hat, lässt Susanne Deckenbrock, die Geschäftsleiterin der Filiale im Westfalenforum, im Gespräch mit unserer Redaktion offen. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt sie.
Grundsätzlich sei es aktuell für den Handel in deutschen Innenstädten sehr herausfordernd. Susanne Deckenbrock bestätigt, was Galeria-Miteigentümer Bernd Beetz kürzlich in einem Interview erklärte, aus dem die Deutsche Presse Agentur (dpa) zitierte. Neben der „fast schon depressiven Konsumsteinstellung der Deutschen“, sagte er, sorge er sich um die Sicherheit in den Städten. „Nehmen Sie die schlimmen Anschläge von Berlin bis Mannheim. Die Auswirkungen sind wirklich brutal“, so Beetz. Wie er stellt auch Susanne Deckenbrock vor allem ein verändertes Einkaufsverhalten von Frauen fest: „Nach Einbruch der Dunkelheit, das haben wir im Herbst/Winter festgestellt, ließ die Frequenz spürbar nach. Es gibt offenkundig eine Scheu, bei Dunkelheit noch in der Dortmunder Innenstadt unterwegs zu sein.“
Appelrath Cüpper setzt auf Einkaufserlebnis
Während Branchen-Insider angesichts all der negativen Einflussfaktoren skeptisch sind, dass Appelrath Cüpper dauerhaft im Westfalenforum bleibt, weist Susanne Deckenbrock solche Zweifel zurück: „Es war klar, dass wir hier nicht das Umsatzniveau der 1a-Lage am Westenhellweg erreichen. Die Laufkundschaft war dort viel größer. Aber wir sind nicht unzufrieden, haben einen Stammkundenanteil von 80 Prozent, ein Premiumangebot mit rund 150 Marken und unsere persönliche Beratung wird von den Kundinnen geschätzt.“

Sehr viel habe Eigentümer Peter Graf in den Standort im zwölf Jahre lang ziemlich brach liegenden Westfalenforum investiert und ein modernes, einladendes Shop-in-Shop-Konzept mit großen Glasfronten samt Café umgesetzt. „Es war uns allen bewusst, dass es eine Umgewöhnungszeit bei den Kundinnen braucht, wir ein besonderes Einkaufserlebnis schaffen und Geduld haben müssen“, sagt Susanne Deckenbrock und ergänzt: „Wünschenswert wäre, wenn sich die Stadt Dortmund weiter für die Attraktivität der Kampstraße starkmacht. Die Umwandlung in eine Fußgängerzone ist sicherlich ein Anfang, aber es muss sich gestalterisch noch einiges verbessern. Wir werden in Kürze für leise Musik in der Passage sorgen und einiges Grün hereinholen, um die Wohlfühlatmosphäre noch zu verbessern. Wir sind ins Westfalenforum gekommen, um zu bleiben.“
Am Schicksal der Rolltreppe ganz hinten in der Passage hat sich indes nichts geändert. Sie steht still. Der Zugang ist verbrettert. Das soll sich allerdings ändern. Wenn im Untergeschoss für Licht gesorgt ist und auch Videokameras installiert sind, so hört man, sollen Kundinnen und Kunden von der Tiefgarage am Freistuhl trockenen Fußes ins Westfalenforum kommen können - über die einst einsamste Rolltreppe der Stadt.