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„Geimpft, genesen, gestorben“ - Experten sehen 3G-Regel kritisch
Experten im Talk
Stadionbesuch, Restaurant, Party - bei vielen Aktivitäten spielt die sogenannte 3G-Regel eine Rolle. Experten kritisieren das Konzept von Aktivitäten für Geimpfte, Getestete und Genesene.
Fast täglich werden neue Veranstaltungen angekündigt, wir können wieder ins Kino gehen, ins Theater. Über 60.000 Menschen feiern im BVB-Stadion ein Fußballfest, und auch private Feiern sind möglich. Häufig gilt bei solchen Ereignissen die 3G-Regel: Die Teilnehmer müssen geimpft, getestet oder genesen sein.
Doch wie sicher ist eine Veranstaltung, wenn eine gewisse Zahl der Teilnehmer keine Antikörper gegen das Coronavirus hat - die Menschen also nicht geimpft sind oder eine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht haben, sondern nur getestet sind?
Party unter 3G-Bedingungen?
Oder anders gefragt: „Würden Sie Ihrem Kind guten Gewissens die Teilnahme an einer Party unter 3G-Bedingungen erlauben?“ So stellte die Frage eine Familie aus Dortmund den drei Experten des Live-Talks unserer Redaktion mit dem Titel „Wir müssen reden...“ Und alle drei Experten waren sich einig.
„Es grassiert ja für 3G jetzt schon der Terminus: geimpft, genesen oder gestorben. Das finde ich sehr makaber, aber es beschreibt eine Situation, auf die wir vielleicht hinsteuern“, sagt Professor Thomas Schwenzer, Direktor der Frauenklinik am Klinikum Dortmund und einer der Experten im Talk.
Überall gebe es mehr Freiheiten nach diesen Regeln. „Mit dem G für Getestet habe ich aber so meine Probleme: Wer wird getestet, wie wird getestet, wird das immer gut gemacht? Der Abstrich ist ja auch kein Vergnügen“, sagt Schwenzer. Fraglich sei, ob der Test immer so gemacht werde, dass auch das Ergebnis zuverlässig wäre. Außerdem seien immer häufiger auch gefälschte Testergebnisse im Umlauf: „Bei den Tests habe ich so meine Skepsis.“
Ähnlich sieht es Professorin Eva Hummers, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Göttingen und Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko). Die Antigentests hätten nur eine relativ kurze Vorhersagezeit. Sie senkten zwar das Risiko, gäben aber weniger Sicherheit, als geimpft oder genesen zu sein.
Jugendliche erkranken selten schwer
Mit Blick auf die hypothetische Party aus dem Fragebeispiel betonte Hummers, dass Jugendliche, wenn sie geimpft seien, kein großes Risiko hätten. Und auch ungeimpft würden Jugendliche ebenfalls nur selten schwer erkranken. Aber die Gefahr, andere anzustecken, sei höher.

Augenchirurgin Dr Stefanie Schmickler (links oben), Professor Thomas Schwenzer, Direktor der Frauenklinik Dortmund und Professorin Eva Hummers, Stiko-Mitglied diskutierten mit Moderator Ulrich Breulman (rechts oben) über aktuelle Themen rund ums Impfen. © Jens Ostrowski
Dr. Stefanie Schmickler, Augenchirurgin und geschäftsführende Gesellschafterin des Augen-Zentrums Nordwest in Ahaus, würde ihre Kinder nicht bedenkenlos auf eine 3G-Veranstaltung schicken. Anders als im Falle einer Impfung sei man mit einem Test nicht auf der sicheren Seite.
Auch Geimpfte könnten das Virus verbreiten, die Viruslast sei aber gering. „Würden nur Geimpfte oder Genesene untereinander feiern, hätte ich keine Bedenken.“ Bei 3G sei dies anders.
Leitender Redakteur, seit 2010 in der Stadtredaktion Dortmund, seit 2007 bei den Ruhr Nachrichten.
