Geheimes Holzwickede Wo historische Wassertanks für frisches Wasser sorgen

Sauberes Trinkwasser aus dem historischen Hochbehälter
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Eingezäunt und umgeben von Eichenbäumen und Hecken, das Mauerwerk zu drei Seiten von einem Erdhügel eingefasst, dürfte das Gebäude mit dem mehr als drei Meter hohen grünen Stahltor den wenigsten Menschen in Holzwickede bekannt sein: Spaziergänger mögen es als großes „Wasserhäuschen“ wahrnehmen.

Dabei verhält es sich bei dem Gebäude auf dem Haarstrang wie mit Eisbergen: Die Spitze ragt heraus, aber unter der Oberfläche verbirgt sich die eigentliche Größe. Und selbst wenn sich die grüne Eingangstür öffnet, wird nicht sofort ersichtlich, welche Ausmaße das fast 100 Jahre alte „Wasserhäuschen“ annimmt.

Öffnet Kai Kost die Tür, schrillt zunächst eine Alarmglocke – und zwar nicht nur im übertragenen Sinne. „Ich melde uns mal eben an“, sagt der Angestellte der Wasserwerke Westfalen, der für Hochbehälter, das Rohrnetz und Maschinentechnik zuständig ist. Ein kurzer Kontakt zum Leitstand, der sich Luftlinie etwa 2,5 Kilometer südlich im Wasserwerk am Stausee Hengsen befindet, und der Alarm verstummt. Kost führt seinen Chef Bernd Heinz sowie Stefan Petersmann und Agnes Frädrich von der Holzwickeder Wasserversorgung in den Vorraum des Hochbehälters.

Vier Mitarbeiter der Wasserwerke stehen in Warnweste an einem Geländer.
Öffnet sich die grüne Tür, blickt man zunächst in die Tiefe auf Pumpentechnik, Rohre und die Pegelstände der beiden Hochbehälter. Über eine Treppe geht es in einen gesicherten Raum, in dem sich die hermetisch abgeriegelten Luken für die Trinkwasserspeicher befinden. © Christian Greis

Abstieg per Klettergurt gesichert am Seil

Von einer Empore aus blickt das Quartett in die Tiefe, am Boden ist Pumpentechnik zu sehen, unter einem Gitterboden lassen sich dicke Rohre erahnen. „Das sind 500er-Leitungen“, sagt Kost. Eine leitet Trinkwasser aus dem Stausee Hengsen ein, eine leitet es zu den Haushalten, eine verbindet, was mehr als 7000 Menschen mit Frischwasser versorgt: zwei riesige Tanks, die zusammen 3000 Kubikmeter Wasser fassen.

Das Wasser von hier fließt vom Sölderholz über Lichtendorf bis Opherdicke und auch in den westlichen Bereichen Holzwickedes und bis Aplerbeck aus den Armaturen der Menschen. Für die tiefer liegenden Haushalte erledigt das natürliche Gefälle die Zuleitung. Die Pumpentechnik im Speichergebäude drückt das Wasser wiederum auf dem Haarstrang zu den Abnehmern.

„Das ist eine einmalige Gelegenheit, dass wir hier reingehen und uns das aus der Nähe anschauen können“, sagt Bernd Heinz als Geschäftsführer der Wasserwerke Westfalen. „Reingehen“ trifft es dabei nicht ganz, denn den Besuchern steht ein Abstieg bevor. Gute acht Meter geht es per Klettergurt gesichert an einer Leiter in die Tiefe, in eines der Vorratsbecken, das derzeit leer ist. Der Einstieg ist nur möglich, weil eine Grundreinigung ansteht, die turnusmäßig hier alle zwei Jahre stattfindet.

Wasserwerke-Chef Bernd Heinz hat eine oxidierte Ablagerung auf dem Boden gefunden.
Auch deswegen wird gereinigt: Wasserwerke-Chef Bernd Heinz hat eine oxidierte Ablagerung auf dem Boden gefunden. Die dürfte über das Zulaufrohr eingeleitet worden sein. © Christian Greis

Während Kost oben bleibt, stehen Heinz, Petersmann und Frädrich am Boden angekommen staunend in der Mitte des Tanks, der locker ein Zweifamilienhaus aufnehmen könnte. Jedes Wort hallt vielfach verstärkt nach und im Schein der Lampen zeichnen sich die riesigen Schatten der Besucher an den Wänden ab. Bernd Heinz streicht mit einer Hand über den Putz, der besonders glatt sein muss. „Das Wasser arbeitet über die Jahre und man sieht bereits kleine Auswaschungen“, sagt Heinz. In einigen Jahren müsse man die Innenwand erneuern.

Etwa zwei Wochen lang bleibt der Wasserspeicher leer

Über Nacht füllen sich die beiden Speicherbecken, „morgens um 6 Uhr haben sie ihren Höchststand, dann sinkt der Pegel über den Tag entsprechend ab“, sagt Kai Kost. Ab einem Pegel von maximal 6,80 Meter laufen die Speicher kontrolliert über.

Beim Besuch vor Ort zur Mittagszeit im November liegt der Pegel des noch aktiven Beckens bei etwa 3,70 Meter. Im leeren Pendant wurden in den vergangenen Tagen bereits Proben entnommen, die auf Bakterien und sonstige Keime untersucht wurden. In der Folgewoche steht die eigentliche Reinigung an. „Da kommen zwei Kollegen. Einer sichert am Zugang, der andere spült den Speicher mit einem Hochdruckreiniger gründlich aus. Danach wird desinfiziert und kann das Trinkwasserreservoir wieder ans Netz.“

Kai Kost von den Wasserwerken Westfalen schließt den Hochbehälter ab
Kai Kost gibt den Schließer: Seit 2005 arbeitet er für die Wasserwerke Westfalen und ist heute für Hochbehälter, das Rohrnetz und die Maschinentechnik zuständig. © Christian Greis

  • Der Hochbehälter auf dem Haarstrang in Hengsen wurde 1926 gebaut. Er ist der älteste im Einzugsgebiet und Eigentum der Dortmunder Netz GmbH. Im Auftrag sind die Wasserwerke Westfalen für den Betrieb zuständig.
  • Der gesicherte Abstieg über eine Leiter in die Behälter ist an anderen Standorten nicht nötig; auch hier ist das fast 100 Jahre alte Bauwerk einmalig.
  • Das Fassungsvermögen von 3000 Kubikmetern (=3 Millionen Liter) indes ist nicht außergewöhnlich: So findet sich in Dortmund ein Reservoir, das 16.000 Kubikmeter Trinkwasser fasst. „Das hat eher die Ausmaße eines Fußballfeldes, ohne starke Lampe sieht man das Ende des Behälters nicht“, sagt Kai Kost.

Der November eigne sich per se für solche Maßnahmen, da der Wasserverbrauch niedriger ist als im Hochsommer. Sollte das wertvolle Nass im verbliebenen Tank dennoch knapp werden, fließt dennoch Wasser aus dem Hahn: „Hierfür haben wir in den vergangenen Jahre eine entsprechende Redundanz geschaffen“, sagt Stefan Petersmann. Der Chef der Holzwickeder Wasserversorgung erinnert an die aufwendige Leitungsverlegung durch Hengsen und Opherdicke vor einigen Jahren.

Dadurch wurde eine Verbindung zum Hochbehälter auf der Wilhelmshöhe geschaffen, der über das Wasserwerk Halingen in Menden gespeist wird. Über Aplerbeck kann zudem das Dortmunder Netz angezapft werden. Lange Trockenperioden würden die Wasserversorgung entlang der Ruhr dabei nicht beeinflussen. „Trockenheit ist eher kein Thema, die Redundanzen dienen der technischen Versorgungssicherheit“, so Heinz. „Dafür haben wir mittlerweile eine doppelte und dreifache Absicherung“, fügt Petersmann an.

Ein Video aus dem Inneren des Behälters finden Sie unter hellwegeranzeiger.de/holzwickede