Wie viele Bombenblindgänger er in seinem Berufsleben schon unschädlich gemacht hat, ist wohl kaum zu zählen. Karl-Friedrich Schröder (62) zählt zu den erfahrensten Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung Arnsberg. Auch in Dortmund hat er schon zahlreiche Blindgänger entschärft - oder wie im August 2021 am Schwanenwall kontrolliert zur Explosion gebracht.
Und das ist ein Vorgehen, das es immer häufiger gibt. Denn mit dem Alter der Bomben, die noch immer im Boden schlummern, steigt auch die Gefahr, die von ihnen ausgeht. „Die Alterung der Bomben ist ein immer größer werdendes Problem“, sagt Schröder. Korrosion und chemische Prozesse durch in den Bomben enthaltene Substanzen machen die Arbeit der Entschärfer immer komplizierter.
In einem Punkt kann Karl-Friedrich Schröder beruhigen: Dass Bomben ohne Einwirkung von außen von selbst explodieren, ist äußerst selten. Möglich sei das bei Langzeitzündern, mit denen Bomben aus US-Produktion versehen wurden. Sie wurden mit Celluloid gesichert, das mehr und mehr spröde wird. In solchen Fällen könne es durchaus zu Selbstdetonationen kommen. „Hier bei uns haben wir aber relativ wenige US-Bomben mit Langzeitzündern“, weiß der Experte.
Gefährlich wird es immer dann, wenn Blindgänger etwa durch Bauarbeiten bewegt oder erschüttert werden. Deshalb finden im Vorfeld von Baustellen in Dortmund immer Kampfmittel-Sondierungen statt. Wenn man dabei fündig wird, müssen die Entschärfer ran.
Rost und chemische Prozesse
Und die ohnehin gefährliche Arbeit wird immer komplizierter. Zunehmende Sorgen machen dem Experten Rost und chemische Prozesse an Bombenblindgängern, von denen noch reichlich in der Dortmunder Erde liegen. 46 Blindgänger aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs mussten allein im vergangenen Jahr in Dortmund entschärft werden. Im Jahr davor waren es sogar 54 - rein rechnerisch also eine Entschärfung pro Woche.

Und die Kampfmittelbeseitiger müssen mit immer größerer Vorsicht zu Werke gehen. „Korrosion führt dazu, dass man den Zünder mit erhöhtem Kraftaufwand abschrauben muss“, berichtet Karl-Friedrich Schröder. Das sei mit den üblichen Geräten nicht immer möglich. Immer öfter bliebe dann nur die Alternative, die Blindgänger gezielt zur Explosion zu bringen - wie 2021 am Schwanenwall.
Nicht nur auf Zünder achten
Eine weitere Gefahr gehe von chemischen Prozessen an und in den Bomben aus, die die Explosionsgefahr erhöhen. Sichtbar werden sie oft durch Kristalle, die sich an dem Blindgängern gebildet haben, erklärt der Experte. „Wir müssen deshalb nicht nur auf die Beschaffenheit des Zünders achten, sondern auch chemische Veränderungen“, sagt Karl-Friedrich Schröder. „Das ist aber oft ganz schwer zu erkennen, vor allem, weil sie sich auch im Innern der Bombe bilden können.“
Viele Umstände spielen dabei eine Rolle - neben der langen Liegezeit der Blindgänger auch die Tiefe und die Beschaffenheit und Feuchtigkeit des Bodens. „Oberflächennahe Bomben sind besonders unangenehm. Bomben, die mehrere Meter tief in der Erde lagen, sehen dagegen oft aus wie neu“, berichtet Schröder.
Evakuierungen sind wichtig
Die wachsenden Probleme durch Alterung tragen mit dazu bei, dass Entschärfungen viel Zeit brauchen. „Vorsicht ist für uns das oberste Gebot“, sagt Karl-Friedrich Schröder. Nur so habe es seit 50 Jahren in Deutschland keine tödlichen Unfälle bei Entschärfungen mehr gegeben. Zugleich erinnert der Experte aber auch daran, wie wichtig die Evakuierung rund um die Fundstellen von Blindgängern ist.
Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde erstmals am 12.2.2023 veröffentlicht. Angesichts der Groß-Evakuierung am 6.4.2025 in der südlichen Innenstadt haben wir ihn erneut veröffentlicht.
Mega-Entschärfung im Klinikviertel setzte bundesweit Maßstäbe
Bombenverdacht am Körner Hellweg: Neue Kreuzungs-Baustelle hat Folgen für den Verkehr
Blindgänger-Verdacht nahe Dortmunder Klinik: Evakuierung könnte schon bald nötig werden