Trauer, Wut und viele Tränen – die Gedenkmahnwache zu Ehren des bei einem Polizeieinsatz getöteten Nejib B. war hochemotional. Am Samstag versammelten sich Familie und Freunde vor dem Haus des Verstorbenen. Sie trafen sich an dem Ort, wo am 14. März Nejib B. durch einen Polizisten erschossen wurde.
Besonders eindrücklich war die Rede der Ex-Frau und Mitbewohnerin des 70-Jährigen. Brigitte F. bekam den Einsatz von Rettungsdienst und Polizei aus nächster Nähe mit und erzählte bei der Gedenkveranstaltung von diesem erschütterndem Erlebnis. „Für uns alle Anwesenden war es der absolute Albtraum“, erinnert sie sich in ihrer Eingangsrede.
Er habe partout nicht ins Krankenhaus gewollt, berichtet sie. Immer wieder senkt sie ihre Stimme und hält einen Moment inne. Sie scheint überwältigt von der Unterstützung, aber auch fassungslos über das, was am 14. März vor ihrer Haustür passierte.
In ihrer Rede spricht Brigitte F. ihren verstorbenen Ex-Mann immer wieder direkt an. „Mein lieber Nejib, du hast in der Küche zu einem Küchenmesser gegriffen, als du dich verbal – mit lauter, wütender Stimme – nicht mehr durchsetzen konntest. Bis zu diesem Zeitpunkt warst du zwar hilflos und wütend, aber du hattest kein Messer. Du fühltest dich einfach entmündigt und tatsächlich war das ja auch so.“ Dieser Meinung ist die Ex-Frau. Seine Ablehnung, mit ins Krankenhaus zu fahren, sei nicht akzeptiert worden, findet die Witwe. „Eigentlich hättest du jemanden gebraucht, der dir Mut zugesprochen hätte“, doch die Polizei habe sie nicht in die Nähe von B. gelassen, behauptet Brigitte F. „Es war Angst und Verzweiflung in deinen Augen zu sehen.“
„Nejib liebte sein Deutschland“, erzählt sie gefasst vor den rund 100 Teilnehmern. „Sein tunesischer Reisepass ist seit 2013 abgelaufen.“ Bei gemeinsamen Reisen durch die Welt und Europa habe B. stets seinen deutschen Reisepass verwendet – und mit Stolz auf dieses Land geblickt, erklärt Brigitte F.
Die Bank im Vorgarten des gemeinsamen Hauses ist mit Blumen und Kerzen bedeckt. Ein großes Foto von B. auf seinem Motorrad steht dazwischen, daneben hängt eines von seinen T-Shirts. Freunde und Familie von Nejib B. tragen an diesem Samstag die Kleidung des Verstorbenen, „denn durch uns lebst du weiter“, so Brigitte F.
Zum Abschluss wendet sich F. erneut direkt an ihren verstorbenen Ex-Ehemann: „Lieber Nejib, ich verspreche dir alles zu tun, um dein Ansehen wiederherzustellen. Irgendwann werde ich dir auf deiner großen Reise folgen und dann wird es wieder unsere gemeinsame Reise sein.“