„Work-Life-Balance ist zu Life-Work-Balance geworden“ Spitzenkoch Overkamp über gute Azubis

Günther Overkamp rät zum Schnuppern: Gute Azubis wie Sechser im Lotto
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Eines Tages saß eine gepflegte asiatische Dame im Restaurant, blickte sich suchend um und bat um ein Gespräch: Ob wir in der Lage wären, vier Auszubildende aufzunehmen. Sie hätte genauso gut fragen können: Hätten Sie gern einen Sechser im Lotto?

Auszubildende für die Gastronomie zu finden, ist nämlich schwer. Sehr schwer. Schwerer noch als in anderen Branchen. Weil: Aus Work-Life-Balance ist inzwischen Life-Work-Balance geworden.

Die Bereitschaft, diesen Beruf als Berufung anzunehmen, eine Leidenschaft dafür zu entwickeln, dem Gast Gutes zu tun, im Wortsinne zu dienen, das ist nicht mehr leicht zu finden. Vor allem unter Deutschen ist es nicht leicht.

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Overkamps Lecka-reien

Warum schmeckt Westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber - und über manches mehr - schreibt Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne „Overkamps Lecka-reien“. Hier finden Sie alle Folgen.

Die Dame hatte eine Vermittlungsagentur für ausbildungswillige vietnamesische junge Leute zwischen 20 und 25. Sie sehen aber aus wie 17. Es kamen dann sogar fünf junge Menschen zu uns, die sich nicht nur sehr schnell in einer sehr fremden Sprache zurecht fanden, sondern auch den Service-Gedanken praktisch schon implementiert hatten.

Arbeit ist international

Und so haben wir jetzt unter unseren 12 Auszubildenden fünf Vietnamesen, zwei junge Männer aus Syrien und fünf Deutsche. Die Internationalität in der Gastronomie ist nichts Neues. Unsere Arbeit war und ist international. Denn was du hier lernst, kannst du in der ganzen Welt anwenden. Die Kochprozesse, die physikalischen Eigenschaften, die sind überall gleich. Nur die Rezepte sind anders.

Wenn man auch noch Englisch lernt, kann man heute hier aufhören und morgen egal wo anfangen. Als Hotelfachmann oder -frau ist man in jedem Hotel dieser Welt willkommen und ruckzuck zuhause. Das macht diese Branche aus!

Man ist Teil einer Familie

Aber nicht nur das allein. Bei uns, also im Hotelfach, in der Gastronomie, bist du Teil einer Familie, einer Community. Die hilft auch schon mal in anderen Dingen des Lebens. Probleme werden ausgeräumt. Was wir tun, ist: Team leben.

Vielen jungen Menschen hilft das auch, im sonstigen Leben ihren Weg zu finden. Weil sie Richtungsweisungen bekommen, die es leider heute im Elternhaus nicht immer gibt. Sehr schade. Manchmal müssen wir damit anfangen, dass man nicht nur mit der Gabel isst.

Wir hatten und haben sehr viele Auszubildende, die uns Spaß bereiten, mit denen wir gerne arbeiten, die unseren Weg mitgehen, die zur Team-Familie gehören wollen. Die eines Tages auch ein Team führen möchten, nicht nur Mitläufer sein, sondern Erfolge feiern.

Traumziel: Fernsehkoch

Welchen Erfolg ich mit diesem Beruf im Leben haben kann, sehe ich doch jeden Tag im Fernsehen, wo die Köche mit hohen Einschaltquoten gefeiert werden. Und ist es nicht toll, wenn man sein Kochbuch signiert!

Natürlich spielt nicht jeder in der Bundesliga oder wird ein Michael Schumacher, aber wer mit voller Leidenschaft in unseren Beruf geht, der hat eine sehr gute Zukunft vor sich, beruflich und privat und auch branchenübergreifend. Wer in der Gastronomie ausgebildet ist, wird auch in anderen Branchen gern genommen.

Schnuppern auch am Wochenende

Also: Wer Spaß hat an unterschiedlichen Aromen und an unterschiedlichen Menschen, wer zuhause gerne den Thermomix studiert oder den Tisch besonders schön deckt, der soll doch einfach mal reinschnuppern ins nächstgelegene Restaurant.

Da muss man nicht aufs Schulpraktikum warten, das kann man auch am Wochenende oder in den Ferien. Und bis 20 Uhr abends dürfen das auch unter 18-Jährige. Traut euch!

In diesem Sinne: Bis denne!