Freie Künstlerin und Mutter Hannah Cooke „Mir wird der künstlerische Genius abgesprochen“

Freie Künstlerin und Mutter: „Mir wird der künstlerische Genius abgesprochen“
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Hannah Cooke beschäftigt sich in ihrer Kunst mit sozialer Ungerechtigkeit. Bekannt wurde die Karlsruherin mit ihren Arbeiten „Ada vs. Abramović“ und „Ada vs. Emin“ (2018). In den zwei Videos setzt sie sich mit ihrer Tochter Ada in Settings, die den Installationen „My Bed“ (1998) von Tracey Emin und „The Artist is Present“ (2010) von Marina Abramović nachempfunden sind. Dort stillt sie demonstrativ das Kind.

Beide Künstlerinnen hatten geäußert, dass Mutterschaft und der Beruf der Künstlerin nicht vereinbar seien, wolle man beides zu 100 Prozent leben. Abramović erzählte in einem Interview mal, dass sie aus diesem Grund drei Abtreibungen hatte. Cooke möchte diesem Bild der Unvereinbarkeit widersprechen. „Ich möchte Künstlerinnen ermutigen und zeigen, dass es kein Widerspruch ist, beides miteinander zu vereinen. Künstler-Vätern wird schließlich auch beides zugesprochen.“

Im Schaufenster des Museums Ostwall werden noch bis zum 8. Januar 2023 fünf Arbeiten von ihr ausgestellt. In ihnen setzt sie sich mit der Rolle der Frau in der Kunst und der Gesellschaft auseinander.

Der Wandteppich „Bitter Pills“ zum Beispiel verweist darauf, dass die meisten Medikamentenstudien in der Medizin hauptsächlich mit männlichen Probanden durchgeführt werden - der weibliche Zyklus würde in den Augen vieler Wissenschaftler zu viele unsichere Variablen für ein Studienergebnis mit sich bringen, erklärt Hanna Cooke. Das würde allerdings dazu führen, dass viele Medikamente nicht für den weiblichen Organismus dosiert würden. Dies hätte teilweise schwerwiegende Folgen für die Frauen, so Cooke.

Vom Museum Ostwall wurde Cooke dieses Jahr für ihre Arbeiten mit dem mit 20.000 Euro dotierten MO_Kunstpreis ausgezeichnet. Trotzdem muss sie als Mutter in ihrem Beruf oft kämpfen.

Verschweigen der Mutterschaft

„Manche Galeristen lassen Künstlerinnen einfach fallen, wenn sie Mutter werden“, erzählt die Karlsruherin. „Frauen die Mutter geworden sind, wird oft der künstlerische Genius und eine vollwertige Produktivität abgesprochen.“

Unter dem Slogan „Mehr Mütter für die Kunst“ gibt es ein Online-Manifest, dass man unterschreiben kann - außerdem Anekdoten von Künstlerinnen, die berichten, dass sie in Verhandlungen gar nicht mehr erzählen, dass sie Kinder haben. „Man wird sofort auf die Rolle der Mutter reduziert“, erzählte die US-amerikanische Künstlerin Taryn Simon in einem Gespräch mit dem Journalisten Christoph Amend.

In dem Wandteppich „Bitter Pills“ möchte Hannah Cooke darauf aufmerksam machen, dass die meisten Medikamente nur an Männern getestet werden und deshalb selten die richtige Dosierung für Frauen haben.
In dem Wandteppich „Bitter Pills“ möchte Hannah Cooke darauf aufmerksam machen, dass die meisten Medikamente nur an Männern getestet werden und deshalb selten die richtige Dosierung für Frauen haben. © Hannah Cooke

Geschlechterübergreifend würden in der Kunst nicht ausreichend Honorare gezahlt. „Es gibt viele Ausstellungshäuser, die darauf spekulieren, dass die Künstler sich mit dem Prestige zufriedengeben, das eine Ausstellung in ihren Räumlichkeiten einbringt.“ Hannah Cooke ergänzt: „Zum Glück gibt es immer mehr Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass Künstlerhonorare eine feste Instanz werden.“

Traditionelle Hierarchien

Trotzdem sei es zusätzlich so, dass Frauen es in dem unsicheren Gefüge der freischaffenden Kunst noch schwerer hätten, sich etwas aufzubauen. „Es gibt einfach mehr männliche Kuratoren und Galeristen und viele Museen, die intern traditionelle Hierarchien pflegen, auch wenn die Kunst nach außen oft so progressiv wirkt. Männer neigen eher dazu, Männer anzuwerben“, erklärt Cooke. Insgesamt seien weibliche Positionen im Laufe der Kunsthistorie häufig unter den Teppich gekehrt worden.

Die Initiative „fair Share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ aus Berlin, die aus freischaffenden Künstlerinnen und Kunsthistorikerinnen besteht, möchte dieser Schieflage entgegenwirken. Mehr Wahrnehmung für vergangene, gegenwärtige und zukünftige Positionen von Frauen schaffen. Hannah Cooke kann auch dank staatlicher Förderungen und Stipendien von ihrer Kunst leben, ihr Ziel ist es jedoch, von Förderungen unabhängig zu werden. Ein Ziel, das die Künstlerin Anette Göke erreicht hat.

Ende der 90er Jahre bekam die Dortmunderin im Abstand von zwei Jahren zwei Kinder. Zu diesem Zeitpunkt entschied sie sich auch, sich als Künstlerin selbstständig zu machen. Ihren Job in einer Werbeagentur konnte sie als junge Mutter nicht weiterführen und zu malen, war sowieso lange Jahre ihr Wunsch gewesen. Doch der Weg zur etablierten Künstlerin war weit.

Rückhalt wichtig

„Ohne meinen Mann wär es schwierig geworden“, erzählt Anette Göke. „Ich habe das bei Kolleginnen beobachtet, die nicht diesen Rückhalt gehabt haben und die haben als Alleinerziehende Probleme bekommen.“ Auch für sie war es nicht leicht.
„Ich bin Autodidaktin, das zusammen mit meiner Mutterschaft, hat dazu geführt, dass ich mit vielen Vorurteilen umgehen musste“, erzählt sie.

So sei es häufiger vorgekommen, dass Galeristen ihr unterstellt hätten, sie würde aufgrund ihrer Kinder Schwierigkeiten bekommen, Termine einzuhalten. „Ich musste mich da eine lange Zeit beweisen“, erzählt sie. Mittlerweile sei sie in einer komfortablen Position angelangt. „Heutzutage ist es so, dass ich angefragt werde, ob ich ausstellen möchte. Während ich früher längere Zeit Türklinkenputzen musste“, erzählt sie. Die Kinder seien mittlerweile seit längerer Zeit aus dem Haus, weniger zu tun hätte sie deshalb noch lange nicht. „Heute sind es andere Aufgaben, die mich auf Trab halten“, sagt sie und lächelt.

Anette Göke mit einem ihrer Markenzeichen. Die Figuren stehen für eine vielfältige Gesellschaft.
Anette Göke mit einem ihrer Markenzeichen. Die Figuren stehen für eine vielfältige Gesellschaft. © Archiv