Sie wollte nicht im Krankenhaus bleiben. Also sitzt Katharina R. wieder hier - an ihrem Stammplatz an der Ecke Münsterstraße/Mühlenstraße, zwischen Burgtor und Polizeiwache Nord. Ein Pflaster klebt an ihrer Schläfe, zwei weitere links und rechts von ihrem Nasenbein, der Hals ist verbunden.
Am Vortag war die 57-Jährige hier mit einer abgebrochenen Flasche attackiert worden. Eine Mordkommission der Dortmunder Polizei ermittelt. Wir haben mit Katharina R. und Augenzeugen über den Angriff gesprochen.
„Ich habe den Typen noch nie gesehen“, sagt Katharina. Er habe sie nach einer Übernachtungsmöglichkeit gefragt und ihr dann unvermittelt ins Haar gegriffen und gegen den Kopf geschlagen. Plötzlich hatte er eine abgebrochene Pfandflasche in der Hand. „Er stach erst in Richtung meiner Augen, ich fürchtete, ich könnte mein Augenlicht verlieren.“ Zwei Pflaster, jeweils links und rechts zwischen Nasenbein und Tränensäcken, zeugen von der Verletzung.

Dann sagte der Angreifer: „Ich bringe dich um“, erinnert sich Katharina, die gebürtig aus Italien stammt und seit fünf Jahren auf der Straße lebt. Der Unbekannte habe weiter in der Halsgegend zugestoßen und sie dort verletzt. Passanten seien eingeschritten, der Tatverdächtige flüchtete und „dann war schon die Polizei da.“
„Der Angriff war für das Opfer nicht vorhersehbar, es gab keinen rechtfertigenden Anlass dafür“, erklärt Oberstaatsanwalt Carsten Dombert. Die Verletzungen seien „Gott sei Dank eher oberflächlich“ gewesen, nach der ambulanten Wundversorgung konnte Katharina R. entlassen werden.
Angesichts der Tatsache, dass der Tatverdächtige zwar häufig zugestochen habe, die Verletzungen aber nicht so gravierend waren, müsse man, so Oberstaatsanwalt Carsten Dombert, „an einem Tötungsvorsatz zweifeln“. Es deute derzeit vieles auf eine gefährliche Körperverletzung hin.
Verdächtiger war auffällig
Der 36-jährige Tatverdächtige befand sich Donnerstagmittag (13.4.) noch in Polizeigewahrsam, wird aber im Verlauf des Tages noch dem Haftrichter vorgeführt. Er ist schon wegen Körperverletzungsdelikten auffällig geworden, wurde aber noch nie verurteilt. Der Verdächtige hat einen festen Wohnsitz.
Reiht sich der Vorfall in eine Reihe von Gewaltakten gegen Obdachlose in der Region ein? Vor zwei Wochen hatte ein 18-Jähriger am Düsseldorfer Hauptbahnhof auf einen Obdachlosen uriniert und ihn mit einer Schreckschusswaffe bedroht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe spricht davon, dass „Gewalt gegen wohnungslose und sozial ausgegrenzte Menschen ein alltägliches Phänomen in unserer Gesellschaft ist“. Auf Nachfrage sieht Oberstaatsanwalt Carsten Dombert keinen solchen Hintergrund bei dieser Tat.
Die brutale Attacke hat die Mitarbeiter der Sprachschule „Projekt Deutsch lernen“ schockiert. Unter dem Vordach des Ladenlokals dieser Bildungseinrichtung ist die Tat am Mittwoch, 12.4., gegen 17.30 Uhr geschehen. Einer der Mitarbeiter, die zur Tatzeit vor Ort waren, hat mit unserer Redaktion gesprochen.
„Der Bereich unter dem Vordach ist Katharinas Reich“, sagt er. „Wenn es dunkel wird, zieht sie meistens in den Bereich der Eingangstür um, weil es da windgeschützter ist. Wir haben ihr das erlaubt, weil sie sehr ordentlich ist“, schildert der Angestellte das Arrangement - das aber nur für Katharina und nicht für andere Obdachlose gelte.
„Großes Geschrei draußen“
Er war mit einer Kollegin im 1. Stock des Eckhauses Mühlenstraße/Münsterstraße, als sie draußen „großes Geschrei“ bemerkten. Die beiden eilten nach draußen. Der Tatverdächtige versuchte zu fliehen, wurde aber von Passanten auf der Grünfläche Richtung Hauptbahnhof festgehalten. Seine Kollegin lief zur Wache Nord und alarmierte die Polizei. Die Beamten nahmen den 36-Jährigen fest.
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