„Das ist ein Drohszenario“ Dortmunds Ärztesprecher zur Vier-Tage-Woche für Praxen

Ärztesprecher sieht „Drohszenario“ in Forderung nach 4-Tage-Woche für Praxen
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Der Ärzteverband Virchowbund hat mit einer Forderung bundesweit Schlagzeilen gemacht. Er rief Arztpraxen auf, ihren Betrieb auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. Mittwochs sollten diese auf eine ambulante Versorgung von Patienten verzichten und den Tag stattdessen "zur Bewältigung der Bürokratie und zur Fortbildung" nutzen, hieß es. Der Verband vertritt niedergelassene Haus- und Fachärztinnen und -ärzte.

Der Hörder Hausarzt Dr. Prosper Rodewyk, Bezirkssprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, sagt über die Forderung des Verbands: „Das ist ein Drohszenario.“ Man könne diese auch als „Hilfeschrei“ interpretieren. Rodewyk sagt über den Berufsstand der Ärzte: „Unsere Lobby ist so schlecht, dass wir auf diese Weise auf uns aufmerksam machen müssen.“

Versorgung gewährleisten

Gleichzeitig ist sich der Mediziner sicher: Kein Arzt in Dortmund denke ernsthaft über eine Vier-Tage-Woche nach. Er könne sich vorstellen, dass das Szenario in einem bestimmten Gebiet möglicherweise für einen Monat umgesetzt wird, um der Drohung Nachdruck zu verleihen. An ein langfristiges Modell glaubt Rodewyk aber nicht.

Das hat insbesondere damit zu tun, dass die Versorgung der Patienten auch gewährleistet sein muss, wenn Arztpraxen regulär geschlossen sind. Das müsse dann mittwochs komplett von den Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und dem Bereitschaftsdienst übernommen werden, erläutert Rodewyk die Problematik. Solche Pläne gebe es aktuell aber nicht.

Auswirkungen auf Notaufnahmen

Eine Vier-Tage-Woche für Arztpraxen dürfte sich auch auf die Notaufnahmen der Krankenhäuser auswirken. Christine Hard aus der Pressestelle des Klinikums Dortmund sagt über die Dienstzeiten der KV-Notfallpraxen: „Sofern Arztpraxen nur noch eine Vier-Tage-Woche hätten, würde die Kassenärztliche Vereinigung diese Zeiten deutlich ausweiten müssen.“

Gleichwohl wissen Krankenhäuser aus der täglichen Arbeit, dass Patienten „auch während der Dienstzeiten der KV-Notfallpraxen oft direkt ein Krankenhaus aufsuchen“.

Der Wartebereich der zentralen Notaufnahme im Klinikum Dortmund-Mitte ist selten so leer wie auf diesem Foto.
Der Wartebereich der zentralen Notaufnahme im Klinikum Dortmund-Mitte ist selten so leer wie auf diesem Foto. © Archiv

Das Klinikum Dortmund müsste bei einer flächendeckenden Schließung der Praxen am Mittwoch „unsere jetzt schon teilweise überlasteten Notfallambulanzen räumlich und personell massiv ausbauen“, erklärt Christine Hard. Dafür gebe es aber bisher keine Finanzierung, „da die bisherigen Notfallpauschalen für die Krankenhäuser nicht ansatzweise kostendeckend sind“.

Ärzte-Budgets zu knapp

Dr. Holger Böhm von der Unternehmenskommunikation der St.-Paulus-Gesellschaft, zu der mehrere Krankenhäuser in der Region gehören, möchte die Forderung des Ärzteverbands nicht direkt kommentieren. „Grundsätzlich ist es natürlich so, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser darunter leiden, dass sich Patienten und Patientinnen mit Erkrankungen vorstellen, die eigentlich ganz klar im ambulanten Notfallsystem der Kassenärztlichen Vereinigung versorgt werden sollten“, sagt er.

Daher sei eine bessere Organisation und Wahrnehmung des ambulanten Notfallsystems auch außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten „zweifelsohne dringend wünschenswert“. Böhm ergänzt: „Alle Aktionen, die das ambulante Notfallsystem weiter schwächen, sind kontraproduktiv.“

Ärztesprecher Dr. Rodewyk erläutert, was aus seiner Sicht zu der Virchowbund-Forderung geführt hat. Niedergelassene Ärzte bekommen einen Teil ihrer Arbeitszeit schlichtweg nicht bezahlt.

Es gebe ein Budget für eine bestimmte Zahl von Behandlungen bei Kassen-Patienten. Sei das Budget bereits aufgebraucht und der Arzt entscheide sich, einen Patienten dennoch zu behandeln, bekomme er dafür kein Geld. „Wir überfüllen die Budgets so stark, dass wir den Mittwoch eigentlich weglassen könnten“, sagt Rodewyk. Er kritisiert eine mangelnde Wertschätzung seitens der Politik und Krankenkassen.

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