„Das Büro ist nicht tot“ Firmen mieten in Dortmund immer mehr Flächen an

Unternehmen mieten immer mehr Flächen an: „Das Büro ist nicht tot“
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Es ist eine riesige, durchgängige Fläche. Auf über 600 Quadratmetern mitten in der Dortmunder City haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IT-Unternehmensgruppe Comline SE reichlich Platz. Zur gerade nach einem New-Work-Konzept neu gestalteten und untervermieteten Fläche im dritten Stock an der Hansastraße 30 gehören nicht nur großzügig verteilte Computer-Arbeitsplätze, sondern auch eine Lounge als Kommunikations-Area sowie eine offene Küche. Und durch die über Eck verlaufenden, bodentiefen Fenster blickt man auf den Platz von Netanya und Karstadt.

„Die Fläche hier ist ein Beispiel dafür, wie Unternehmen aktuell suchen. Sie möchten ihre Beschäftigten weitgehend wieder im Büro haben und legen heute mehr Wert auf die Qualität der Bürofläche als vor Corona. Nicht nur die Mitarbeiter sollen sich wohl fühlen, man möchte sich auch für Bewerber und Kunden attraktiv präsentieren“, sagt Christian Hansmann, Geschäftsführer der Essener Gewerbeimmobilien-Agentur Ruhr Real. „Leider“, ergänzt er, „gibt es eine solche Qualität in der Dortmunder Innenstadt nur selten.“

Wie Amedeo Augenbroe, Essener Niederlassungsleiter der BNP Paribas Real Estate GmbH, stellt auch Christian Hansmann eine insgesamt positive Entwicklung des Dortmunder Büromarktes fest.

„Allerdings“, so sagen die beiden Experten übereinstimmend, „hat der Neubauanteil stark zugenommen. Es seien Objekte wie das neue Domizil des IT-Unternehmens Materna auf der Stadtkrone-Ost oder das Bauprojekt SK Office, das sich lang an der B1 erstreckt, die das starke Jahresergebnis von 2022 prägen.

Primus des Ruhrgebiets

130.000 Quadratmeter Bürofläche wurden im vergangenen Jahr neu angemietet. Dieses Ergebnis bleibt etwas hinter dem Rekordergebnis von 2021 zurück, liegt aber knapp 29 Prozent über dem 10-Jahresschnitt. „Von wegen, das Büro ist tot! Es ist nicht tot“, sagt Christian Hansmann.

Und Amedeo Augenbroe erklärt: „Dortmund entwickelt sich zum Primus des Ruhrgebiets und liegt jetzt gleichauf mit Essen, denn neben den großen Deals als Treiber des Flächenumsatzes lagen auch die Mehrheit der mittleren und kleineren Größenklassen über den Durchschnittsergebnissen.“

Amedeo Augenbroe ist Essener Niederlassungsleiter der BNP Paribas Real Estate GmbH. „Geprägt wurde das starke Resultat des Jahres 2022 in Dortmund vor allem durch den Eigennutzer-Abschluss des IT-Dienstleisters Materna über insgesamt 44.000 m², der gut ein Drittel zum Gesamtflächenumsatz beigetragen hat", sagt er. Materna baut gerade einen neuen Firmensitz auf der Stadtkrone-Ost.
Amedeo Augenbroe ist Essener Niederlassungsleiter der BNP Paribas Real Estate GmbH. „Geprägt wurde das starke Resultat des Jahres 2022 in Dortmund vor allem durch den Eigennutzer-Abschluss des IT-Dienstleisters Materna über insgesamt 44.000 m², der gut ein Drittel zum Gesamtflächenumsatz beigetragen hat", sagt er. Materna baut gerade einen neuen Firmensitz auf der Stadtkrone-Ost. © BNP Paribas

„Vor der Corona-Pandemie gab es einen Angebotsmangel in Dortmund. Inzwischen strukturieren sich die Unternehmen neu und suchen kleinere Flächen. Büroflächen von 150 bis 1000 Quadratmeter machen den Großteil des Marktgeschehens in Dortmund aus“, sagt Christian Hansmann.

Die größten Nachfrager sind nach Aussage der Experten die IT- und Kommunikationsbranche, sonstige Dienstleister, die öffentliche Verwaltung sowie die Verwaltungen von Industrieunternehmen.

Der Anspruch sind moderne Büroflächen wie eben jene in der Gewerbeimmobilie an der Hansastraße 30. Altbackene, nicht sanierte Büros oder Flächen mit normalem Ausstattungsstandard werden angesichts des gestiegenen Neubau-Angebots kaum nachgefragt.

„Hier ist das Leerstandsvolumen gestiegen, während der Leerstand im modernen Flächensegment gesunken ist. Vor allem im Citykern sind die kurzfristig verfügbaren, modernen Flächen mit einem Volumen von nur 2000 Quadratmetern stark limitiert“, sagt Amedeo Augenbroe.

Lichthof statt Rolltreppen

„Dabei“, so Christian Hansmann, „gehört die Innenstadt mit dem Phoenix-See und Phoenix-West zu den gefragtesten Büromarktzonen. Wir wünschen uns, dass mehr Eigentümer in Vorleistung gehen und ihre Immobilien sanieren. Dafür gelingt ihnen dann eine schnellere Vermietung und sie erzielen höhere Mieten.“

Die Schieflage zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Büromarkt in der City bietet nach Überzeugung der Experten eine Chance zur Umnutzung der oberen Etagen in den großen Handelsimmobilien am Westen- und Ostenhellweg. „Es ist allerdings auch eine Herausforderung. Statt der Rolltreppen muss es in ehemaligen Kaufhäusern dann Lichthöfe geben. Medizinische Einrichtungen, Dentalpraxen oder auch Weiterbildungsinstitutionen und soziale Träger suchen Lagen in der City, die gut erreichbar sind“, sagt Amedeo Augenbroe.

Die Gewerbeimmobilie an der Hansastraße 30 verfügt über große, helle Büroräume. 1200 Quadratmeter wurden hier gerade modernisiert und neu vermietet. Solche Flächen sind stark nachgefragt, in der City aber kaum vorhanden.
Die Gewerbeimmobilie an der Hansastraße 30 verfügt über große, helle Büroräume. 1200 Quadratmeter wurden hier gerade modernisiert und neu vermietet. Solche Flächen sind stark nachgefragt, in der City aber kaum vorhanden. © Peter Wulle

Getrieben von erneut hohen Flächenumsätzen und einem immer kleiner werdenden Angebot im modernen Flächensegment ist die Spitzenmiete zum Ende des vergangenen Jahres noch einmal um 0,50 €/m² auf jetzt 17 €/m² gestiegen. Sie notiert damit gut 6 Prozent über dem Vorjahresniveau.

„Die Durchschnittsmiete“, sagt Christian Hansmann, „hat ihren seit 2015 zu verzeichnenden Aufwärtstrend fortgesetzt und erreicht 2022 mit 13,20 €/m² einen neuen Höchstwert. Die Spitzenmiete von 17 Euro wird in Dortmund am Phoenix-See erzielt.

99.000 Quadratmeter in Neubauten

Aktuell befinden sich rund 99.000 Quadratmeter Bürofläche im Bau, was weniger als im Vorjahr, aber für den Dortmunder Markt ein eher hohes Volumen ist. Hierbei handelt es sich zum größten Teil um bereits vermietete oder von Eigennutzern initiierte Projekte.

Ende 2022 notierte die Vorvermietungsquote bei etwa 86 Prozent, sodass nur noch 14.000 Quadratmeter der im Bau befindlichen Flächen zur Anmietung stehen.

„Viele Unternehmen vertagen im Moment ihre Entscheidungen“

„Der Dortmunder Büromarkt blickt zum zweiten Mal in Folge auf ein starkes Jahr zurück, in dem ein überdurchschnittlicher Flächenumsatz, steigende Mieten, hohe Bauaktivität und ebenso hohe Vorvermietungsquoten festgehalten werden konnten“, fasst Amedeo Augenbroe zusammen.

Mit großer Wahrscheinlichkeit, da ist er sich mit Christian Hansmann einig, wird sich aber auch der Dortmunder Büromarkt nicht vollends dem Einfluss einer zu erwartenden konjunkturellen Eintrübung in der ersten Jahreshälfte 2023 entziehen können.

„Viele Unternehmen vertagen im Moment ihre Entscheidungen“, sagt Christian Hansmann. „Sobald die deutsche Wirtschaft aber auf den Wachstumspfad eingeschwenkt ist, wird sich auch das Anmietungsgeschehen im insgesamt gut aufgestellten Dortmunder Markt beschleunigen und steigende Spitzen- und Durchschnittsmieten mit sich bringen“, erläutert Amedeo Augenbroe.

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