
© Tobias Larisch
Fehlendes Blindenleitsystem bringt Sehbehinderte an Gleisen in Gefahr
Bahnstationen in Scharnhorst
An zwei Bahnstationen in Scharnhorst laufen sehbehinderte Personen Gefahr, auf die Gleise zu stürzen. Generell fehlen laut Manfred Mertins (71) in dem Stadtteil Hilfen für Sehbehinderte.
Seit 46 Jahren lebt Manfred Mertins schon in Scharnhorst. In den vergangenen drei Jahren erlebt er seinen Stadtteil aber aus einer anderen Perspektive. Der 71-Jährige ist seitdem auf dem rechten Auge blind. Auf dem anderen Auge hat er nur eine Sehkraft von 0,5 Prozent.
Dadurch ist Mertins auf ein Blindenführungssystem angewiesen. Wer sich mal gefragt hat, wozu die weißen Bodenplatten mit Rillen auf Bahnsteigen und Gehwegen gehören – genau dazu. „Ich kann meinen Stock in die Rillen legen und die führen mich dann den Weg entlang“, sagt er. „Viele Personen wissen gar nichts von diesem System.“

An den quergestreiften Bodenplatten können sich Sehbehinderte orientieren. Die Pflaster mit Noppen zeigen Abzweigungen wie Zebrastreifen an. © Tobias Larisch
Die Bodenplatten seien aber auch zur Orientierung notwendig. Allerdings fehlten sie an mehreren Bahnstationen in Scharnhorst. „Bahnsteige sind besonders gefährliche Punkte für sehbehinderte Menschen“, sagt Mertins. „Wenn das Führungssystem fehlt, können wir die Distanz bis zu den Gleisen nicht richtig einschätzen.“
An den Stationen Flughafenstraße und Kirchderne seien diese Bodenplatten bei Renovierungsmaßnahmen verlegt worden, bei den Haltestellen Zentrum Scharnhorst und Gleiwitzstraße fehlten sie. „Es wurde mit dem Verlegen angefangen, aber wichtige Stellen wurden ausgelassen“, sagt Mertins. „Besonders Scharnhorst Zentrum ist ein Knotenpunkt für den Stadtteil.“

Auf dem Bahnsteig der Station Scharnhorst Zentrum fehlt das Blindenleitsystem, es gibt lediglich einen aufgemalten weißen Streifen. © Tobias Larisch
An der Station Scharnhorst Bahnhof sei zwar ein Fahrstuhl gebaut worden, der würde aber erst 2023 in Betrieb genommen werden. „Warum dauert das so lange?“, fragt sich Mertins. Er sieht in erster Linie DSW21 in der Pflicht, die Haltestellen sehbehindertenfreundlich zu gestalten.
Generell bemängelt der Rentner aber das fehlende Blindenführungssystem in Scharnhorst. „Die Außenbezirke werden meiner Meinung nach vernachlässigt“, sagt der Ur-Scharnhorster. „Die Bezirksvertretung ist sich der Notwendigkeit wohl nicht bewusst.“

Ein Aufzug an der Station Scharnhorst Zentrum ist schon in Betrieb, der andere wird erst 2023 die Fahrgäste zu den Bahngleisen bringen können. © Tobias Larisch
Er habe Ende April auch eine Mail an den Oberbürgermeister Ullrich Sierau geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. „Ich werde auch noch mal den Bezirksbürgermeister ansprechen“, sagt das Mitglied der SPD Scharnhorst.
Laut Mertins wäre zwar viel Gutes in dem Stadtteil gemacht worden, aber die Dringlichkeit eines umfassenden Blindenleitsystems wäre noch nicht erkannt worden. „Die Gelder dafür sind doch da“, sagt er.
Er habe in einer einjährigen Schulung des Blindenverbandes ein Leitsystem kennengelernt, um sich in Scharnhorst zurechtfinden zu können. „Ich wurde durch den Stadtteil geführt und mir wurden Anhaltspunkte gezeigt, an denen ich mich orientieren kann“, sagt Mertins.
Im Einkaufszentrum Scharnhorst würde er sich vor allem an den Regenrinnen orientieren. Für ortsfremde Sehbehinderte sei es in dem belebten Gebiet aber ohne Blindenführungssystem schwierig, sich zurechtzufinden.
Eine Anfrage bei DSW21 läuft.
Hat im Mai 2020 in der für den Lokal-Journalismus aufregenden Corona-Zeit bei Lensing Media das Volontariat begonnen. Kommt aus Bochum und hatte nach drei Jahren Studium in Paderborn Heimweh nach dem Ruhrgebiet. Möchte seit dem 17. Lebensjahr Journalist werden.
