Besondere Lesung im Stall auf Gut Königsmühle
Es war einmal ein zitronengelbes Schaf …
Das haben die Schafe auf Gut Königsmühle wohl noch nie erlebt: eine Lesung mitten in ihrem Stall. Im Publikum saß ein ganz besonders aufmerksamer Zuhörer.
Das Foto zeigt die Autorin Dr. Gudrun Güth, den Hobbymaler und Schaf-Fan Thomas und einen Teil der Kinder kurz vor Beginn der Lesung im Schafstall auf Gut Königsmühle. © Beate Dönnewald
Diese Geschichte beginnt traurig. Ihr Ende, im Grunde auch wieder ein Anfang, ist dafür umso schöner. Alles beginnt mit dem Tod eines Schafs. Es hieß Elfe und war das Lieblingsschaf von Thomas. Der 31-Jährige wohnt und arbeitet auf Gut Königsmühle und ist dort wohl der beste Freund aller Tiere.
Den Tod von Elfe verarbeitet Thomas, der vor acht Jahren ein Zuhause in der Wohn- und Lebensgemeinschaft Dortmund fand, mit Hilfe der Malerei. Seit seiner Kindheit malt der junge Mann leidenschaftlich gerne, regelmäßig besucht er das Ruhratelier der Lebenshilfe in Waltrop. Hier entsteht auch mit Bleistift und Naturfarben das Bild seiner Elfe – ein Rhönschaf mit schwarzem Kopf und zitronengelber Wolle. „Ich liebe die Farbe Gelb, sie erinnert mich an Sonne, Sommer und Zitronen. Und ich mag den Duft der Zitronen.“
Das ist die Zeichnung des gelben Schafs von Thomas. © Elke Puhl
Thomas‘ Bild wandert irgendwann in eine Ausstellung und erweckt dort sofort die Aufmerksamkeit der Buchautorin Dr. Gudrun Güth. Es ist, könnte man sagen, so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Die Zeichnung lässt die die 68-Jährige nicht mehr los und inspiriert sich schließlich zu der Geschichte „Das Schaf Elfe und Falschzebra, das ein Richtigzebra war“ in ihrem Buch „Wünsch dich ins Märchen-Wunderland, Märchen für Herz und Seele“.
Dass seine Elfe die Titelheldin einer Erzählung ist, rührt den Hobbymaler: „Elfe lebt nun in der Buchwelt weiter.“ Aus lauter Dankbarkeit schenkt Thomas der Autorin sein Kunstwerk. „Das Schaf Elfe ist mein Gute-Laune-Bild“, sagt Gudrun Güth. In einem zitronengelben Rahmen hängt es bei ihr Zuhause an der Wand.
Wiederholung der Lesung für Bewohner
Mindestens 100 Mal, sagt Thomas, habe er die Geschichte von Elfe schon gelesen. Und manchmal auch seiner Freundin oder seinen Eltern vorgetragen. Er könne sich einfach nicht daran satt lesen. Natürlich ist Thomas auch dabei, als mit der Autorin kurz vor Ostern mitten im Schafstall, sozusagen an Elfes Geburtsort, eine Lesung stattfindet. Eine Premiere. Ihre Zuhörer sind Kinder aus der Kunst-Kita Waltrop – und eben Thomas, der von allen wohl am aufmerksamsten zuhört. Auch wenn er die Geschichte von Elfe und dem Zebra, die beide anders aussehen als ihre Artgenossen und deshalb geärgert werden, längst auswendig kennt. Wie es sich für eine Kindergeschichte gehört, geht sie natürlich gut aus und am Ende haben sich alle lieb.
Die Idee zur Autorenlesung an diesem ungewöhnlichen Ort hatten Elke Puhl vom Ruhratelier der Lebenshilfe und Elke Weber-Bartosch, die gemeinsam mit Ulrike Hartung die Wohn- und Lebensgemeinschaft Dortmund des Vereins „Christophorus-Haus für Seelenpflegebedürftige Dortmund – Bochum – Witten“ auf Gut Königsmühle leitet. Am Ende der Veranstaltung sind beide Frauen mehr als zufrieden und schließen eine Fortsetzung nicht aus. „Für unsere Bewohner werden wir die Lesung in jedem Fall wiederholen“, sagt Elke Weber-Bartosch.
Jedes Tier hat einen Namen
Nicht nur zufrieden, sondern regelrecht glücklich wirkt Thomas, nachdem Gudrun Güth ihr Buch zugeklappt hat. Seine Augen leuchten. Während die Kinder picknicken und den Bauernhof erforschen, macht der 31-Jährige das, was er am liebsten macht – er geht auf Tuchfühlung mit seinen Schafen. „Das ist Stupsi“, sagt er und streichelt dem Tier liebevoll über das Gesicht.
Jedem der rund 30 Muttertiere hat er einen Namen gegeben, bei einigen Geburten war Thomas dabei. „Jeden Tag nach der Arbeit und auch am Wochenende gehe ich in den Stall und gucke, ob alles in Ordnung ist“, sagt der junge Mann. Er arbeitet in der Zweigstelle „Diestelwiese“ der Werkstätten Gottessegen als Küchenhelfer. Oft sei er hibbelig, die Tiere würden ihn dann beruhigen und entspannen – und sofort spüren, wenn es ihm mal nicht gut geht. „Dann kommen sie zu mir und legen den Kopf auf meinen Schoß.“
Thomas (31) hat eine innige Beziehung zu den Schafen auf Gut Königsmühle. © Beate Dönnewald
Anders als ihr Ruf seien Schafe nämlich sehr schlaue Tiere. Sie könnten Emotionen und Gesichter erkennen, seien friedfertig und hätten einen guten Charakter. „Und darüber hinaus sind sie auch noch wunderschön und nützlich“, schwärmt Thomas. Ein ganz spezielles Verhältnis hat der Hobbymaler zum Schaf Theodore, der Chefin der Herde. „Sie erinnert mich an meine Großmutter, die hat mir auch immer Contra gegeben.“
Thomas sagt, er könne sich kein schöneres Leben vorstellen, auf Gut Königsmühle mit seinen vielen Tieren habe er das Paradies gefunden. Die Schafe seien zwar ganz klar seine Lieblingstiere, doch auch all die anderen Vierbeiner habe er in sein Herz geschlossen. Die Pferde, die Esel und – Katze Lilly. „Die wird bald Mama.“ Garantiert hat der sensible Thomas als erster gespürt, dass es bald niedlichen Katzennachwuchs geben wird ...