„Es ist wie früher“ Der letzte Abend im Dortmunder Silent Sinners

„Es ist wie früher“: Der letzte Abend im Silent Sinners an der Möllerbrücke
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Wann ich zum ersten Mal im Silent Sinners war, kann ich gar nicht genau sagen. Wahrscheinlich war das 2009, als ich 900 Meter Luftlinie entfernt Abitur gemacht habe. Da war der Club unter der Möllerbrücke gerade drei Jahre jung. 13 Jahre später hat er am Samstag (18.12.) zum letzten Mal geöffnet, nachdem er mein halbes Leben lang da war.

Im Sinners waren wir im Kapuzenpulli und im Hemd, im Borussia-Trikot und in Badehose. Und manchmal endeten die langen Sommernächte mit den ersten Sonnenstahlen einfach auf den Wiesen des benachbarten Westparks. Im Sinners hab ich meine Frau kennengelernt, einer der DJs des Abschieds-Abends hat auf unserer Hochzeit aufgelegt.

Nach 16 Jahren ist das Silent Sinners nun Geschichte. Und Chef Sebastian Noetzel hat den Laden nicht missmutig als Opfer der Pandemie im Lockdown abgeschlossen, sondern strahlend gut gelaunt mit einer großen Abschiedsparty. „Es ist wie früher“, freute er sich hinter dem DJ-Pult. Die Familie habe den Ausschlag zu der Entscheidung gegen nächtliche Arbeitszeiten gegeben, hatte er zuvor gesagt.

Ein typisches Klassentreffen, vor allem mit Älteren „von früher“, wie man es bei so einer Institution erwarten könnte, ist die letzte Feier dabei gar nicht geworden. Stattdessen kam eine bunte Mischung aus Menschen, von denen manche mehr als doppelt so alt sind als die anderen.

Silent Sinners Dortmund
Mehrere Party-Generationen haben in der Nacht zu Sonntag (18.12.) gemeinsam gefeiert. © Kevin Kindel

„Wir waren auch für viele Kids wichtig“, sagt Noetzel alias Battodo, der mit seinen DJ-Weggefährten MLM und Moerkinho an den Reglern stand: Schließlich haben viele 18-Jährige nach langen Corona-Schließungen erst vor kurzer Zeit überhaupt richtiges Partyleben kennenlernen können.

Vor einiger Zeit hat das Sinners ein neues Logo bekommen. Der Stempel, den alle Gäste am Abschiedsabend auf den Unterarm gedrückt bekamen, zeigte aber das alte Emblem, das über der Tür prangte, als der Club im Jahr 2006 geöffnet hat. Zwar gab es nun nicht mehr Papier-Verzehrkarten, auf denen Getränke-Kosten per Stift abgekreuzt wurden, sondern elektronische Scheckkarten. Aber ansonsten war ganz viel Raum für Nostalgie.

Der Eingang zum Silent Sinners in Dortmund.
Vor dieser Tür haben in den vergangenen 16 Jahre zahlreiche Dortmunderinnen und Dortmunder angestanden, um ins Silent Sinners zu kommen. © Kevin Kindel

Am Rand der Tanzfläche wurde wild rumgeknutscht, gegen 1 Uhr kam ein Junggesellinnenabschied mit weißen Hauben wie von historischen Dienstmägden rein. Und die merkwürdigen Kopfbedeckungen blieben auch auf der Tanzfläche neben stylischen spanischen Studentinnen angezogen.

Zum letzten Mal wurde deutlich, was wir an dem Laden mit den niedrigen Decken direkt an den Gleisen so mochten: Egal wie verschieden die Leute waren, alle haben miteinander gefeiert. Oder wie Sebastian Noetzel es mal gegenüber unserer Redaktion gesagt hat: „Es geht darum, seine Sorgen und Ängste an der Garderobe abzugeben. Darum, dass für einen Abend alles schön ist.“ Die Abschiedsparty fürs Silent Sinners war genau so ein Abend.