
© Illustration Leonie Sauerland
Eine Seilbahn sollte Dortmunds Lösung bei der Verkehrswende sein
Kolumne: „Klare Kante“
Wie bewegen wir uns in einer Stadt wie Dortmund? Wuppertal, Bochum und München denken über Gondel-Linien nach. Sie befördern sauber und störungsfrei und sind preiswert in Bau und Betrieb.
Jede Autofahrt durch die künstlich verengte Fassstraße lässt mich mehr ahnen: Es wird spätestens in der nächsten Generation schwieriger werden, in der Stadt das eigene Fahrzeug zu nutzen. Irgendwann werden sie uns zur Umfahrung des Ortskerns von Hörde zwingen. Es folgen: deutlich höhere Parkgebühren in der Dortmunder Innenstadt. Eine City-Maut. Letztlich nicht mehr nur Dieselfahrverbote, sondern einen Auto-Stopp für Teile der Kommune.
Die Seilbahn könnte eine Ergänzung sein
London und das norwegische Bergen kassieren schon lange Straßengebühren, das nahe Münster denkt darüber nach. Mailand hat seinen Innenraum autofrei gemacht, Oslo und Madrid haben das auf der Agenda. Mögen unsere Lokalpolitiker aktuell noch abwehren: Genau so werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Schritte aussehen, die die große Verkehrswende bringen. Dafür sorgen Klimawandel und Staus und in der Folge die Gesetzgebung. Nicht nur in Dortmund. Überall.
Verbote alleine sind falsch. Vorausschauende Politik gebietet, Alternativen zu durchdenken. Das E-Auto ist eine davon – die leidige Staufrage löst es nicht. Radfahren ist schön und gesund. Aber bei Starkregen, Eis und Schnee? Laufen geht gerne über kürzere Distanzen. Doch von Kurl, Löttringhausen, Brechten oder Kley in die City wird das zu einem Pilgergang. Bleibt die Frage nach der Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs. U-, S-Bahnen und Busse brauchten nicht nur eine Modernisierung, abgesenkte Tarife und kürzere Taktzeiten. Sie könnten eine Ergänzung vertragen. Die könnte eine Seilbahn sein.
Bochum rechnet mit 100 Millionen Euro
Mit mir geht nicht etwa die Fantasie durch. Nachbarn prüfen solche hochfliegenden Pläne. Wuppertal, das als Schwebebahn-Pionier bald 120 Jahre Erfahrung hat, schlägt gerade neue Pflöcke ein. Die Vorstellung: Der Hauptbahnhof in Elberfeld soll über eine 2,8 Kilometer lange Strecke mit der Uni verbunden werden. Sie rechnen dort mit täglich 17.000 Fahrgästen, die in den Endstationen und den geplanten Unterwegshaltestellen aus- und einsteigen, wenn die Kabinen alle 32 Sekunden anlegen. Baukosten laut erster Gutachten: um die 90 Millionen Euro. Jährliche Betriebskosten: 1,8 Millionen Euro. Start: 2025? „Wir sind heute eine Autostadt, der Straßenraum ist aber begrenzt“, sagt der Wuppertaler Verkehrsplaner Jochen Kuntz.
Auch München findet die Seilbahn-Idee für seine nördliche City spannend und bastelt an einem Streckenverlauf. Im Ruhrgebiet haben sich die Bochumer an die Arbeit gemacht. Planer Volker Steude errechnete 100 Millionen Euro Kosten für ein komplettes Seilbahnnetz zwischen Altenbochum und Kemnader See, Langendreer und Universität. Das ist die Summe, die auch eine Stadtbahn-Verlängerung um 500 Meter kostet. Das Land würde einen großen Teil der Baukosten übernehmen.
„Seilbahnen haben die höchste Sicherheit“
In Dortmund gibt es zwar schon innovative Verkehrssysteme wie die H-Bahn an der Universität. Eine Seilbahn für Dortmund hingegen wäre nicht nur eine Lösung für die Binnenpendler der Stadt – Arbeitnehmer, Einkaufende, Studierende. Sich die Straßen einer 600.000-Einwohner-Metropole von oben anzusehen lockt auch Touristen. Gehen wir in der Fantasie doch mal gondeln: Vom Phoenix-See über den Westfalenpark, mit Stopps an Messe/Stadion, die City vielleicht am Westentor streifend oder mit Halt an Hauptbahnhof/Fußballmuseum bis zum Hafen, der sich eben für die Zukunft aufstellt.
Die luftige Reise mag zunächst gewöhnungsbedürftig sein. Die Lautlosigkeit. Das Schweben in 50 Metern Höhe. Nicht unproblematisch ist auch der Grusel, der Trassen-Anlieger befallen könnte: Gucken uns die Gondel-Kunden demnächst ins Schlafzimmer? Der Trierer Verkehrsexperte Heiner Monheim beruhigt: „Seilbahnen haben die höchste Sicherheit unter allen Verkehrsmitteln. Ihnen kann ja nichts in die Quere kommen.“ Und: Die Verglasung müsse nicht so rundum führen wie bei Bergbahnen, die nur schöne Aussicht bieten wollten. Ein gläserner Boden sei verzichtbar. Man könne alleine durch die Konstruktion viele Ängste nehmen.
Vor allem aber kennt Monheim harte Währung, wenn sich so ein Projekt dem Vergleich stellen muss: Seilbahnen verbrauchen zehn Prozent der Energie, die ein Busbetrieb braucht – und ein Drittel des Stroms eines schienengebundenen Verkehrsmittels. Die Buchhalter in den Verkehrsbetrieben würden am Ende feststellen, dass der Personalbedarf beim Fünftel einer Buslinie liegt.
Allerdings sagt Monheim auch, dass die Vorteile so einer Anlage bei einer Gesamtlänge von etwa sechs Kilometer Strecke an ihre Grenzen stoßen. Seilbahnen sind kein Massenverkehrsmittel. Eben eher eine Ergänzung. Aber eine, die lohnt. Im Rathaus sollten sie einfach mal nachdenken.

© Dietmar Seher