Eine Million Euro Anliegerbeiträge für den Straßenumbau: „Das wird Leben kosten“

© Beate Dönnewald

Eine Million Euro Anliegerbeiträge für den Straßenumbau: „Das wird Leben kosten“

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Thomas Otto sorgt sich. Um seine Eltern und die anderen älteren Anlieger an der Provinzialstraße. Sie sollen eine Million Euro fur den Straßenumbau bezahlen. Otto befürchtet Schlimmstes.

Lütgendortmund

, 18.10.2019, 15:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Emma (78) und Gerhard Otto (83) wohnen seit 1963 an der Provinzialstraße 30 in Lütgendortmund. Erst als Mieter, 1982 haben sie das Zechenhaus, Baujahr 1897, gekauft und in mühevoller Eigenarbeit umgebaut. 56 Jahre nach seinem Einzug ist das Ehepaar nervlich am Ende.

„Mit Opel fing alles an“, sagt Emma Otto. Das war Ende der 1960er-Jahre. Der jahrelange Zubringerverkehr habe nicht nur den Anwohnern, sondern auch der Straße zugesetzt. Sohn Thomas (54) kann sich noch gut erinnern: „Ich bin damals in den Kindergarten gegangen. Die Straße war immer komplett belegt. Ohne meine Eltern hätte ich es nicht auf die andere Seite geschafft.“

Der Schwerlastverkehr habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagen die Ottos. Der Lärm, den sie auf der kaputten Fahrbahn verursachen, zehrt an den Nerven der Senioren.

Der Schwerlastverkehr habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagen die Ottos. Der Lärm, den sie auf der kaputten Fahrbahn verursachen, zehrt an den Nerven der Senioren. © Beate Dönnewald

„Das alles geht an die Gesundheit, an die Nerven“

Die Opel-Zeiten sind lange vorbei. Heute ist es vor allem der Schwerlast-Verkehr im Zuge der Gewerbeansiedlung, der die Anlieger zermürbt. „Besonders schlimm ist es, wenn die Lkw leer sind und die unbefestigten Holzblöcke auf und ab springen“, sagt Gerhard Otto. Seit Jahren wackelten die Wände in ihrem Haus, rasende Lkw auf der Schlaglochpiste ließen grüßen. „Das alles geht an die Gesundheit, an die Nerven“, sagt Emma Otto.

Für ihren Sohn Thomas Otto, der 1989 ausgezogen ist, sind das unhaltbare Zustände. Was ihn jetzt richtig auf die Palme bringt, sind die Forderungen der Stadt gegenüber den Eigentümern: Für den 2020 geplanten Straßenumbau (von der Brücke über der A40 bis zur Stadtgrenze Bochum) sind fast eine Million Euro Anliegerbeiträge vorgesehen.

„Jahrzehntelange Körperverletzung“

„Jetzt sollen also die Anwohner, die diese jahrzehntelange Körperverletzung zur Subventionierung der Bochumer Gewerbesteuereinnahmen ertragen haben, diese Schäden finanzieren“, zürnt der 54-Jährige. Und weiter: „Das hat schon was, wenn man bedenkt, dass die Mehrzahl dieser Menschen dort im Schnitt 70 bis 80 Jahre alt ist. Die Vorgehensweise wird Leben kosten, das scheint mir sicher.“ Er persönlich habe Herzrasen bekommen, als er in der Presse von den Anliegerbeiträgen las. „Wie mag es da älteren Menschen gehen?“

Bereits 1997 und dann noch mal 2008 hätten seine Eltern und weitere Anlieger Politik und Verwaltung auf die schweren Straßenschäden hingewiesen. Außer der Beschränkung auf Tempo 30 habe sich aber nichts getan. „Wir sind immer wieder vertröstet worden“, sagt Emma Otto. Jetzt fühle sie sich einfach zu alt, um sich zu wehren. In Sachen Vermietung hätten sie und ihr Mann längst resigniert: „Eine Wohnung steht schon lange leer.“ Durch den Transferverkehr auf maroder Straße nach Bochum sei das hier mittlerweile ein prekäres Viertel, so Thomas Otto.

An Tempo 30 würden sich die wenigstens Auto- und Lkw-Fahrer halten, sagen die Ottos. Die letzte Geschwindigkeitskontrolle sei am 3. Oktober 2019, ausgerechnet an einem Feiertag, gewesen.

An Tempo 30 würden sich die wenigstens Auto- und Lkw-Fahrer halten, sagen die Ottos. Die letzte Geschwindigkeitskontrolle sei am 3. Oktober 2019, ausgerechnet an einem Feiertag, gewesen. © Beate Dönnewald

88 Hausnummern sind wohl betroffen

Die Ottos finden es ungerecht, dass die Anlieger der vorherigen beiden Bauabschnitte nichts oder deutlicher weniger zahlen mussten. Die Stadt begründet dies damit, dass für den dritten Bauabschnitt ein Vollausbau, unter anderem mit neuen Geh- und Radwegen, vorgesehen sei. „Nebenan“ seien Markierungen auf der alten Bausubstanz der Fahrbahn aufgetragen worden und somit keine Ausbaukosten entstanden, die auf die Anlieger hätten umgelegt werden können.

Wie die Anliegerbeiträge von fast einer Million Euro aufgeteilt werden, ist noch nicht bekannt. .„Ich habe 88 Hausnummern gezählt“, so Thomas Otto. Für die Berechnung werden laut Kommunalabgabengesetz (KAG) Grundstücksgrößen und Geschosshöhe zugrundegelegt, so dass die Beitragspflichtigen keine einheitlichen Bescheide erhalten werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Dortmund und Bochum funktioniere nicht, meinen die Ottos. Völlig sinnfrei sei es doch zum Beispiel, dass der neue Radweg vor dem Ortseingangsschild enden soll.

Die Zusammenarbeit zwischen Dortmund und Bochum funktioniere nicht, meinen die Ottos. Völlig sinnfrei sei es doch zum Beispiel, dass der neue Radweg vor dem Ortseingangsschild enden soll. © Beate Dönnewald

Hoffen auf eine Neuregelung der Straßenausbaubeiträge

Thomas Otto hofft auf eine Neuregelung der Straßenausbaubeiträge, die aktuell im NRW-Landtag beraten wird. Diskussionsgrundlage ist die Halbierung der Beiträge. Unabhängig davon appelliert er an die Verantwortlichen: „Man kann sicher nicht von einem Kommunalabgabengesetz eine ethisch-moralische Lösung erwarten, aber doch von euch Menschen, die ihr Politik macht und Verwaltung für das Gemeinwohl verantwortet.“ Als besonders bitter empfindet er es, dass der Straßenumbau für seine Eltern 20 Jahre zu spät kommt. „Jetzt sind sie alt, viel werden sie davon nicht mehr haben.“