Nach über 25 Jahren im Vorstand der Dortmunder Volksbank und 13 Jahren als Vorstandsvorsitzender geht Martin Eul in den Ruhestand. © (A) Volksbank/Heinze

Dortmunder Volksbank

Eine märchenhafte Dortmunder Karriere: Vom Hauptschüler zum Bank-Chef

Eine Ära geht zu Ende: Nach einem Berufsleben für die Dortmunder Volksbank und acht Fusionen tritt Martin Eul in den Ruhestand. Er kam 1977 als Azubi - und geht nun als Vorstandschef.

Dortmund

, 01.07.2021 / Lesedauer: 5 min

Seit Martin Eul Ende vergangenen Jahres verkündet hat, mit seinem 60. Geburtstag als Vorstandsvorsitzender der Dortmunder Volksbank aufzuhören und in diesem Sommer frühzeitig in den Ruhestand zu gehen, schiebt er immer den Satz hinterher, dass er bereits seit dem 16. Lebensjahr bei der Volksbank arbeitet. 44 Berufsjahre hat er also schon auf dem Buckel.

„Ich muss mir nicht vorwerfen lassen“, sagt er, „in meinem Leben zu wenig gearbeitet zu haben.“ Er blickt auf eine Lebensarbeitszeit, auf die viele bis zur Rente gar nicht kommen, und in der er einen märchenhaften Aufstieg vom Hauptschüler aus Lanstrop zum Bankdirektor vollzog.

Seit über 25 Jahren arbeitet Martin Eul im Vorstand und seit 2008 ist er der Chef dieses Gremiums. Unter seiner Führung wurde aus der Dortmunder Volksbank die viertgrößte Genossenschaftsbank Deutschlands. In Nordrhein-Westfalen ist sie mit großem Abstand die Nummer eins. Das Wort „Feierabend“, das kann man sich vorstellen, gibt es für einen Gestalter wie Eul seit einem Vierteljahrhundert nicht.

Der Urlaub wurde immer um Termine drumherum gebucht

„Ich war die Bank und die Bank war ich - rund um die Uhr. Und seit über 25 Jahren plane ich beispielsweise meine Urlaube um Termine herum. Ich möchte nun die Zeitsouveränität zurückgewinnen“, sagt Martin Eul, der vor wenigen Wochen zum zweiten Mal Großvater geworden ist.

Ulrich Leitermann, Volksbank-Aufsichtsratsvorsitzender, Vorstandschef Martin Eul, der damalige EU-Kommissar Günther Oettinger und Handwerks-Präsident Otto Kentzler (†) bei einem Wirtschaftsgespräch 2015 © Dieter Menne Dortmund

Ab Freitag, den 2. Juli, wird er genau das tun und selbst über seine Zeit bestimmen. Dann wird er die letzte Abschiedsrede gehalten und die letzte Laudatio auf sich gehört haben. Es folgen ein paar Resturlaubswochen und mit seinem 60. Geburtstag am 1. August ist der leidenschaftliche BVB-Fan dann offiziell Ruheständler. Als sein Nachfolger nimmt der 41-jährige Michael Martens dann auf dem Chefsessel in der vierten Etage des Volksbank-Gebäudes an der Betenstraße Platz.

Mit Martin Eul verliert die Dortmunder Volksbank einen Partner der Bürger und der heimischen Wirtschaft, eine Persönlichkeit der Dortmunder Stadtgesellschaft. „Jeden Tag hat mich in den vergangenen Wochen noch jemand angerufen und gefragt, ob ich nicht nochmal auf seine Finanzen gucken kann. Nach 44 Jahren kennt man natürlich viele Leute und es ist unfassbar, mit wie vielen ich per du bin“, sagt Martin Eul selbst.

Erster Auftritt bei der Dortmunder Volksbank: mit der Mutter

Seine Bodenständigkeit und seinen Wertekompass hat der Volksbank-Chef auf der Karriereleiter nicht verloren. „Für mich steht der Azubi immer auf einer Stufe mit dem Direktor. Der Mensch steht für mich im Mittelpunkt“, sagt Martin Eul.

Nur zu gut erinnert er sich an seinen ersten Auftritt bei der Dortmunder Volksbank. Ein pubertierender, 15-jähriger Hauptschüler war er da und kam mit seiner Mutter im Schlepptau zum Vorstellungsgespräch. „Alleine hätte ich von Lanstrop gar nicht den Weg in die Stadt gefunden“, sagt er.

Das Gebäude der Dortmunder Volksbank an der Betenstraße ist mehr als nur ein Bank-Gebäude. Es ist auch Ort, wirtschaftspolitischen Austauschs. © Dieter Menne (A)

Und eingestellt wurde nach einer Stunde nicht er, sondern eigentlich seine Mutter. „Sie hatte 55 Minuten Gesprächsanteil. Ich hatte nur eine Frage gestellt: Was kann ich werden? Und der damalige Personalchef Heinrich Burges antwortete: Wenn Sie wollen, können Sie Vorstand werden.“ Niemals hätte er damals gedacht, dass es tatsächlich so kommen würde.

Er war 1977 einer von acht Azubis. Sechs hatten Abitur, einer kam von der Realschule und Martin Eul kam mit der Mittleren Reife von der katholischen Hauptschule in Husen.

Demütiger Blick auf den eigenen Werdegang

„In der Abschlussprüfung hatten wir dann alle eine Drei. Man hat sich also von den Abiturienten nicht unterschieden. Weil es eben als Banker keinen Integralsatz braucht. Den Dreisatz, das Prozent- und das Bruchrechnen muss man beherrschen“, sagt Martin Eul.

Damit es für ihn dann tatsächlich bis an die Spitze der Bank ging, bedurfte es nach seiner eigenen Aussage noch Ehrgeiz, Spaß und Talent. Talent vor allem auch in der Menschenführung. „Als reiner Technokrat scheitern sie gnadenlos“, sagt er.

Dass er es in die Vorstandsetage schaffte, erfüllt Martin Eul heute zwar auch mit Stolz, vor allem aber mit Demut: „Mir war immer bewusst, dass mir die Macht einer 10-Milliarden-Bank, die wir heute sind, nur auf Zeit verliehen sein würde. Und bin dankbar, dass mir die Zeit so gegeben wurde.“

Sieben Fusionen hat er seit 1985 mit vorbereitet beziehungsweise als Vorstandsvorsitzender seit 2008 entscheidend mit gestaltet. Sein „Lieblingsfach“ war immer das Kreditgeschäft („Weil damit immer etwas Positives verbunden und es der Wesenskern des Bankgeschäfts ist“), aber die Königsdisziplin, sagt er heute, ist die Fusion.

Fusionen sind nie zur Routine geworden

Nach der gerade abgeschlossenen Verschmelzung mit der Volksbank Waltrop steht „seine“ achte Fusion mit der Volksbank Kamen-Werne eG in den Startlöchern.

„Nie“, sagt Martin Eul, „ist so eine Fusion eine Übernahme. Es ist wirklich eine Verschmelzung. Und das die richtig ist, davon müssen Sie alle überzeugen: den Vorstand, den Aufsichtsrat, die Leitenden Mitarbeiter, den Betriebsrat und schließlich die gesamte Belegschaft. Und entschieden wird es dann von mindestens 75 Prozent der Mitglieder in der Vertreterversammlung.“

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Zur Routine geworden seien die Fusionen für ihn nicht. „Dazu war jede einzelne viel zu spannend. Und das Schönste ist es, wenn man Menschen für sich gewinnen kann“, sagt er. Es ist ihm wiederholt gelungen. Auch, weil er das, was er den bald über 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versprochen hat, eingehalten hat. Die Dortmunder Volksbank wird weiter wie ein Familienunternehmen geführt. „Und es hat nicht eine betriebsbedingte Kündigung gegeben“, so Martin Eul.

Start als Volksbank-Chef in der Finanzkrise 2008

„Er übergibt seinem Nachfolger mit einer Bilanzsumme von 9,4 Milliarden Euro und einem Eigenkapital von über 1 Milliarde Euro ein exzellent bestelltes Haus - als einer, der Geschichte geschrieben hat“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Leitermann über den scheidenden Volksbank-Chef. Als Martin Eul 1977 seine Ausbildung begann, verzeichnete die Bank eine Bilanzsumme von gerade mal 120 Millionen Euro und zählte 140 Beschäftigte.

Der Signal-Iduna-Chef Ulrich Leitermann (r.) ist seit Jahren auch Aufsichtsratsvorsitzender der Dortmunder Volksbank. Er sagt über Martin Eul: „Wer ihn kennt, weiß, dass er Menschen für die Sache gewinnen kann. Verbindlich, aufrichtig und zuverlässig hat er bei allen Entscheidungen immer eingezahlt auf die beste Währung, die es gibt: das Vertrauen der Mitglieder und Partner seiner Bank.“ © (A) Volksbank/Heinze

Sein Start als Vorstandsvorsitzender war in der Weltfinanzkrise 2008 allerdings nicht einfach und die zunehmende Digitalisierung sowie die anhaltende Niedrigzinsphase schufen weitere Herausforderungen.

„2015 mussten wir beginnen, Filialen zu schließen. Von damals 80 haben wir heute noch 40 Filialen“, sagt Martin Eul und ergänzt: „Für viele Kunden ist damit Nähe verloren gegangen, aber insgesamt kommen immer weniger Kunden in eine Bank. Und die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung weiter einen derartigen Schub verliehen, dass ich fürchte, dass wir in fünf Jahren auch keine 40 Filialen mehr haben.“

„Es gab nicht eine corona-bedingte Insolvenz“

Apropos Corona: Auch dieses Thema schließt er jetzt beruflich für sich ab - erfolgreich. „Es gab bei unseren Firmenkunden nicht eine corona-bedingte Insolvenz. Einerseits weil die Insolvenzantragspflicht ausgedehnt wurde, aber andererseits auch, weil es unendlich viel staatliche Unterstützung gab. Wir haben 80 Millionen Euro an KfW-Krediten für 250 Unternehmen verschafft“, sagt Martin Eul.

Auch dem von ihm von Anfang an so geliebten Kreditgeschäft sagt er damit adé. Und Enkel Henri (4) und sein Brüderchen Ferdinand (8 Wochen alt), die im fernen München leben, dürfen sich freuen. Der Opa, den sie bisher nur sehr selten gesehen haben, kommt nun viel öfter. Er hat jetzt Zeit.

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