Kranke Kinder zuhause zu unterhalten, ist nicht immer leicht. Tom Potte hatte für seine Töchter Tilda (4) und Ella (3) am Dienstagmorgen aber ein tolles Programm: Direkt vor ihrer Haustür schwebte ein Haus durch die Luft. „Dass Menschen umziehen, kennt man ja, aber das ganze Häuser umziehen, ist schon außergewöhnlich“, stellte Potte fest. „Und ein Stück Geschichte zieht damit auch um.“
In der Tat: Das Haus, das umzieht, symbolisiert ein besonderes Stück Dortmunder Geschichte - Stahlgeschichte. Denn der Bungalow am Rande von Löttringhausen ist ein Produkt des Montanunternehmens Hoesch. „Hoesch dachte irgendwann in den 1960er-Jahren, dass man mit dem Bau von Stahlhäusern Geld verdienen kann“, berichtet Wolfgang Weick vom Vorstand des Vereins Freunde des Hoeschmuseums.
Mehrere Häuser aus Stahl baute Hoesch für leitende Angestellte des eigenen Unternehmens in einer kleinen Siedlung am Rande von Löttringhausen. Eines davon ist das Stahlhaus, das gestern durch die Luft schwebte. Denn es soll nun zum größten Exponat des Hoeschmuseums werden.

Das Problem ist: Das Hoeschmuseum ist am Rande der Westfalenhütte in der Nordstadt gut 15 Kilometer von der Wohnsiedlung entfernt. Also muss das gesamte Haus „transloziert“ werden, wie es in der Sprache der Museumsfachleute heißt.
Der Plan dafür wird schon seit vielen Jahren geschmiedet. Durch Zufall hatten der Freunde des Hoeschmuseums von dem Stahlhaus gehört, das noch im Originalzustand erhalten war. „Das Bungalow mit 141 Quadratmetern Grundfläche ist ein echtes Unikat“, schwärmt Museumsleiterin Isolde Parussel.
So entstand die Überlegung, denBungalow als ganz besonderes Ausstellungsstück ins Hoeschmuseum zu holen. „Aus der Schnapsidee wurde ein Plan und ein Projekt“, berichtet Weick. Seit drei Jahren wird konkret an den Umzugsplänen gearbeitet. Vor allem die Finanzierung war schwierig. Den das Projekt kostet rund 900.000 Euro.
Rund 135.000 Euro sparten die Freunde des Hoeschmuseums selbst zusammen. Der große Rest kam durch Fördermittel der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege, des NRW-Heimatministeriums, des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und der Gemeinwohl-Stiftung der Sparkasse Dortmund zusammen. Die Stadt Dortmund stellt das Grundstück, Thyssen-Krupp-Steel (TKS) half bei der Auf- und Vorbereitung.

Jetzt wird das Projekt vollendet. Um es transportfähig zu machen, wurde das L-förmige Stahlhaus in zwei Hälften geteilt. Die haben es aber immer noch in sich: Die beiden Teile sind 13 und 16 Tonnen schwer und bis zu acht Meter breit. Per Autokran wurden sie am Dienstagvormittag auf zwei Sattelschlepper vorladen - in der engen Sackgasse war das Millimeterarbeit.
Doch es ging alles gut - nur der Zaun eines Mülltonnen-Stellplatzes musste kurzfristig abgebaut werden. Jeweils 90 Minuten dauerte es, die Haushälften in die Höhe zu hieven und auf den Sattelschleppern zu vertäuen.

Die konnten sich dann mit der übergroßen Last als Schwertransport erst in der Nacht zu Mittwoch in Bewegung setzen. Im Schritttempo geht es über gesperrte Straßen aus dem Dortmunder Süden zur Westfalenhütte. Am Mittwochmittag werden sie dann auf den vorbereiteten Fundamenten hinter dem Hoeschmuseum in aller Vorsicht abgeladen. Wir sind ab etwa 12 Uhr wieder live dabei.
Bis das Stahlhaus dann tatsächlich zum begehbaren Ausstellungsstück des Hoeschmuseums wird, vergeht allerdings noch einige Zeit. Nach zehn Jahren Leerstand muss der Bungalow erst einmal saniert und dann als Ausstellungsraum umgebaut wird, erklärt Isolde Parussel. Die Hoffnung ist, dass das Stahlhaus dann in gut einem Jahr genutzt werden kann. Und vielleicht statten Tilda und Ella dann ihrem alten Nachbarn mal einen Besuch ab.
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